Möbelkunde:Wie man sich bettet

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Wasser-, Himmel- oder Stockbett: Welche Moden regieren das Schlafzimmer? Und haben wirklich alle Lust auf Boxspring? Überlegungen zu einem Möbelstück, in dem wir ein Drittel unserer Lebenszeit verbringen.

Von Oliver Herwig

Alle zehn Jahre sollte man sie wechseln, raten die Fachleute. Spätestens. Nein, nicht die Bettpartner, sondern das darunter. Die Schichten, die das Nachtlager erst zu einem sanften Ruheort machen: Matratzen. Federkern oder Kaltschaum? Hart oder weich? Probeschlafen für 100 Tage oder gleich zum Mitnehmen? Allergikerkompatibel oder doch nur Standard? Latex- oder Taschenfederkern, Wendematratzen mit Sommer- und Winterseite, gar mit Rosshaar, handvernäht?

Für alles finden sich Liebhaber und womöglich gute Gründe. Doch was ist nun das Beste, das Angesagte, das Passende? Das sind womöglich drei ganz verschiedene Fragestellungen. Dabei war es schon mal einfacher. Früher, als Federkern und Kaltschaum quasi Standard waren. Und alles andere Luxus oder gar nicht erhältlich. Inzwischen braucht es einen kleinen Abschluss in Bettenkunde, um überhaupt noch einigermaßen den Überblick zu behalten, ganz zu schweigen vom Hype um Achtsamkeit und elektronisch überwachtes, gesundes beziehungsweise gesünderes Schlafen.

Zu viel Schlaf? Zu wenig? Das ist ein beliebter Gesprächsgegenstand. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Bett ist politisch geworden. Zeige mir deine App - und ich sage dir, wer du bist. Oder sein willst. Zumindest zwischen 23 Uhr und sieben Uhr morgens. Wie viel - oder wie wenig wir schlafen, ist plötzlich Gesprächsgegenstand. Und man sollte ziemlich ausgeschlafen sein, wenn jemand wieder davon schwärmt, dass vier Stunden reichen. Nicht jeder ist Napoleon oder Angela Merkel. Während Bücher zum guten Schlaf, zum Mittagsschlaf (Power Nap) oder zum Einschlafen (Stichwort: Jedes Kind kann es) Bestseller werden, drängen immer neue Bettsysteme auf den Markt. Gewinner der vergangenen Jahre: Boxspringbetten. Eine jener amerikanischen Erfindungen, die es über den großen Teich machten, eine Art dreiteiliges Schlafsandwich, bei dem ein matratzenähnlicher Unterbau die eigentliche Matratze trägt. Obenauf der Topper, eine Art voluminöser Matratzenschoner, auf dem es sich besonders weich liegt. Nicht wenige sollen anfangs nach "Bockspringbetten" verlangt haben, wohl in der Hoffnung, hier den perfekten Ersatz für das Trampolin im Kinderzimmer gefunden zu haben. Andere sahen in der hohen Lagerung die perfekte Aufstehhilfe. Und warum auch nicht? Wer die Wahl hat, darf sich ruhig etwas quälen, um ganz sicherzugehen, richtig zu liegen.

Moden regieren das Schlafzimmer. Schon einmal war das Bett viel mehr als Ort der Liebe und der Nachtruhe. Es war kostbarstes Repräsentationsobjekt. Im 16. Jahrhundert zählte erlesene Bettwäsche zu den wichtigsten Brautgeschenken der europäischen Herrscherhäuser, und unter dem französischen Sonnenkönig stieg die Bettstatt mit bombastischem Brokat, Damast und Stickereien sogar zum unverzichtbaren Teil des höfischen Zeremoniells auf. Ludwig XIV. regierte vom Bett aus. Doch dann kam die bürgerliche Revolution - und das Paradeschlafzimmer verschwand hinter schamhaften Schleiern, bis sie Yoko Ono und John Lennon mit ihren legendären Bed-ins 1969 wieder zu einem öffentlichen Ort machten. Ihr Kingsize-Bett in Amsterdam würde bei heutigen Promis wohl nicht mehr genügen, die im Pyjama nonchalant Privates und Öffentliches verwirbeln.

Raumsparend: Hochbetten gibt es längst nicht mehr nur in Kinderzimmern oder Jugendherbergen, sie sind inzwischen auch in städtischen Apartments zu finden. (Foto: imago images / Westend61)

Manche Schlafunterlagen hatten ihre Zeit - und verschwanden dann wieder, so wie das integrierte Bettradio. Wo stecken eigentlich Futon und Wasserbett, die Helden der Siebziger- und Achtzigerjahre? Ein Futon war schließlich weit mehr als eine Schlafunterlage. Es war eher ein Bekenntnis. Etwas für Puristen, die schon alles hatten oder selbst auf der Suche nach Essenz waren. Sie verzichteten dafür auf Bettgestell, Rahmen und Stahlfedern und suchten das eigentliche Schlafgefühl. Für alle anderen blieb es eine fernöstlich inspirierte Herausforderung für den Rücken. Das eigene Erlebnis liegt zwar schon etwas zurück, blieb aber eindrücklich. Der Regen prasselte auf das Dachflächenfenster, selbst nach ziemlich langem Hin- und Herwälzen gelang es nicht, endlich eine bequeme Schlafposition zu finden. Wahrscheinlich outet sich hier ein totaler Anfänger, der nicht mal ahnt, wie man einen Futon richtig rollt und ausschüttelt und darin womöglich nur eine flach gepresste Matratze sieht. Nach einigen Tagen ging es zwar besser, dafür meldete sich der Rücken pünktlich zum Morgentee. Ein Futon ist ein geniales Stück Design, schön, wie eine Meditation über das Schlafen selbst. Aber wahrscheinlich nicht unbedingt etwas für alle.

Ähnliches könnte man über das Wasserbett sagen. Unvergessen, was Bond-Set-Designer Ken Adam für "Diamantenfieber" da zusammenschraubte - ein transparentes Plexiglasaquarium mit 500 Salzwasserfischen, integriertem Telefon und einer Bar. Die Darsteller waren von ihrem Liebesnest angeblich wenig angetan. Jill St. John fand den Rahmen viel zu kalt, und Sean Connery war das Ganze sowieso suspekt. Experten merkten an, dass das schicke Meerwasserbett gar nicht funktionieren konnte. Allein die Anti-Algen-Mittel hätten den netten Fischlein wohl den Garaus gemacht.

Wasserbetten brauchen mehr Technik als einfache Matratzen. Der sogenannte Conditioner garantiert keim- beziehungsweise algenfreies Wasser. Das Mittel muss einmal pro Jahr nachgefüllt werden und pflegt zudem das Vinyl. Denn das ist wohl die größte Angst vor dem Schwebebett: Dass eine Naht schwächelt und plötzlich das halbe Schlafzimmer unter Wasser steht. Eine unbegründete Sorge. Da gibt es schließlich die Sicherheitswanne.

Wasserbetten gelten bei richtiger Pflege als langlebig. Trotzdem kommt bei einer einfachen Wassermatratze ganz schön was zusammen: etwa 400 Liter (also 400 Kilogramm) bei 90 mal 200 Zentimetern und rund 20 Zentimetern Höhe. Andere Größen (etwa 200 x 200 Zentimeter) bringen mehr als 650, manchmal bis zu 800 Kilogramm auf die Waage.

Die zweite Angst: Kann man seekrank werden? Damit der Schwebeschlaf nicht zu einer unfreiwilligen Seereise wird, gibt es Wasserbetten in den unterschiedlichsten "Beruhigungsstufen", vom normalen Bett, bei dem das Wasser bei jeder Bewegung etwas nachschaukelt, bis zum vollständig beruhigten Bett. Ein Glück für Landratten. Von nächtlicher Seekrankheit kann keine Rede sein. Und auch nicht von blubbernden Matratzen. Gluckert es doch einmal, lässt sich die Matratze entlüften.

Das Wasserbett wurde von einem Arzt entwickelt. Er wollte den Patienten Druckstellen ersparen

Wasserbettfreunde schwören auf himmlischen Schlafkomfort, da sich das Bett an den Körper anschmiegt, nicht umgekehrt. 1833 brachte der schottische Arzt Neil Arnott "Dr. Arnott's Hydrostatic Bed" auf den Markt, um seinen Patienten Druckstellen durch langes Liegen zu ersparen. Aber so richtig populär wurde die Konstruktion erst in den Achtzigerjahren. Charles Prior Hall hatte übrigens 1968 ein Patent eingereicht. Die kuriose Kurzbeschreibung: "Flüssige Unterstützung menschlicher Körper" ("liquid support for human bodies"). Auch Science-Fiction-Autor Robert A. Heinlein (1907-1988) war fasziniert von einer Zukunft mit Wasserbetten, die er akkurat beschrieb: "Eine Pumpe zur Steuerung des Wasserstandes, seitliche Stützen, damit man schwimmen kann, anstatt einfach auf einer nicht sehr weichen, wassergefüllten Matratze zu liegen. Thermostatische Temperaturregelung, Sicherheitsschnittstellen zur Vermeidung von Stromschlägen, wasserdichte Box, Berechnung der Bodenlasten (wichtig!), interne Gummimatratze und Beleuchtung." Heinlein sprach vom "Versuch, das perfekte Krankenhausbett von jemandem zu entwerfen, der zu viel Zeit in Krankenhausbetten verbracht hatte".

Mit der Zeit entwickelte sich das System weiter, von Hardside zu Softside und Leichtwasserbetten. Nach so viel begeistertem Blubbern noch ein kleiner Wermutstropfen: Eine solche Matratze muss beheizt werden, das erkannten angeblich bereits die alten Perser mit ihren Säcken aus Ziegenhäuten, die sie im Winter in die Sonne legten und im Sommer mit frischem Quellwasser füllten.

Was bleibt von all den Moden? Natürlich ist das Bett noch immer der klassische Rückzugsort, doch inzwischen sind alle Tricks erlaubt. So viel, dass der Gedanke an die vielen Möglichkeiten einer modernen Bettstatt fast schon wieder den Schlaf rauben könnte.

© SZ vom 22.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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