Logistik:Platz für Pasta

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In der Corona-Krise ist die Nachfrage nach Lagerhallen sprunghaft gestiegen. Viele Händler sind auf ihrer Ware sitzen geblieben und müssen sie irgendwo bunkern, außerdem ist Vorratshaltung stärker gefragt. Doch auch nach der Pandemie dürfte der Bedarf weiter steigen.

Von Bärbel Brockmann

Die Corona-Krise kennt vor allem Verlierer. Das ist auch im Bereich der Gewerbeimmobilien so. Hotels dürften sich erst langsam davon erholen, dass sie über Monate keine oder nur wenige Gäste beherbergen konnten. Einkaufszentren füllen sich nur sehr verhalten wieder, die Menschen sind noch weit von ihrer früheren Shoppinglaune entfernt - woran auch die drohende Rezession ihren Anteil haben dürfte. Auch die Nachfrage nach Büros wird auf absehbare Zeit kaum steigen, wo doch auch nach der unmittelbaren Bedrohung durch das Virus viele Unternehmen weiterhin auf das Home-Office setzen. Und wie sich die Preise und Mieten von Wohnungen entwickeln werden, ist derzeit noch völlig unklar. Nur ein Segment ist so etwas wie ein Gewinner der Krise: die Logistikimmobilie.

Vor allem der Lebensmitteleinzelhandel sucht seit Beginn der Krise zum Teil händeringend nach zusätzlichen Flächen, die kurzfristig anzumieten sind. Der über Wochen angeordnete Lockdown bedeutete für die Menschen in ganz Deutschland, dass sie nicht mehr in Restaurants essen gehen konnten. Lange Zeit gab es nicht einmal eine Bratwurst oder einen Burger auf die Hand. In der Folge musste man alles, was zum Leben nötig war, im Supermarkt einkaufen. Dort war man darauf aber nicht vorbereitet, weshalb es über Wochen zu Engpässen - etwa bei manchen Grundnahrungsmitteln - kam. "Die Lebensmitteleinzelhändler haben dann massiv Kapazitäten aufgebaut. Auch die Zuliefererindustrie des Lebensmitteleinzelhandels hat Sonderschichten gefahren und in der Folge viel mehr Lager- und Logistikflächen benötigt", sagt Kuno Neumeier, Geschäftsführer des auf Logistikimmobilien spezialisierten Beratungsunternehmens Logivest.

Industriebetriebe brauchen mehr Logistikflächen, um unabhängiger zu sein

Ein weiterer Treiber der Nachfrage war die sogenannte gestrandete Ware. Das sind Produkte, die von Einzelhändlern bei ihren Lieferanten geordert wurden, die sie aber wegen der geschlossenen Geschäfte nicht verkaufen konnten. Manchen Händlern liefen die Lager bis unter die Dächer voll. Auch sie suchten nach freien Flächen zur Zwischenlagerung. Davon profitierten auch Spediteure, die ihre eigenen Hallen an die Einzelhändler vermieten konnten. Noch ist nicht abzusehen, ob die Einzelhändler ihre Ware noch Zug um Zug an den Verbraucher bringen können. Bei saisonalen Produkten dürfte es nach Meinung vieler Experten schwierig werden. Wer will denn jetzt noch den Übergangsmantel kaufen oder am Ski-Ausverkauf teilnehmen?

Wie sich die Nachfrage nach Lagerhallen im stationären Einzelhandel nach überwundener Corona-Krise entwickeln wird, kann derzeit noch niemand mit Sicherheit voraussagen. "Man kann wohl davon ausgehen, dass sich die Nachfrage nach Lagerfläche sowohl im Lebensmitteleinzelhandel als auch bei Einzelhändlern mit gestrandeter Ware wieder abschwächen wird. Darauf deutet zum Beispiel hin, dass mittlerweile bei den Filialisten im Non-Food-Bereich schon weniger Ware ankommt", sagt Nicholas Brinckmann, Geschäftsführer des Immobilieninvestors Hansainvest Real Assets.

Leichter ist es dagegen, langfristige "Gewinner" auszumachen. Einer davon ist E-Commerce. Während des Lockdowns haben reine Internethändler oder stationäre, die auch einen Online-Shop betreiben, ein deutlich höheres Bestellvolumen verzeichnet. Das dürfte sich in Zukunft festigen. Nicht zuletzt deshalb, weil neue Käufergruppen hinzugekommen sind. Viele ältere Menschen, die vorher lieber in Geschäften einkauften, sind notgedrungen online gegangen. Jetzt haben sie einen oder mehrere Accounts und festgestellt, dass der Online-Kauf bequem ist. Deshalb bleiben sie dabei. "E-Commerce wächst schon seit Jahren deutlich schneller als der stationäre Einzelhandel. Diese Entwicklung wird sich durch die Corona-Krise noch beschleunigen", sagt Uwe Veres-Homm von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS). Im vergangenen Jahr habe der Online-Anteil an den Einzelhandelsumsätzen bei 13 Prozent gelegen. Da ist also noch sehr großes Steigerungspotenzial.

Profitieren werden aller Voraussicht nach auch Logistikimmobilien für die Industrie, also Lager für die Produktion. Hier kann man aber nicht von einer Beschleunigung eines Trends sprechen, sondern vielmehr von einer Trendumkehr. Denn bislang wollten viele Unternehmen nach dem Prinzip Just-in-Time ihre Teile für die Produktion erst geliefert bekommen, wenn sie auch gebraucht wurden. In den ersten Wochen der Corona-Krise hat sich dann gezeigt, dass dieses Prinzip sehr riskant ist, weil es die Versorgungssicherheit stark einschränkt. Dazu trägt bei, dass die Lieferketten heute global sind. Kann also China nicht liefern, weil es mitten in der Pandemie steckt, kommen in Deutschland keine Teile an, und die Produktion steht still. Das hat zuletzt zum Beispiel die deutsche Automobilindustrie viel Geld gekostet. "Wir erleben gerade in vielen Branchen die Abkehr von Just-in-Time", sagt Neumeier. "Wir haben heute weltweite Lieferketten und damit eine weltweite Abhängigkeit. Vor allem eine enorme Abhängigkeit aus Asien. Jetzt sehen wir was passiert, wenn die Kette unterbrochen ist und wir keine Pufferlager haben." Er geht davon aus, dass die Unternehmen künftig stärker auf eigene Zwischenlager setzen werden. Manche gehen noch einen Schritt weiter und sagen voraus, dass die kompletten Lieferketten nationaler und sogar regionaler werden, man also auch viel mehr hier im Land produzieren wird und dazu die entsprechenden Lager braucht. "Es wird wohl zu einer ganz anderen Art der Vorratshaltung kommen als in der Vergangenheit, um die Engpässe künftig zu vermeiden", sagt Brinckmann von Hansainvest Real Assets. All das erhöht die Nachfrage nach Lagerhallen.

"Die breite Öffentlichkeit versteht jetzt vielleicht besser, dass diese Lager gebraucht werden."

Aber solche Veränderungen kosten Geld, denn in Deutschland sind Flächen teurer und Löhne höher, als in den derzeitigen Lieferländern. Das ist ja gerade der Grund, weshalb die Lieferketten so global sind. "Für den Unternehmer wird sich die Frage stellen, ob sein Kunde bereit ist, mehr für ein Produkt zu bezahlen", sagt Veres-Homm vom Fraunhofer SCS. Erst recht in einer nun drohenden Rezession, in der es für die Unternehmen eher darum geht, Kosten einzusparen, statt höhere zu akzeptieren. Vergleichsweise einfach wäre es, wenn die Vorratshaltung staatlich vorgeschrieben würde. Wenn etwa im Pharmabereich bestimmte Ausrüstungen oder Medikamente zwingend verfügbar sein müssten. Aber dann müsste der Staat sich auch an den Kosten beteiligen.

Die Corona-Krise verändert aber möglicherweise nicht nur den künftigen Bedarf an Logistikimmobilien. Sie bietet auch eine große Chance: Lagerhallen könnten ein besseres Image bekommen. Bisher gelten sie vor allem als hässlich. Viele Menschen sehen in ihnen nur fensterlose, haushohe Ungetüme, die Flächen fressen und die Landschaft verschandeln. Dazu dann noch der ständige Lkw-Verkehr, der Lärmbelästigung und schlechte Luft verursacht. Lagerhallen sind unbeliebt und deshalb sind auch viele Kommunen zurückhaltend, wenn es um die Zuweisung weiterer Flächen geht. In Zukunft könnte man sie aber als Manifestation von Versorgungssicherheit und Krisenvorsorge sehen. Lkw-Fahrer wären dann nicht die Lenker stinkender Brummis, sondern Mitarbeiter in einer existenziell wichtigen Branche. "Man wird sie vielleicht schätzen lernen wie Krankenschwestern, die uns versorgen", sagt Brinckmann. "Auf der Ebene der Investoren sieht man die Assetklasse jedenfalls nicht erst seit Corona viel positiver." Auch Veres-Homm kann sich vorstellen, dass die Akzeptanz von Lagerhallen samt damit verbundener Verkehre zunimmt und daher der ein oder andere Bürgermeister eher bereit sein wird, die nötigen zusätzlichen Flächen zur Verfügung zu stellen. "Die breite Öffentlichkeit versteht jetzt vielleicht besser, dass diese Lager gebraucht werden, auch wenn sie unansehnlich sind und Schwerverkehr mitbringen. Aber sie sorgen mit dafür, dass die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in der Region gesichert ist."

© SZ vom 20.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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