Russische Auslandsinvestitionen:"Hier kommt doch nicht die Rote Armee"

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Russische Firmen zeigen auf dem Weltmarkt neues Selbstbewusstsein - und suchen überall auf der Welt Möglichkeiten, profitabel zu investieren. Dabei aufkommende Ängste sucht Präsident Putin zu zerstreuen.

Daniel Brössler

Besuchern seiner Webseite präsentiert der russische Aluminium-Konzern Rusal eine Weltkarte. Viele kleine Punkte zeigen, wo der Konzern engagiert ist.

Wenig überraschend liegen viele der Punkte in Russland und anderen Ländern der früheren Sowjetunion. Doch die "Geographie von Rusal", wie das Unternehmen es nennt, reicht erheblich weiter. Bis ins südamerikanische Guyana etwa, wo Rusal Bauxit abbaut.

Oder nach Australien, wo die Russen 20 Prozent an der Queensland Alumina Limited halten. Rusal versteht sich als Global Player: "Wir wollen die Nummer eins in der Welt werden."

Immer öfter gehen finanzstarke Russen auf Einkaufstour. Auf der Suche nach frischem Kapital ist Russland daher längst eine gute Adresse für Investmentbanker geworden.

Rasante Aufholjagd

Nach Angaben der Economist Intelligence Unit haben russische Investoren bis zum vergangenen Jahr 120 Milliarden US-Dollar in ausländische Unternehmungen gesteckt. Damit belegt Russland im Ranking der sich entwickelnden Märkte als Auslandsinvestor den dritten Platz nach Hongkong und den British Virgin Islands.

In Wahrheit liegen die russischen Auslandsinvestitionen sogar noch deutlich höher, da russische Unternehmen sich gerne in Offshore-Paradiesen tummeln, darunter den British Virgin Islands.

Besonders viel Aufmerksamkeit erhalten naturgemäß die Aktivitäten russischer Ressourcen-Giganten wie Gazprom. Wenn etwa über einen Einstieg von Gazprom bei RWE spekuliert wird, lässt das aufhorchen. Doch die Russen interessieren sich keineswegs nur für Rohstoffe.

Sie investieren ebenso in die chemische Industrie oder beispielsweise den Flugzeugbau. Aufschlussreich ist der Erwerb eines Anteils von bis zu sieben Prozent am europäischen Luftfahrtkonzern EADS durch die staatseigene russische Vneshtorgbank (VTB).

Ganz offensichtlich geht es den Russen dabei um eine Kooperation, die der am Boden liegenden russischen Flugzeugindustrie neuen Auftrieb geben könnte. Dahinter steht die Überlegung, die Milliardengewinne aus Öl- und Gasverkäufen zukunftsträchtig zu investieren.

Dieser Wunsch ist verständlich, doch Russland tritt mitunter irritierend selbstbewusst auf. "Wenn wir bei dieser Arbeit mitmachen sollen, müssen wir mit den Partnern darüber reden, wie dieser Konzern organisiert werden muss. Das muss eine marktwirtschaftliche Struktur sein - also keine, in der alles Jahre im Voraus vom Staat geregelt wird. Das untergräbt die Effizienz", sagte Putin in einem SZ-Interview über das russische EADS-Engagement.

Kriegskassen gut gefüllt

In Russland hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die Umstände günstig sind für ein forscheres Auftreten - immerhin hütet der Kreml trotz fleißigen Schuldendienstes volle Kassen.

Der stellvertretende Chef der Präsidialverwaltung, Wladislaw Surkow, ließ sich zu Jahresbeginn vor Mitgliedern der Kreml-Partei "Einiges Russland" darüber aus, dass seine finanzielle Macht Russland helfen werde, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und kulturell zu expandieren. Kaufen sei schließlich einfacher als umbringen.

Kommen solche Sätze im Westen an, beschwichtigt Putin gerne wie jüngst beim Besuch in München: "Hier kommt doch nicht die Rote Armee." Dennoch erinnert sein Einfluss auf die heimischen Konzernbosse gelegentlich an Sowjetzeiten. Wichtige Entscheidungen müssen die Firmenchefs mit dem Kreml abstimmen.

Gerade deshalb aber sind Auslandsinvestitionen für russische Oligarchen so verlockend. Durch sie können sie ihre Abhängigkeit von den heimischen Machthabern minimieren - und auch vorbauen angesichts der Unwägbarkeiten des 2008 anstehenden Machtwechsels. Dann nämlich scheidet Putin aus dem Amt.

© SZ vom 07.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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