Renovierung:Von gestern

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Viele Shopping-Center sind nicht mehr zeitgemäß. Hunderte Malls müssten modernisiert werden, doch die Betreiber halten sich zurück.

Von Stefan Weber

Da ist zum Beispiel das "Sevens" auf der exklusiven Düsseldorfer Flanier- und Einkaufsmeile Königsallee: Nur wenige Monate nach der Eröffnung im Oktober 2000 wurde die spektakuläre Architektur dieses über sieben Etagen reichenden Shoppingcenters auf der weltgrößten Immobilienmesse in Cannes mit dem Mipim Award ausgezeichnet. Die Kunden kamen in Scharen. Gleich im ersten Jahr zählte das Center-Management knapp fünf Millionen Besucher. Düsseldorf hatte einen neuen attraktiven Einkaufstempel.

Nur zehn Jahre später war das Shoppingcenter nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die Besucherzahlen gingen zurück, Mieter wurden mehr und mehr unzufrieden, es gab Leerstand. Die Eigentümer reagierten und investierten 50 Millionen Euro in ein "Refurbishment" des Sevens. So bezeichnet die Branche den tief greifenden Umbau sowie die Neupositionierung eines Centers. Der Eingang wurde umgestaltet, Rolltreppen wurden verlegt, Laufwege verändert, Mietflächen neu zugeschnitten. Nach der Wiedereröffnung im Jahr 2011 bezog der Elektronikhändler Saturn fünf Etagen und belegt seitdem 11 000 der insgesamt 19 000 Quadratmeter großen Verkaufsfläche. Folgerichtig heißt das Center seitdem "Sevens - Home auf Saturn".

Für die GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung ist das Sevens ein Beispiel für die gelungene Revitalisierung eines Shoppingcenters. Das Beratungsunternehmen mit Sitz in Ludwigsburg betreut Städte und Gemeinden in Fragen der Einzelhandelsentwicklung. Seit Langem beschäftigen sich die Experten intensiv mit der Situation der Shoppingcenter in Deutschland. So untersuchte die GMA in einer vor Kurzem veröffentlichten Studie den Investitionsstau in 665 Einkaufszentren (480 größere Shoppingcenter sowie zahlreiche kleinere Objekte mit mehr als 8000 Quadratmetern). Ergebnis: Viele Standorte sind in die Jahre gekommen. Ein rasanter Wettbewerb und veränderte Erwartungen der Verbraucher haben dazu geführt, dass ihre Angebote nicht mehr zeitgemäß sind. Viele Betreiber haben reagiert. Seit 2010 ist jedes dritte Center entweder bereits umgebaut worden, oder es wird bis 2020 eine Neuausrichtung begonnen. Vor allem größere Standorte wurden beziehungsweise werden revitalisiert.

Dabei nimmt das Tempo zu. Der durchschnittliche Revitalisierungszyklus hat sich auf 10,4 Jahre verkürzt. Das heißt, nach nur einer Dekade müssen die Betreiber viel Geld in die Hand nehmen, um ihrem Shoppingcenter neues Leben einzuhauchen. Ein kleines Facelifting reicht dabei nicht mehr aus. "Nach unserer Schätzung werden in der nächsten Dekade 270 bis 320 Center neustrukturiert oder modernisiert werden müssen. Bei Berücksichtigung der deutlich gestiegenen Baukosten entspricht dies nahezu einer Verdopplung der in den vergangenen zehn Jahren getätigten Investitionen von etwa 7,1 Milliarden Euro", rechnet Raimund Ellrott, Niederlassungsleiter von GMA in Hamburg, vor.

Die Frage wird sein, wie viele Eigentümer solche Kosten bei ihrer Renditekalkulation eingepreist haben und bereit sind, zu investieren. Doch es gibt keine Alternativen. "Keine Renovierung heißt weniger Kunden", so das Fazit der GMA-Studie. Gleichwohl zögern manche Investoren. Schließlich sind Umbauten aufgrund ihrer hohen Komplexität (baulich-technische Möglichkeiten, funktionale Anforderungen, Laufzeiten der Mietverträge) oftmals sehr viel risikoreicher als Neubauprojekte.

2017 wurde kein neues Center eröffnet. Manche Experten halten den Markt für gesättigt

Hinzu kommt: Noch lässt sich nicht absehen, welchen Stellenwert Shoppingcenter in einer immer stärker vom Onlinegeschäft dominierten Handelslandschaft in Zukunft haben werden. Manche Experten halten den Markt bereits für gesättigt. Tatsächlich ging im vergangenen Jahr kein neues Center an den Start. Auch 2016 hatte es nur drei Neueröffnungen gegeben. Die GMA erwartet, dass mittel- bis langfristig jedes zehnte Einkaufszentrum, das heute noch wesentlichen Ansprüchen genügt, mangels Nachfrage schließen wird.

Marco Atzberger, Experte für Handelsimmobilien beim Handelsinstitut EHI, sieht in der schwachen Neubautätigkeit jedoch lediglich "eine kurze Phase der Entschleunigung, auf die schon bald wieder eine dynamische Entwicklung folgt". Allerdings werden die Center der neuen Generation nach seiner Überzeugung mehr sein müssen als bloße Einkaufsstätten. Der Trend seien Mixed-use-Konzepte, also Center, in denen Handel, Gastronomie, Freizeit und möglicherweise auch Wohnen und Büro nebeneinanderstehen, betont Atzberger.

Als Beispiel nennt er das gerade in Bonn entstehende Projekt "Urban Soul": ein Ensemble aus drei Baukörpern ("Lifestyle-House", "Comfort Hotel", "City Office"), die nicht für sich alleine stehende Immobilien sein wollen, sondern Innenstadt und Bahnhof miteinander verbinden möchten. Sie bilden einen Mix aus 10 000 Quadratmeter Einzelhandels- und Gastronomiefläche sowie rund 15 000 Quadratmeter Hotel- und Bürofläche. Ein anders Beispiel ist die derzeit im Bau befindliche "East Side Mall Berlin" am nördlichen Spreeufer. Auch sie wird mehr sein als ein reines Einkaufszentrum, nämlich ein komplettes neues Quartier. Zur Konzeption gehören neben 120 auf drei Ebenen angesiedelten Shops noch 4900 Quadratmeter Gastronomie sowie ein 3000 Quadratmeter großes Fitness-Studio. Hinzu kommen 1900 Quadratmeter Büro- und Lagerflächen sowie 760 Pkw-Stellplätze.

Wer jetzt renoviert, muss das Gastronomie-Angebot erhöhen

Nach Einschätzung von Atzberger werden sich Shoppingcenter künftig auch als Logistikstandorte profilieren können. Denn neue Angebote wie Click & Collect, also die Möglichkeit, online bestellte Ware im stationären Handel abzuholen, führten zu einem neuen Mix von Lager- und Verkaufsflächen. "Die Paketdienste stoßen an Grenzen. Sie können bald nicht noch mehr Sendungen an die Haustüren liefern. Das eröffnet neue Chancen für Einkaufszentren", meint der Handelsimmobilien-Experte.

Allen Renovierungsprojekten gemeinsam ist eine Vergrößerung des Gastronomieangebots. Egal, ob höherwertige Konzepte oder To-go-Angebote: Restaurants und Cafés liefern genau das Shopping-Beiwerk, das der Onlinehandel nicht bietet. Sie sorgen für Erlebnisse und Attraktion auf der Fläche und wirken somit als Frequenzbringer. Aber auch bei den Gastronomieangeboten zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Ging es anfangs vor allem darum, Centerbesucher schnell und einfach satt zu machen, setzten die in den 2000er-Jahren verwirklichten Konzepte auf ein ansprechendes Ambiente. Die Besucher sollten sich wohlfühlen. Heute bieten sogenannte Food-Halls, also eigenständige Bereiche innerhalb eines Shoppingcenters, verschiedene Konzepte: Full-Service-Restaurants neben Ausgabetheken. Sie entwickeln sich zu einem Ort der Freizeitgestaltung und helfen möglicherweise so dem stationären Handel, verlorenes Terrain zurückzuerobern. Das Sevens in Düsseldorf hat diesen Trend bereits mit der Umgestaltung 2011 aufgegriffen: Unter den 35 Flächennutzern befinden sich elf Restaurants und zwei Bars.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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