Pendlerpauschale:"Haben uns an der Lebensrealität orientiert"

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Streit ums Geld: Vor dem Verfassungsgericht verteidigt Finanzminister Steinbrück die Abschaffung der Pendlerpauschale. Die Regierung habe handeln müssen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat die umstrittene Abschaffung der Pendlerpauschale am Mittwoch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verteidigt.

Peer Steinbrück: "Die Bundesregierung stand vor der Situation eines verfassungswidrigen Haushalts" (Foto: Foto: AP)

"Die neue Bundesregierung stand vor der Situation eines verfassungswidrigen Haushalts", sagte Steinbrück. Zudem sei Deutschland angemahnt worden, "sich endlich europakonform zu verhalten" und die Defizitkriterien einzuhalten.

"Viele Pendler haben nicht profitiert"

Die Bundesregierung habe auf die Verschuldungsspirale reagieren müssen. Daran habe sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. "Die Mehrheit der Pendler ist nie in den Genuss der alten Pendlerpauschale gekommen", betonte Steinbrück.

"Wir haben uns ganz bewusst an der Lebensrealität der Mehrheiten orientiert", sagte der Minister. Für Fernpendler gebe es zudem die Härtefallregelung.

Das oberste deutsche Gericht muss klären, ob die Abschaffung der Subvention ab dem ersten Kilometer 2007 mit dem Grundgesetz vereinbar war. Eine Entscheidung wir gegen Ende des Jahres erwartet.

Ein bisschen privat

Unter anderem der Bundesfinanzhof hatte dies bezweifelt. Seit 2007 kann ein Kilometergeld von 30 Cent auf dem Weg zur Arbeit nur noch ab dem 21. Kilometer steuerlich abgezogen werden.

Der Einschnitt, durch den der Staat jährlich rund 2,5 Milliarden Euro einspart, trifft etwa die Hälfte der rund 16 Millionen Pendler. Die Kläger sehen darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Im Mittelpunkt des Juristenstreits steht das "objektive Nettoprinzip". Es sieht vor, dass Ausgaben, die zur Sicherung des Erwerbs notwendig sind, vor der Besteuerung vom Einkommen abgezogen werden. Für den Bundesfinanzhof gehören alle gefahrenen Kilometer zur Arbeit dazu.

Das Finanzministerium verweist dagegen darauf, dass das Verfassungsgericht schon 2002 befunden habe, dass die Fahrten zur Arbeit nicht nur einen dienstlichen, sondern auch einen privaten Charakter hätten. Schließlich könne man sich aussuchen, wo man wohne.

Die Prozessbevollmächtigten der Kläger verwiesen dagegen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs und zweier weiterer Gerichte, diese Fahrtkosten seien rein berufliche Aufwendungen und müssten daher auch künftig in vollem Umfang vom versteuerten Einkommen abgezogen werden.

Für die Gerichte war die Streichung der Pendlerpauschale verfassungswidrig, daher riefen sie Karlsruhe zur Klärung an. Die Rechtsanwälte der Kläger betroffener Fernpendler sprachen in der Verhandlung am Mittwoch von einem Verstoß gegen mehrere Grundgesetzartikel. Sie nannten vor allem das Nettoprinzip, nach dem nur der wirkliche Verdienst ohne notwendige Werbungskosten versteuert werden darf, aber auch den Gleichheitsgrundsatz und den in der Verfassung garantierten Schutz von Ehe und Familie.

Bei den Klägern handelt es sich zum Teil um Ehepaare mit unterschiedlich weitem Fahrtweg zur Arbeit, im Einzelfall sogar in entgegengesetzter Richtung.

Auch CSU-Chef Erwin Huber kritisierte diese Auslegung erneut als lebensfremd und einseitige Benachteiligung der Arbeitnehmer. Es sei der Ausnahmefall, dass jemand neben seiner Arbeitsstätte wohnen könne, sagte er im Deutschlandfunk. Außer diesem juristischen gebe es auch politische Gründe für eine Rückkehr zur alten Regelung, die aus haushaltspolitischen Gründen gekippt worden sei.

Die Energiekosten seien drastisch gestiegen, und die Steuereinnahmen hätten stark zugenommen, so dass die Sparmaßnahme nicht mehr so notwendig sei.

Der Bund der Steuerzahler fordert gar eine Erhöhung der Pauschale auf mindestens 35 Cent pro Kilometer.

Sollte die Regierung nach dem Verfassungsgerichtsurteil die Pendlerpauschale für alle wieder einführen müssen, dann aber niedrigere Sätze festsetzen, werde es die nächsten Klagen geben, kündigte Verbandspräsident Karl Heinz Däke in der Braunschweiger Zeitung an.

Gleichzeitig legt das Verfassungsgericht jedoch darauf Wert, dass die Richter nicht die Rückkehr zur früheren Pendlerpauschale beschließen werden. "Wir entscheiden nicht, ob die alte Pendlerpauschale wieder eingeführt werden muss oder soll", stellte Andreas Voßkuhle, Vizepräsident des Gerichts klar. Der Zweite Senat entscheide allein über die Vereinbarkeit der neuen Regelung mit dem Grundgesetz.

Sollte das seit Anfang 2007 geltende Regelwerk verfassungswidrig sein, müsste der Gesetzgeber zunächst über ein neues Gesetz nachdenken, sagte der Senatsvorsitzende zum Auftakt der Anhörung. Ein Urteil wird bis zum Ende des Jahres erwartet.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AP/hgn/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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