Pleite der City BKK:Firma Schlimm & Schäbig

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Nach dem wirtschaftlichen Tod der City BKK taten die anderen Versicherer ihr Schlimmstes, um die alten, kranken und armen Versicherten der City BKK abzuwimmeln. Das ist auch die Folge falscher Anreize.

Guido Bohsem

Wenn es um Erbschaften geht, zeigen sich die Hinterbliebenen allzu oft von ihrer hässlichsten Seite. Der Erbstreit ist beinahe schon ein Klischee, so oft hat er in Krimis als Auslöser für allerhand menschliche Verfehlungen herhalten müssen. Eine überraschende Variante dieses Stoffs wird dieser Tage ausgerechnet im deutschen Gesundheitssystem geboten. Die Krankenkassen präsentieren eindrucksvoll, wie auch das Ausschlagen einer Erbschaft zu Gesetzesbruch und Demaskierung führen kann.

Wer es sich einfach machen möchte, erklärt das skandalöse Verhalten der Kassen mit dem Wettbewerbsdruck. Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. (Foto: AP)

Nach dem wirtschaftlichen Tod der City BKK standen die Konkurrenten nicht etwa Schlange, um sich den Kundenstamm der Pleite-Kasse einzuverleiben. Nein, die anderen Versicherer taten ihr Schlimmstes, um die alten, kranken und armen Versicherten der City BKK abzuwimmeln. Sie wurden vertröstet, getäuscht und schikaniert. Das ist schäbig und verdient empfindliche Strafen, wie sie der neue Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) angedroht hat.

Natürlich waren die Kassen noch nie die Vertreter der Patienten im Gesundheitssystem - obwohl sie diesen Eindruck immer wieder zu erwecken versuchen, sei es als Kämpfer gegen übertriebene Arzthonorare oder die Preispolitik der Pharmakonzerne. Hinter der freundlichen Attitüde steckt oft eben auch nur das eigene wirtschaftliche Interesse. Da unterscheiden sich die gesetzlichen Kassen nicht von ihrer privaten Konkurrenz.

Wenn diese Mentalität aber so offen zum Vorschein kommt wie im Fall City BKK, lässt es einen frösteln und das solidarische System der Kassen insgesamt in Frage stellen. Es ist etwas faul, wenn die Solidarität unter den Kassen und ihrer 50 Millionen Beitragszahler nicht mehr ausreicht, um 170.000 Versicherte eines pleite gegangenen Konkurrenten aufzunehmen. Dadurch wird ein grundlegendes Prinzip verletzt. Solidarität und Sozialstaatlichkeit sind den Kassen gesetzlich vorgeschrieben. Ihre Steuerprivilegien zum Beispiel verdanken sie allein diesem besonderen Auftrag des Staats. Dass der hohe moralische Anspruch der Kassen durch den Fall City BKK leidet, macht das Desaster komplett.

Wer es sich einfach machen möchte, erklärt das skandalöse Verhalten der Kassen mit dem hohen Wettbewerbsdruck und klagt über die fatale Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung. Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Zwar müssen die Kassen einen Spagat aushalten, sie sind sowohl der Solidarität als auch der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Doch sind es gerade der von manchen Kassenvorständen vielgescholtene Gesundheitsfonds und seine Mechanismen, die jene Wettbewerbsnachteile ausgleichen, welche zuvor den Kassen mit vielen kranken und alten Mitgliedern enorm zu schaffen machten.

Nein, die Ursachen für die Missstände entspringen nicht der Idee des regulierten Wettbewerbs, die das deutsche Gesundheitssystem kennzeichnet. Es mangelt an der Umsetzung. Eben weil der damalige Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) im vergangenen Jahr dem System eine unnötig hohe Finanzspritze verpasst hat, dreht sich bei den einzelnen Kassen weiterhin alles darum, einen Zusatzbeitrag um jeden Preis zu vermeiden. Der schlechte, der verborgene Wettbewerb wurde dadurch unnötig verlängert. Das führt nun zu Auswüchsen wie nach der Pleite der City BKK.

Dabei ist der Zusatzbeitrag auf längere Sicht ohnehin nicht zu verhindern. Die Kassen sollten deshalb offensiver damit umgehen; jede von ihnen könnte damit auch Werbung machen, nach dem Motto: Wir sind etwas teurer, dafür aber besser. Wer persönliche Beratung schätzt und die Erstattung von Heilpraktiker-Kosten, wird bereit sein, dafür mehr auszugeben. Die Klügeren der Vorstände haben das längst erkannt. Wenn der Zusatzbeitrag kommt, haben sie gute Argumente, mit denen sie ihre Versicherten halten und das Überleben ihrer Kasse sichern können.

© SZ vom 18.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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