Städtebautag:Schmuckstücke und Schandflecken

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Städte und Kommunen laden am 21. Mai wieder zum "Tag der Städtebauförderung" ein. Experten zeigen, wie sich Quartiere verändert haben.

Von Ingrid Weidner

Manche moderne Wohnsiedlung verwandelt sich über die Jahre in eine vernachlässigte Brache. Das kann passieren, weil sich die Vermieter nicht um die Häuser und die Bewohner kümmern. Oder auch, wenn hohe Arbeitslosigkeit und schrumpfende Bevölkerungszahlen ein Quartier treffen. Damit sich einstige Schmuckstücke nicht in verödete Schandflecken verwandeln, hilft seit mehr als 40 Jahren die Städtebauförderung des Bundes den Kommunen dabei, neue Ideen für ramponierte und heruntergekommene Immobilien und Areale zu entwickeln und sie fit für die Zukunft zu machen.

Als für den Stadtteil Leipzig-Grünau vor 40 Jahren der Grundstein gelegt wurde, galten Plattenbauten und Großsiedlungen als moderne Wohnform und begehrte Adresse. Das 8,7 Quadratkilometer große Areal war neben Halle-Neustadt und Berlin-Marzahn eine der größten Plattenbausiedlungen der DDR. Mitte der 1980er-Jahre lebten dort mehr als 85 000 Menschen. Doch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen hinterließen auch dort deutliche Spuren - heute zählt die Siedlung noch etwa halb so viele Einwohner. Einige Gebäude wurden abgerissen. Und es wurde viel investiert, um die Lebensqualität zu erhalten und auch neue Bewohner anzulocken. Mehr als 30 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln flossen zwischen 1993 und 2005 in die Siedlung, um die vorhandenen Zentren zu stärken, Grün- und Freiflächen neu zu gestalten und den Bewohnern eine funktionierende, soziale Infrastruktur zu bieten.

Circa 530 Kommunen laden zu Veranstaltungen ein. In Bayern gibt es besonders viele Projekte

Ob das Geld gut angelegt ist und wie sich die einstige sozialistische Mustersiedlung verändert hat, davon können sich die Bürger am Tag der Städtebauförderung selbst ein Bild machen. Mit einem vielseitigen Programm lädt die Stadt Leipzig Interessierte ein, mit dem Rad durch Grünau zu fahren oder spielerisch die große Plattenbausiedlung näher kennenzulernen. Spannend dürfte es auch sein, mit einigen der Planer von damals über den Stadtteil und seine bewegte Entwicklung in den vergangenen 40 Jahren zu diskutieren. Auf die Besucher warten 16 unterschiedliche Veranstaltungen in Grünau.

Das Quartier in Leipzig-Grünau war einst eine der größten Plattenbau-Siedlungen der DDR. An diesem Samstag zeigt die Stadt, wie sich das Viertel entwickelt hat. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Selbst unter Experten gilt die Städtebauförderung zuweilen als schwer vermittelbares Thema. Ein vernachlässigtes Quartier fällt schnell auf, doch eine herausgeputzte Altstadt nehmen viele als selbstverständlich hin. Mit dem im vergangenen Jahr initiierten "Tag der Städtebauförderung"‟ sollen die Ergebnisse und Erfolge mehr ins Rampenlicht gerückt werden. Gleichzeitig wollen die Initiatoren auch die Bürger für mehr Beteiligung gewinnen.

Deutschlandweit beteiligen sich in diesem Jahr am 21. Mai etwa 530 Kommunen aus der ganzen Republik an der Veranstaltung. In diesem Jahr erschweren die frühen Pfingstferien zwar die Planungen, doch die Veranstalter sind mit den Anmeldungen zufrieden, auch wenn es etwas weniger sind als 2015. "Alle Millionenstädte und alle Bundesländer sind dabei", sagt Lennart Palmer vom Büro Schulten Stadt- und Raumentwicklung aus Dortmund, das auch in diesem Jahr den "Tag der Städtebauförderung" koordiniert und den Kommunen beratend zur Seite steht. Diesmal sind unter den Neuanmeldungen viele kleinere Städte mit bis zu 25 000 Einwohnern, die ihre Bürger informieren wollen und stolz auf die städtebaulichen Neuerungen in ihrer Gemeinde sind, wie Palmer berichtet.

Die meisten Anmeldungen kommen aus den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Baden-Württemberg liegt mit knapp 100 angemeldeten Gemeinden vor Bayern, das mit etwa 90 Teilnehmern etwas weniger Kommunen zur Teilnahme motivieren konnte.

Zum Beispiel Regensburg. Die Stadt konzentriert sich in diesem Jahr auf das römische und jüdische kulturelle Erbe der Stadt. "Wir zeigen mit der Porta Praetoria, die gerade saniert wird, und dem geplanten Neubau der Synagoge zwei aktuelle Projekte", erklärt Anton Sedlmeier vom Amt für Stadtentwicklung in Regensburg. Die Pfingstferien stören Sedlmeier und seine Mitarbeiter übrigens nicht - ganz im Gegenteil, denn sie rechnen damit, dass mehr Touristen in der Stadt sein werden und es auch mehr Besucher für die Veranstaltungen geben wird. Auch für die Kinder haben die Regensburger einige Attraktionen eingeplant. Die Kleinen können beispielsweise in eine römische Toga schlüpfen oder in der Jugendbauhütte Regensburg historische Handwerkstechniken kennenlernen und dabei auch gleich ihr eigenes, handwerkliche Geschick erproben.

Dass sich in Baden-Württemberg besonders viele Städte und Gemeinden an der Veranstaltung beteiligen, mag auch dran liegen, dass das Bundesland im Südwesten der Republik zeitgleich mit dem Beginn der Städtebauförderung im Jahr 1971 ein eigenes, Landessanierungsprogramm auflegte. Heuer stehen dort insgesamt 200 Millionen Euro für die Städtebauförderung zur Verfügung. 60 Millionen fließen an Bundesmitteln in den Südwesten, das landeseigene Programm ist mit 120 Millionen Euro ausgestattet. Für den ländlichen Raum gibt es einen eigenen Fördertopf.

Zu den Schwerpunkten der Förderung in Baden-Württemberg zählen Wohnen und Wohnungsbau, Sicherung, Verbesserung und Integration für Benachteiligte, Stärkung der Zentren und Innenstädte, der demografische Wandel und barrierefreier Wohnraum sowie die Nachnutzung von Brachflächen, die aufgelassene Kasernen und Industrieanlagen hinterlassen.

"Ganzheitliche, ökologische Erneuerung, das Stadtklima verbessern und Gewerbegebiete aufwerten sind weitere Ziele", sagt Wolfgang Stehmer vom Referat für Städtebauliche Erneuerung im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart. Wohnen und die Konversion von ehemaligen Kasernenflächen hätten in Baden-Württemberg momentan Vorrang, berichtet Stehmer. Aber auch für Projekte, die die Integration fördern, stellt das Bundesland Geld zur Verfügung.

Alle Veranstaltungen sind im Internet zu finden unter www.tag-der-staedtebaufoerderung.de

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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