Neue Einkaufsmeilen:Boutiquen-Boom an der Elbe

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Zu viel des Guten? Um ein Viertel soll die Verkaufsfläche in der Hansestadt zunehmen. (Foto: Imago)

In Hamburg erhöht sich die Verkaufsfläche bis 2021 insgesamt um ungefähr ein Viertel. Kritiker stellen infrage, ob dieser Zuwachs der Stadt gut tut.

Von Sabine Richter

Hamburg entwickelt sich immer mehr zu einer Metropole für nobles Shopping. In der an schicken Geschäften nicht gerade armen Innenstadt herrscht ein regelrechter Bauboom für Einkaufsmeilen, aber auch in den Bezirken sind eine Vielzahl größerer Projekte im Bau oder kürzlich fertig geworden. Nach Angaben der Hamburger Handelskammer wird die Einkaufsfläche in der Stadt, die Ende 2013 noch bei 2,7 Millionen Quadratmetern lag, in den nächsten Jahren um ungefähr 117 000 Quadratmeter zunehmen, das neue Überseequartier in der Hafen-City eingeschlossen.

Dort, wo noch vor wenigen Jahren das Hamburger Ohnsorg-Theater seine plattdeutschen Schwänke aufführte, dominieren jetzt blitzende Steinböden, freigelegte Säulen, moderne Kronleuchter - und Luxuslabels. Die im September 2014 eröffnete Kaisergalerie ist die jüngste unter den exklusiven Hamburger Shoppingmeilen. Ein nicht weniger ehrgeiziges Projekt entsteht nur wenige Meter entfernt an der Stadthausbrücke. Dort, wo früher eine Behörde saß, entstehen in den Stadthöfen bis 2017 Läden, Restaurants, Büros, Wohnungen und ein Hotel - ein neues Quartier mit einer Gesamtfläche von 100 000 Quadratmetern. 250 Millionen Euro investiert die Hamburger Quantum Immobilien AG zusammen mit Partnern, die auch für die benachbarte Kaisergalerie verantwortlich zeichnet. Das neue Quartier soll vor allem exklusive Geschäfte beherbergen. Ein weiterer Standort für edle Boutiquen in der Innenstadt ist der Einkaufsboulevard am Alten Wall, direkt gegenüber dem Rathaus. Der Kölner Projektentwickler Art Invest will in dem historischen Gebäudekomplex 10 000 Quadratmeter Einzelhandelsflächen errichten.

Die Betreiber von Luxusläden setzen auf Touristen aus China und arabischen Ländern

Mit den Girardet-Höfen (Bauherr: Gator Beteiligungsverwaltungs GmbH) soll die Verbindung zwischen Gänsemarkt und Poststraße umgestaltet und belebt werden. Auch das Mö-Quartier (Centrum-Gruppe), die Passage zwischen den Einkaufsmeilen Spitalerstraße und Mönckebergstraße, bekommt ein neues Gesicht. Die Verlängerung des Mö-Quartiers, die 6800 Quadratmeter große HSH Nordbank Shopping Passage, soll bis 2016 eine frische Optik und ein grundlegend überarbeitetes Mieter- und Ladenkonzept erhalten.

"Die reizvollen neuen Flaniermeilen mit neuen gastronomischen Angeboten tun der Stadt gut; die City wächst damit zusammen", sagt Philipp Hass, Einzelhandelschef des Immobiliendienstleisters CBRE.

Um den Vermietungserfolg muss man sich aus heutiger Sicht keine Sorgen machen. "In den Hamburger Nobel- und Frequenzlagen ist die Nachfrage kaum zu befriedigen", sagt Sandra Ludwig vom Immobilienunternehmen JLL. Das hohe Pro-Kopf-Einkommen und die wachsende Zahl kaufkräftiger Touristen, darunter viele Chinesen und Besucher aus dem arabischen Raum, seien der Grund, weshalb sich die internationalen Luxuslabels neben München und Düsseldorf vor allem Hamburg für ihre Expansion aussuchten. Nicht ohne Grund seien etwa die Verkäuferinnen bei Hermès mehrsprachig.

Ein ganz großer Wurf für den Einzelhandel entsteht in der Hafen-City, im südlichen Überseequartier. Unibail-Rodamco, Europas größter börsennotierter Immobilienkonzern, will dort circa 860 Millionen Euro investieren. 68 000 Quadratmeter Verkaufsfläche, etwa 190 Läden, sollen bis 2021 in einem Einkaufsviertel mit vielen gastronomischen Angeboten entstehen.

Bisher waren weder der Einzelhandel noch die Gastronomie in Hamburgs neuem Stadtteil Hafen-City besonders erfolgreich, viele Anbieter mussten aufgeben. Die Mieten waren für die geringe Kundenfrequenz zu hoch, die Lage zu isoliert. Auf der nun verdoppelten Fläche lasse sich ein wesentlich diversifizierteres Angebot darstellen, sagt der Chef der Hafen-City GmbH, Jürgen Bruns-Berentelg. "Viele Marken, auch aus dem Ausland, werden es begrüßen, eine attraktive Standortalternative in einem neuen Hamburger Kontext vorzufinden." Hier sei Raum für Mieter mit innovativen Konzepten, die in die maritime Themenwelt passen, vorstellbar seien Konzepte mit Ausstellungs- statt klassischem Sales-Charakter.

Fachwelt wie Bürger sehen dem kommenden Center im südlichen Überseequartier eher skeptisch entgegen: Selbst für einen sehr erfahrenen Einzelhandelsbetreiber wie Unibail-Rodamco dürfte es eine riesige Herausforderung sein, zusätzliche Flächen in dieser Größenordnung zu platzieren, schätzt Sandra Ludwig.

Die Einzelhandelsfläche in der Innenstadt Hamburgs beträgt derzeit laut Handelskammer 345 000 Quadratmeter. Mit den neuen Projekten, die bis 2017 im Herzen der Stadt auf den Markt kommen (circa 24 000 Quadratmeter) und dem Überseequartier (67 000 Quadratmeter) erhöht sich die Verkaufsfläche der Hamburger Innenstadt samt Hafen-City bis 2021 ungefähr um ein Viertel.

Insbesondere der "starke Zuwachs in der Hafen-City könnte auf Kosten der Geschäfte in der Innenstadt gehen", warnt Wolfgang Linnekogel, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nord. Kritisch sieht auch Philipp Hass von CBRE die vielen neuen Flächen. "Das wird der Hamburger Innenstadt wehtun", zu erwarten sei "eine achtzigprozentige Sortimentsüberschneidung". Der Kunde könne sein Geld nur einmal ausgeben, das Konzept könne funktionieren, wenn wirklich Neues und sehr attraktive Entertainmentangebote geschaffen würden. "Aber wo sollen so viele innovative Konzepte herkommen?", fragt Hass. Auch eine wachsende Stadt könne kaum 25 Prozent zusätzliche Einkaufsflächen verdauen, und hinter den viel gepriesenen internationalen Marken würden sich vor allem Zara , H&M & Co. wiederfinden, ist die Meinung vieler Hamburger - nachzulesen in diversen Leserbriefen.

Die Hamburger Stadtteillagen rüsten ebenfalls auf. Noch ist das Verhältnis zwischen der City und dem Rest der Stadt gut. Während in einer Stadt wie München fast zwei Drittel des gesamten Einzelhandelsumsatzes in der Innenstadt erwirtschaftet wird, sind es in Hamburg lediglich 17 Prozent, was für gut funktionierende Stadtteilzentren spricht.

Neues bieten auch St. Pauli und Altona. In St. Pauli ist mit der Rindermarkthalle im September 2014 ein 14 000 Quadratmeter großes Einkaufszentrum für Lebensmittel und Lifestyleprodukte an den Start gegangen. In Altona hat der Ikea-Neubau an der Großen Bergstraße für die Belebung der Einzelhandelslandschaft gesorgt. Seit der Insolvenz von Hertie warten die Bewohner in Barmbek auf das Einkaufszentrum am S-Bahnhof, das die Projektentwickler Trans-Art und OFB realisieren wollen.

Für das Projekt W1 in Wandsbek wird das ehemalige C&A-Haus an der Wandsbeker Marktstraße weichen. Die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB) will bis zum Jahr 2016 ein sechsgeschossiges Geschäftshaus errichten, in dem auf drei Etagen Einzelhandel mit dem Schwerpunkt Bekleidung vorgesehen ist. In Wilhelmsburg ist der Umbau des Luna Centers mit circa 20 000 Quadratmetern Verkaufsfläche abgeschlossen. Und im Bezirk Harburg plant ECE eine Erweiterung des Phoenix-Centers um 2500 Quadratmeter.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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