Steigende Energiepreise:Wenn der Strom zu teuer wird

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Mehr und mehr Menschen können ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Bei fast 800.000 Verbrauchern jährlich drehen die Versorger daher den Saft ab. Nur die wenigsten bieten ihren Kunden Unterstützung an, meist flattert nur die Mahnung ins Haus. Am besten soll man sich deshalb schon frühzeitig Rat holen.

Andreas Jalsovec

Bei Birgit Höltgen kommen auch die ganz schweren Fälle an - die, bei denen das Licht schon ausgegangen ist. Und sie sind meist alles andere als einfach zu lösen. "Wenn der Strom einmal abgestellt ist, wird es schwierig", berichtet die Referentin für Schulden bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Viele Versorger lassen sich dann nicht mehr auf Ratenzahlungen ein."

Tipps zum Stromsparen sollen sich Verbraucher schon frühzeitig holen - bevor das Geld aus ist und der Strom weg. (Foto: dpa)

Das Problem trifft immer mehr Verbraucher: Schon während des laufenden Jahres können sie ihre monatliche Stromrechnung kaum zahlen. Kommt am Jahresende die Abrechnung mit einer Nachzahlung, reicht das Geld nicht mehr. Rund 340.000-mal drohten deshalb im Jahr 2010 allein die nordrhein-westfälischen Energieversorger Kunden, die nicht zahlten, mit einer Stromsperre. Bei 62.000 Haushalten, so das Ergebnis einer Umfrage der Verbraucherzentrale, wurde der Strom dann tatsächlich abgestellt. Hochgerechnet auf Deutschland drehten Versorger damit 600.000 Kunden jährlich den Saft ab. "Wir gehen sogar von bundesweit 800.000 Fällen aus", meint Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher.

In Deutschland gebe es einige Regionen, in denen das Problem noch gravierender sei. Das gilt vor allem dort, wo die Haushaltseinkommen geringer sind. Denn der Grund für die zunehmenden Zahlungsschwierigkeiten der Stromkunden sind steigende Energiepreise auf der einen Seite bei gleichzeitig gering wachsenden Einkommen auf der anderen. "Diese Schere öffnet sich seit Jahren immer weiter", beobachtet Peters.

So sind die Strompreise seit Anfang 2010 um gut zehn Prozent gestiegen. Ähnlich fiel der Zuwachs bei Gas aus, bei Öl war es sogar deutlich mehr. Und ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht: Gerade haben fast 180 deutsche Stromversorger erneut Preiserhöhungen angekündigt. "Wir bekommen da ein dramatisches Problem, weil immer mehr Leute die Energiepreise nicht mehr bezahlen können", glaubt Peters. Auch bei den Versorgern hat man das erkannt: So gaben drei von vier der von der Verbraucherzentrale befragten Unternehmen an, das Problem der Energieschulden verschärfe sich.

Die wenigsten freilich haben dafür nachhaltige Lösungen parat. Nur "eine Handvoll Versorger", so heißt es bei der Verbraucherzentrale, versuchten ihren Kunden mit einer Kombination aus Energiespar- und Budgetberatung zu helfen. So finanzieren etwa die Stadtwerke Wuppertal zur Hälfte die Stelle einer Juristin bei der Verbraucherzentrale. Sie kümmert sich um Kunden, die Probleme haben, ihre Energierechnung zu begleichen.

"Dabei geht es um einen ganzheitlichen Ansatz", sagt Holger Stephan von den Wuppertaler Stadtwerken. Die Beraterin schaue sich nicht nur die Stromrechnung an. Sie werfe auch einen Blick auf die gesamten Haushaltsfinanzen. Dass die Helferin bei der Verbraucherzentrale sitzt, soll die Hemmschwelle der Kunden senken. Denn wer legt schon gern seine Finanzprobleme offen?

Ansätze wie diese sind jedoch noch die große Ausnahme. Im Normalfall gehen die Versorger bei Zahlungsschwierigkeiten nach Schema F vor: Zwei Mahnungen, dann folgen zwei gesetzlich vorgegebene Androhungen der Stromsperre - eine vier Wochen, die andere drei Tage vor dem Termin. Danach gehen die Lichter aus. Dieser schlimmste Fall ließe sich oft vermeiden, wenn die Versorger ihre Problemkunden auch während des Jahres über den tatsächlichen Verbrauch informierten. Das jedoch bietet laut Umfrage der Verbraucherzentrale nur die Hälfte der Firmen an. Noch mal ein Viertel davon kassiert dafür zusätzlich Geld.

Verbraucherschützerin Höltgen rät Stromkunden mit Zahlungsschwierigkeiten, möglichst frühzeitig selbst Rat einzuholen. "Dann kann man noch nach Lösungen suchen, bevor es zur Sperre kommt." Meist laufe das auf das Abstottern der Schulden in Raten hinaus. Das wird nach einer Sperre jedoch auch deshalb schwieriger, weil die Versorger für das Abdrehen des Stroms eine Extragebühr verlangen - ebenso für die Wiederaufnahme der Lieferung. "Da entstehen erhebliche Kosten", sagt Höltgen. "Für Menschen, die ohnehin wenig Geld zur Verfügung haben, kriegt man dann oft gar keine bezahlbaren Raten mehr hin."

© SZ vom 23.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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