Logistikimmobilien:Pakete im Parkhaus

Lesezeit: 4 min

Logistiker können sich vorstellen, Immobilien wie Parkhäuser auf verschiedene Weise zu nutzen: tagsüber als Parkplatz, abends als Warenlager. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Wirtschaft sucht neue Wege, um ihre Ware schneller und billiger zum Kunden zu bringen. Zum Beispiel könnten Kaufhäuser und Parkhäuser künftig auch als Lager dienen.

Von Bärbel Brockmann

Der Online-Handel hat das Einkaufsverhalten in wenigen Jahren grundlegend verändert. Für viele Verbraucher ist es inzwischen selbstverständlich, Waren im Internet zu ordern, zuletzt immer öfter auch Lebensmittel. Das ist erst der Anfang. Immer häufiger bestellen auch Firmen ihre Ware online, vom Bürobedarf bis zu den Rohmaterialien für die Produktion. Diese Verschiebung auf den E-Commerce und die immer schnelleren Lieferzeiten machen eine Anpassung der logistischen Abläufe und auch der Logistikimmobilien nötig. Denn inzwischen ist schon nicht mehr von der Belieferung am selben Tag als höchster Herausforderung die Rede, sondern von der Belieferung zur selben Stunde.

So wie die Digitalisierung den Online-Handel erst ermöglicht hat, ist sie auch Voraussetzung dafür, dass in Zukunft immer größere Bestellvolumina reibungslos online bewältigt werden können. Prognosen gehen davon aus, dass der Online-Handel allein bis 2025 um bis zu 30 Prozent zunimmt. Lagerhallen müssen "intelligent" oder "smart" werden, wie es im Fachjargon heißt. Eine intelligente Logistikimmobilie leitet beispielsweise bei einer Online-Bestellung automatisch den Kommissionierungsprozess ein und ruft selbständig einen Gabelstapler, der die gewünschte Ware von einem bestimmten Lagerplatz abholt und zur Verladestation bringt. Dort öffnet sich dann im rechten Moment das Rolltor, und der Gabelstapler bringt die Ware auf den bereitstehenden Lkw.

Zum Teil ist dieser Prozess heute schon Wirklichkeit, vor allem bei den ganz großen Online-Händlern wie Amazon oder Zalando. Für die kleineren ist das aber noch Zukunftsmusik. Die ganze Automatisierung wird nur möglich sein, wenn alle Komponenten digitalisiert und miteinander vernetzt sind. Und das wiederum wird nur möglich, wenn Rechenkapazitäten und Speicherplatz heute nicht mehr als großer Kostenfaktor erscheinen.

Der Kunde bestellt online und holt seine Ware in einem Drive-Through ab

Der zunehmende Online-Handel wird auch die Konzeption der Lagerhallen selbst verändern. Eine hohe Deckenhöhe und ein belastbarer Boden bei ansonsten möglichst vielseitiger Nutzung, also ohne besondere Einbauten, dieser Hallenstandard wird in der Zukunft nicht überall gebraucht werden. "Die Digitalisierung des Konsums bewirkt gleichzeitig, dass Produkte und Waren in den Lagerhallen eine immer geringere Liegezeit aufweisen", heißt es in der vom Immobilienanalysehaus Bulwiengesa herausgegebenen Studie "Logistik und Immobilien 2016". Hohe Hallen, in denen man entsprechend hoch stapeln kann, würden auf Sicht weniger gebraucht. Für die Studie wurden mehr als 500 Nutzer von Logistikhallen, aber auch Projektentwickler und Investoren befragt, wie die Lagerhalle der Zukunft aussehen wird. Eines der Ergebnisse: Es wird künftig ganz neue Gebäudetypen geben. Die klassische große Halle werde dann nur noch eine von vielen Lagermöglichkeiten sein.

Diese sogenannten Fullfillment-Center, in denen Hunderttausende Artikel lagern, werden zum Ausgangspunkt einer neuen Lieferkette. Sie liegen auch künftig meist verkehrsgünstig draußen auf der grünen Wiese. Von da geht es dann in Sortiercenter, die wiederum kleinere Lagerhallen an den Stadtgrenzen beliefern, sogenannte Urban Distribution Center. Dort wird eine weitere Vorsortierung vorgenommen, bis schließlich die Ware in die Innenstädte kommt und von dort verteilt wird.

"Die Urban Distribution Center werden von großen Lkw angeliefert. Von dort wird die Ware auf kleineren Transportern entweder direkt zum Empfänger gebracht oder in eine Last-Mile-Immobilie in der Stadt. Wie diese Immobilie aussieht, hängt davon ab, was in der Innenstadt möglich oder vorhanden ist", sagt Jordan Corynen, der beim Immobilienentwickler Goodman für Deutschland, Österreich und die Schweiz zuständig ist. Zunehmend melden sich auch die Kommunen zu Wort. Ihnen geht es um Konzepte, wie man verhindert, dass die Lieferautos der Paketdienste die Straßen verstopfen und der Verkehrslärm zunimmt.

Aus der Studie von Bulwiengesa geht hervor, dass sich viele Experten auch sogenannte Hybridimmobilien vorstellen können, die mehrere Funktionen übernehmen. So könnten in den Citylagen Kaufhäuser mit Lagern verschmelzen. Schließlich haben die Kaufhäuser alle auch ein Lager. Dort könnte der Kunde seine online bestellten Waren in einem Drive-through abholen. Ähnliches wird derzeit bereits für die Doppelverwendung von Parkhäusern überlegt - tagsüber parken, abends Warenlager. Die Digitalisierung wird auch dazu führen, dass in der Industrie die Produktion der Waren und die Logistik zusammenwachsen.

Schon weiter bei der Logistik sind die dicht besiedelten Megastädte in Asien

"Man investiert in Digitalisierung, um schneller und effizienter zu werden. Die großen Volumina des E-Commerce kann man besser bewältigen, wenn man die Prozesse digitalisiert", ist Kuno Neumeier von der Immobilienlogistikberatung Logivest überzeugt. Vor allem gehe es dabei um die Intralogistik, also die Abläufe und Warenströme innerhalb eines Lagers. Automatische Förderanlagen sind heute schon Standard. Künftig würden aber auch verstärkt Roboter eingesetzt.

Mit der Kleinteiligkeit des Online-Geschäfts gehe auch eine Veränderung der Kommissionierung einher. Statt wie üblich Waren palettenweise zusammenzustellen, gehe man heute dazu über, sie aus viel kleineren Fachböden zusammenzusuchen. "Die Digitalisierung ermöglicht es, diese Prozesse sinnvoll zu planen", sagt Neumeier.

Schließlich werden die Lagerhallen bald anders aussehen. "Es wird mehr Verkabelung in der Halle geben, um besser einzelne Verbräuche ablesen zu können", sagt Corynen von Goodman. Dort entwickelt man derzeit auf Anfrage eines Kunden aus der Autoindustrie ein Tableau, auf dem man alle Energieverbräuche auf einen Blick sieht. In einem "Smart Warehouse" kann man durch die Digitalisierung die Wartung vereinfachen und effizienter machen. Man hat von allen Prozessen die genauen Daten und kann sie analysieren. Das vereinfacht der Verwaltung die Planung. Es wird zum Beispiel digitale Warnsysteme geben, die im Winter die Schneelast auf dem Dach messen und präzise bestimmen, wann der Schnee entfernt werden muss.

Auch im europäischen Ausland ist die Digitalisierung in der Logistik in vollem Gange. "In Frankreich, in Polen, in Großbritannien, überall wird etwas Neues ausprobiert. In Deutschland sind wir im selben Schritt mit den anderen Ländern. Im Augenblick hat niemand eine Vorreiterrolle", sagt Corynen. Deutschland und Europa voraus sind aber schon die dicht besiedelten Megastädte in Asien. Dort ist man angesichts des großen Platzmangels schon seit einiger Zeit gezwungen, sich etwas einfallen zu lassen und verstärkt auf supermoderne, volldigitalisierte Logistikimmobilien zu setzen.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: