Share Deals:Ausgetrickst

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Investoren müssen oft keine Grunderwerbsteuer zahlen. Die Bundesregierung will das ändern. Keine gute Idee, findet die Immobilienbranche.

Von Christine Mattauch

Es klingt so, als könne man gar nicht dagegen sein. Die Reform werde "in doppelter Hinsicht zu mehr Steuergerechtigkeit" führen, kündigt Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) an. Schlupflöcher für Immobilienkonzerne würden geschlossen, private Bauherren dafür entlastet. Schäfer: "Wenn wir die Großen ans Zahlen kriegen, sollen auch die Kleinen profitieren." Gemeint sind kleine, aber wichtige Änderungen bei der Grunderwerbsteuer. Diese Steuer fällt immer dann an, wenn eine Immobilie den Eigentümer wechselt. Mit einer Ausnahme: Wenn Grundstücke oder Gebäude einer Firma gehören und ein Käufer Anteile an ihr erwirbt, kann die Steuer entfallen. Solche Share Deals laden zu Tricksereien ein, meint der Minister. Weil ihm und seinen Länderkollegen Geld entgeht, haben sie im November ein Gesetz vorgeschlagen, das diese Deals erschweren soll.

"Die Großen" anzugehen, ist immer populär. Doch ist es auch sachgerecht? Und warum erhitzt eine komplizierte, ursprünglich wenig bedeutende Regelung jetzt die Gemüter? Für eine Antwort muss man ins Jahr 2006 zurückgehen. Seit damals können die Bundesländer den Grunderwerbsteuersatz, zuvor einheitlich 3,5 Prozent des Kaufpreises, nach eigenem Ermessen festsetzen. Nur Bayern und Sachsen verzichteten danach auf eine Anhebung. Die übrigen Bundesländer erhöhten, auf bis zu 6,5 Prozent. Das Steueraufkommen stieg dadurch von knapp sieben auf über 13 Milliarden Euro - ebenso allerdings der Anreiz, die Steuer durch Share Deals zu vermeiden. Die rasant steigenden Preise auf dem Immobilienmarkt taten ein Übriges.

Dabei sind Share Deals gar nicht so einfach zu machen. Voraussetzung ist, dass der Käufer weniger als 95 Prozent einer Firma erwirbt und diesen Anteil fünf Jahre lang nicht erhöht. Wer Grunderwerbsteuer sparen will, nimmt also in Kauf, sich über Jahre hinweg mit einem Minderheitsgesellschafter abzustimmen. Außerdem können Share Deals mit einem beträchtlichen Vertrags- und Prüfaufwand verbunden sein. Schließlich wechselt nicht nur eine Immobilie den Eigentümer, sondern eine ganze Firma. Die Honorare für Sachverständige, Anwälte, Steuer- und Wirtschaftsprüfer sind hoch. Deshalb lohnen sich Share Deals nach Expertenschätzung erst bei Transaktionen von etwa 25 Millionen Euro an - und eben nicht für Privatleute, die einmal im Leben ein Reihenhaus erwerben. Von einer "Gerechtigkeitslücke, die schnell geschlossen werden muss", spricht Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund, dem Interessenverband der privaten Haus- und Wohnungseigentümer.

Die Publizistin Hannelore Schlaffer nannte Orte wie den Potsdamer Platz einmal "ein Energiezentrum, das kein Leben außer sich duldet und jedes Umfeld auszehrt". (Foto: Paul Zinken/dpa)

Wie viel Geld dem Fiskus durch Share Deals entgeht, darüber gibt es keine zuverlässigen Schätzungen. Einzelne Transaktionen allerdings geben ein Gefühl für die Dimension: Als im Dezember die UBS Asset Management für 155 Millionen Euro das Turmcenter in Frankfurt kaufte, sparten die Investoren durch den Share Deal etwa neun Millionen Euro - in Hessen beträgt die Grunderwerbsteuer sechs Prozent. Noch höher liegt der rechnerische Steuerausfall bei Megadeals wie dem Verkauf des Wolkenkratzers Trianon für 670 Millionen Euro. "Das Thema hat ein gewisses Empörungspotenzial", sagt Professor Jens Boysen-Hogrefe, Experte für öffentliche Finanzen am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Das gilt erst recht bei großen Wohnungsbeständen. Als 2012 der Bund 11 350 Wohnungen der ostdeutschen TLG privatisierte - Erlös 471 Millionen Euro - und der Käufer ein Steuersparmodell nutzte, deckten Grüne und Linke die Bundesregierung mit kleinen Anfragen ein. Der Verdacht: Erst vermeiden die Konzerne Steuern - und dann erhöhen sie auch noch die Mieten.

Aber die Welt besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß. Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigen, dass selbst bei großen Transaktionen - 800 Wohnungen und mehr - eine deutliche Mehrheit der Akteure eine direkte, steuerpflichtige Übertragung der Immobilien bevorzugt (Branchenjargon: Asset Deal). Umgekehrt wird die Share-Deal-Konstruktion auch aus anderen Gründen als der Steuerersparnis gewählt: Etwa weil es auf diese Weise leichter ist, eine Großimmobilie mit laufenden Miet-, Pacht- und Betreiberverträgen zu übernehmen. Weil der Käufer den Voreigentümer im Boot behalten will, als eine Art Rückversicherung. Oder weil es um eine Umstrukturierung innerhalb einer Firmengruppe geht. Schließlich sind von dem Thema nicht nur reine Immobilienfirmen betroffen, sondern sämtliche Unternehmen mit Grundbesitz.

Deshalb lassen sich Share Deals kaum, wie manche Kritiker fordern, komplett abschaffen. Eine Erhebung von Grunderwerbsteuer setzt voraus, dass der Käufer über das Grundstück auch wirklich verfügen kann. Bei einem Anteil von 95 Prozent lässt sich diese Annahme vertreten. Die Bundesländer wollen die Grenze für Share Deals jetzt auf 90 Prozent reduzieren. Außerdem soll der Minderheitsgesellschafter seinen Anteil nicht mehr nur fünf, sondern zehn Jahre halten müssen. Ob das zulässig wäre, prüft derzeit das Bundesfinanzministerium - Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wünscht eine "wasserdichte" Regelung. "Eine Aussage zum Zeitplan kann noch nicht gemacht werden", sagt ein Sprecher.

Investoren befürchten, dass alles noch viel komplizierter und teurer wird

In der Branche werden mögliche Folgen der Neuregelung heftig diskutiert. "Eine Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre wäre negativ", sagt Esfandiar Khorrami, ein auf Share Deals spezialisierter Berliner Anwalt. "Die Zeiten sind schnelllebiger geworden, die Unternehmen müssen beweglich sein." Trotzdem glaubt er, dass institutionelle Investoren "bei den wirklich großen Deals, auf die es ankommt" trotz der Erschwernis weiterhin Grunderwerbsteuer vermeiden und Share Deals abschließen wollen. Die Bürokratie allerdings werde wachsen, weil man sich stärker absichern müsse. Die Folge: noch kompliziertere Verhandlungen, noch höhere Beraterkosten. Bei kleineren Verkäufen lohnt sich der Aufwand nicht. Werden dann aber Steuern gezahlt? Oder entfällt einfach die ganze Transaktion? "Die Reform wird nicht die Ergebnisse bringen, die sich die Politik erhofft", glaubt Khorrami.

Auf eine andere Folge verweist Hans Volkert Volckens, Steuerexperte des Spitzenverbandes der deutschen Immobilienwirtschaft ZIA: "Wer plakativ auf den Wolkenkratzer zeigt, darf nicht verschweigen, dass auch jeder Mieter und Wohnungseigentümer mehr zahlen wird." Steigen die Kosten für Investoren, so sein Argument, legen sie diese auf Mieten beziehungsweise Preise für Wohneigentum um. Leidtragende wären am Ende also wieder die "Kleinen" - das Gegenteil von dem, was die Länder beabsichtigen. "Man begünstigt Strukturveränderungen, die man gar nicht haben will", befürchtet auch Ökonom Boysen-Hogrefe. Etwa, dass Industrieunternehmen ihren Grundbesitz abstoßen, wenn Umstrukturierungen komplizierter und teurer werden.

An Alternativvorschlägen mangelt es nicht. Boysen-Hogrefe würde die Grunderwerbsteuer am liebsten komplett abschaffen - oder zumindest auf ein einheitliches Niveau senken. Auch der ZIA möchte die Grunderwerbsteuer "auf Normalmaß zurückdrehen", Umstrukturierungen von Unternehmen ausnehmen und Doppelbesteuerung vermeiden - etwa wenn ein Projektentwickler ein Gebäude veräußert und der Investor die einzelnen Wohnungen weiter verkauft. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln regt an, Neubauten von der Steuer auszunehmen, für Private einen Freibetrag einzuführen und für Verkäufer, die eine Immobilie nur kurz halten, eine Zusatzsteuer - zur Eindämmung von Spekulation.

Die Frage ist nur, wie rational sich über solche Vorschläge derzeit diskutieren lässt. Der Frust derer, die sich die hohen Mieten und Wohnungspreise nicht mehr leisten können, ist groß. In München protestierten im September Zehntausende auf einer "Mieter-Demo" gegen Wucher und Ausgrenzung; in Berlin will eine Initiative per Volksentscheid die Enteignung großer Vermieter wie der Deutsche Wohnen erreichen. ZIA-Experte Volckens sagt: "Am Ende wird es einen Kompromiss geben müssen."

© SZ vom 01.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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