Sorge um Kreditinstitute:Aktien der Commerzbank brechen dramatisch ein

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Wirbel in Frankfurt: Womöglich braucht die Commerzbank weit mehr Kapital als bislang gedacht. Die Aktionäre reagieren panisch. Die Titel des zweitgrößten deutschen Privatinstituts sacken zeitweise um circa zehn Prozent ab. Es fehlt nicht mehr viel - dann sind die Commerzbank-Aktien nur noch Cent-Beträge wert.

Deutschlands zweitgrößtem Geldhaus könnten nach internen Berechnungen rund fünf Milliarden Euro fehlen. Zumindest, sofern die europäischen Bankenaufseher ihre Anforderungen nochmals verschärfen. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Finanzkreise. Die Commerzbank-Aktie brach in der Spitze um zehn Prozent auf ein Rekordtief von 1,2180 Euro ein.

Commerzbank-Chef Martin Blessing wollte die Lücke zur Kernkapitalquote von neun Prozent bis Mitte 2012 schließen, ohne noch einmal Staatshilfe in Anspruch nehmen zu müssen - da ging er aber auch noch von einer Lücke von 2,9 Milliarden Euro aus. (Foto: AFP)

Das Institut wolle den Bedarf bis Mitte 2012 über den Abbau von Risikopositionen decken, hieß es in den Kreisen. Dazu werde das Neugeschäft des Immobilienfinanzierers Eurohypo gestoppt. Im Mittelstandsgeschäft würden Kredite zunächst nur noch dann vergeben werden, wenn sie mit den Kernmärkten Deutschland oder Polen verbunden seien. Aber auch deutsche Länder und Kommunen müssten gemäß den Angaben mit drastischen Einschnitten in der Kreditvergabe rechnen.

Eine Kapitalerhöhung hingegen könnte schwierig werden: Experten halten sie im Falle der Commerzbank schon aus technischer Sicht für unrealistisch, denn der Wert von einem Euro ist die Untergrenze für eine Kapitalerhöhung, und Investoren verlangen in der Regel einen Abschlag von 30 Prozent. "Commerzbank-Aktien würde man angesichts der Markt-Dynamik im Moment wohl nicht einmal für 80 Cent verkauft kriegen", sagte ein Analyst, der nicht genannt werden wollte.

Auf Basis des zweiten Quartals hatte die Commerzbank die Lücke zur geforderten harten Kernkapitalquote von neun Prozent noch auf 2,9 Milliarden Euro beziffert. Im dritten Quartal verbuchte sie fast 700 Millionen Euro Verlust - inwieweit dieser den Kapitalbedarf erhöht hat, ist offen.

Druck auf Blessing wächst

Zudem will die europäische Bankenaufsicht EBA die Bedingungen für die Kapitalberechnung nochmals verschärfen, was bei zahlreichen Institute die Lücke vergrößern würde. Deutschland und andere Länder leisten aber noch Widerstand.

Die EU-Regierungen wollen mit einer Rekapitalisierung der Banken das Vertrauen der Investoren in die krisengeschüttelte Branche wiederherstellen. Die Institute leiden unter massiven Abschreibungen auf europäische Staatsanleihen, was die Kapitaldecke ausdünnt. In der Branche gibt es aber heftige Kritik am Vorgehen der EU, denn die geforderte Kapitalquote geht weit über die neuen Anforderungen des internationalen Regelwerks Basel III hinaus.

In Aufsichtskreisen hieß es, die endgültigen Zahlen der EBA stünden noch nicht 100 Prozent fest. Der Kapitalbedarf der größten deutschen Banken könnte sich insgesamt auf mehr als zehn Milliarden Euro verdoppeln, hieß es aber.

Die Commerzbank, deren Kapitalbedarf nach den vorläufigen Zahlen der größte aller deutschen Institut war, lehnte eine Stellungnahme ab.

Nun wächst der Druck auf Commerzbank-Chef Martin Blessing: Er hat sein persönliches Schicksal damit verknüpft, dass das Institut die Lücke bis Mitte 2012 schließen kann, ohne noch einmal Staatshilfe in Anspruch nehmen zu müssen.

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