"Raum Erweiterungs Halle":Das Minihaus der DDR

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Die transportable, ausziehbare Unterkunft war im Osten allgegenwärtig. An einigen Orten hat sie überlebt.

Von Dirk Engelhardt

Manchem Trend war die DDR um Jahre voraus: Die Anhänger der derzeit so populären "Tiny House"-Bewegung wären bestimmt entzückt über jene mobile, in der Größe veränderliche "Raumerweiterungshalle" aus der DDR. Im sozialistischen Staat war sie allgegenwärtig, die griffige Abkürzung lautete "REH". Einen Raum in verschiedenen Größen an verschiedenen Orten aufzubauen, das war die Vorgabe an den Erfinder jener Halle, Helmut Both. Dies geschah im Jahr 1959.

In seinem Büro in Boizenburg, einem malerischen Dorf in der Uckermark im Nordosten Berlins, entwarf Helmut Both den Prototypen. Die Halle besteht aus bis zu acht ineinander gesteckten Elementen, die sich je nach Raumbedarf auseinanderziehen lassen und so Hallen in variablen Größen möglich machen. Die ganz ausgeschobene "Ziehharmonika" hat eine Länge von 16 Metern und eine Fläche von 126 Quadratmeter. Von Element zu Element wird die Deckenhöhe niedriger, doch noch im niedrigsten Teil kann ein großer Mann bequem stehen. Die Außenhaut besteht aus Aluminiumblech, das von Stahlträgern gehalten wird, die Innenwände sind mit Hartfaserplatten ausgekleidet. Die Ecken rundete der Erbauer, ähnlich wie bei Wohnwagen, ab. An der Vorderseite gibt es eine Eingangstür und zwei Fenster, an den Seiten befinden sich ebenfalls Fenster.

Das Design gibt sich minimalistisch. Ein Fundament braucht die Halle nicht, der Boden wird auf Schienen verlegt. Für den Aufbau der Halle wird kein Kran benötigt, denn diese Maschinen waren in der DDR schwer verfügbar. Allerdings waren sechs bis sieben Arbeiter notwendig, die diese Arbeit aber lässig an einem Tag schaffen konnten. Die Halle wurde 1959 auf der Leipziger Messe präsentiert und einige Jahre später mit einer Goldmedaille prämiert.

In der DDR diente die variable Halle als Unterkunft für Arbeiter, als Dorfkonsum, als Eisdiele, als Postamt, Ferienlager, Gaststätte, als SERO Annahmestelle (DDR-Recyclingsystem), sogar als Kino oder Versammlungsraum. Mancher Westdeutsche kennt sie noch als Verkaufsraum für den Intershop an der Transitautobahn. 1979 erließ die DDR ein Verbot zur Verwendung von Aluminium, von da an wurde zur Produktion Wellblech verwendet.

Etwa 3400 REH wurden bis 1989 gebaut, die meisten sind nach der Maueröffnung auf den Müll gewandert oder wurden nach Russland oder in die Ukraine verkauft. Lange Zeit stand eine REH in Berlin nahe der Oberbaumbrücke, sie gehörte Elke Matz, die darin einen Laden für DDR-Sammlerobjekte betrieb, "Intershop 2000".

Eine renovierte Halle wird in Berlin Prenzlauer Berg derzeit von der Firma Geyersbach recycled furniture verwendet, eine Manufaktur, die aus altem Holz, das aus Dielenböden, alten Türen oder Möbeln gewonnen wird, neue Möbel zusammenschreinert. Die Halle steht auf einer Brache neben den S-Bahn-Gleisen, ein urbaner Ort der Zeit nach der Maueröffnung, wie sie in Berlin derzeit rar werden. Das rote Mitropa-Zeichen über dem Eingang ist mittlerweile entfernt, eine Markise schützt vor Sonne an der Vorderfront. Abends organisiert die Firma manchmal Kunst-Events. Die Halle ist der Typ "Variant", entworfen von Klaus Both und gebaut zwischen 1966 und 1978. Sie wurde auch exportiert, zum Beispiel nach Holland, in die Sowjetunion oder den Irak.

In Leipzig steht eine REH, die 1975 vom VEB Metallbau Boizenburg hergestellt wurde und dann bis 1989 als Mensa für die FDJ Jugendhochschule am Bogensee diente. Sie wird derzeit von einem Verein umgestaltet zum "Café Boizenburg". Im sächsischen Pirna wird eine Halle noch heute von einer Reinigung benutzt, eine weitere steht im Deutschen Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain. Eine REH in Cossebaude bei Dresden fungiert heute als Trabi-Werkstatt. Potsdam, das in jüngster Zeit durch zahlreiche Abrisse von DDR-Architekturdenkmälern von sich reden macht, entsorgte die letzte REH bereits im Jahr 2006.

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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