Neu-Regulierung der US-Finanzmärkte:Zeit ist Geld

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Am Tag der Amtseinführung sind die Kurse an der Wall Street eingebrochen - ein Zeichen dafür, dass der neue Präsident die Wirtschaft schnell stabilisieren muss.

N. Piper

Es war ein scharfer Kontrast zu den schönen Bildern aus Washington. Während zwischen Kapitol und Lincoln Memorial mehr als eine Million Amerikaner den neuen Präsidenten feierten, brachen an der Wall Street die Aktienkurse ein.

Händler an der Wall Street: Die Regeln werden wohl strenger werden. (Foto: Foto: Reuters)

Der Dow-Jones-Index verlor 332 Punkte oder vier Prozent, womit der 20. Januar 2009 börsenmäßig der schlechteste Amtseinführungstag der Geschichte wurde. (Als Franklin Roosevelt im März 1933 seinen Eid ablegte, war die Börse geschlossen).

Eine neue Vertrauenskrise bei den großen Banken hatte den Kursrutsch ausgelöst. Die Bank of America zum Beispiel, die größte Bank der Vereinigten Staaten, geriet unter Druck, weil die Fusion mit der schwer angeschlagenen Investmentbank Merrill Lynch offenbar viel teurer wird als erwartet.

Schnelles Handeln ist gefragt

Klar ist, dass Barack Obama schnell handeln muss, um die Lage zu stabilisieren. Und nach allem, was aus seinem Team zu hören ist, wird er das auch tun, möglicherweise noch in dieser Woche.

Die Modelle, die im Gespräch sind, reichen von der faktischen Verstaatlichung einiger Banken bis zur Schaffung einer staatlich gestützten "Bad Bank", also einem Institut, bei dem die anderen ihre faulen Kredite abladen können.

Die Regierung könnte auch in großem Umfang sogenannte Wandelanleihen der Banken erwerben; das sind Schuldverschreibungen, die notfalls in Aktien umgewandelt werden können.

Der Staat würde auf diese Weise die Institute mit Geld versorgen und sich gleichzeitig die Möglichkeit einer Verstaatlichung offenhalten. Würde Obama zu diesem letzten Mittel greifen, würden die Aktien wertlos. Bei den Aktionären nähren sich daher die Furcht vor neuen Verlusten und die Angst vor dem Eingreifen des Staates gegenseitig.

Relativ schnell dürfte der neue Präsident sich an die Neuregulierung der Finanzmärkte machen. Und was immer er da beschließen sollte, wird Auswirkungen über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus haben.

Ohne Amerika keine globale Reform

Ohne Amerika wird es keine globale Reform geben, wenn Amerika Standards setzt, kommen die anderen an diesen kaum vorbei. Für diese Neuregulierung gibt es bereits ein Modell.

Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit legte vorige Woche die "Gruppe der 30" in New York einen "Rahmenplan zur Finanzstabilität" vor. Die Gruppe ist eigentlich ein exklusiver Zirkel vorwiegend pensionierter Geld- und Währungsexperten; er wird vom früheren Präsidenten der israelischen Zentralbank, Jacob Frenkel, geleitet und äußert sich gelegentlich auf sehr akademischer Ebene zu Fragen der internationalen Wirtschaftspolitik.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Pläne zur Regulierung der Finanzmärkte in den USA in der Schublade liegen.

Was den neuen Plan der Gruppe interessant macht, ist sein Autor: Paul Volcker, 81, früherer Präsident der Notenbank Federal Reserve, und einer der engsten Berater von Präsident Obama. Mit Volcker hat Obama in den zweieinhalb Monaten des Amtsübergangs seine Äußerungen zur Finanzkrise abgestimmt. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass vieles aus dem 70-seitigen Bericht demnächst Gesetz wird.

Der Plan sieht einige sehr weitgehende Vorschriften vor; sie werden das Geschäft mit dem Geld weniger riskant, aber auch weniger profitabel machen.

Im Prinzip teilt Volcker die Finanzinstitute - Banken, Hedgefonds, Versicherungen und andere - in zwei Gruppen ein: In solche, die wegen ihrer Größe und Struktur die Stabilität des Finanzsystems gefährden können und solche bei denen das nicht der Fall ist.

Letztere können im Wesentlichen tun und lassen was sie wollen; das Risiko des Scheiterns tragen Eigentümer, Kreditgeber und Kunden. Alle anderen jedoch werden umfassend und wesentlich systematischer als bisher reguliert.

Nur noch begrenzte Risiken im Eigenhandel

Am weitesten reicht vermutlich diese Vorschrift: Große Banken sollen nur noch in sehr begrenztem Umfang Risiken im Eigenhandel eingehen dürfen. Dieser Handel, also Finanzgeschäfte, die nicht im Auftrag von Kunden abgewickelt werden, haben in Boom-Jahren bei Instituten wie Goldman Sachs, Merrill Lynch und der Deutschen Bank für außerordentliche Gewinne gesorgt - aus denen in der Krise dramatische und systemgefährdende Verluste wurden. Hochriskante Hedgefonds sollen große Banken überhaupt nicht mehr betreiben dürfen.

Mit Blick auf die Risiken will Volcker auch den Marktanteil von Banken beschränken. Das dürfte für die USA und Deutschland mit ihren vielen regionalen Banken und Sparkassen irrelevant sein, nicht aber in vielen kleineren europäischen Ländern.

Auch das Geschäft der Hedgefonds wird nach dem Volcker-Plan stark eingeschränkt. Wenn Fonds eine bestimmte Größe überschreiten, müssen sich deren Manager registrieren lassen. Die Behörden sollen erstmals Mindestvorschriften für Kapital und Liquidität der Fonds erlassen in den Ländern, in denen diese arbeiten, nicht dort, wo sie den Firmensitz haben. Damit wird die Flucht der Fonds in regulierungsfreie Oasen wie die Cayman-Inseln gestoppt.

Die USA sollen die beiden staatlich unterstützten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac grundlegend umbauen. Die beiden Banken hatten, mit einer impliziten Staatsgarantie im Rücken, durch fahrlässige Kredite den Immobilienboom angeheizt und so zur Finanzkrise beigetragen.

Staatliche Wohnungsbauförderung und privates Finanzgeschäft müssen streng getrennt werden, heißt es im Volcker-Bericht. Paul Volcker hat die Chance, seine Ideen unmittelbar umzusetzen. Er amtiert seit Dienstag als Vorsitzender eines "Beraterstabs für die wirtschaftliche Erholung", der dem Präsidenten Expertisen unterbreitet.

© SZ vom 22.01.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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