Lehman-Pleite:Verhängnisvolle Geschäfte

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Warum haben die Wirtschaftsprüfer bei der Pleitebank Lehman Brothers so viel durchgehen lassen? Die Staatsanwaltschaft New York nimmt jetzt das Unternehmen Ernst & Young ins Visier.

Nikolaus Piper, New York

Die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise könnte nun auch Wirtschaftsprüfer treffen. Wie das Wall Street Journal berichtete, plant der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo eine Klage gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young wegen deren Rolle bei der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Die Zivilklage stehe kurz vor der Veröffentlichung, hieß es in der Zeitung. Cuomo wolle Ernst & Young haftbar machen, weil deren Prüfer Bilanzierungstricks des Managements von Lehman Brothers unbeanstandet durchgehen ließen.

Wurden die Repo-105-Geschäfte mit dem Ziel eingesetzt, die Aktionäre von Lehman hinters Licht zu führen? New Yorker Staatsanwälte planen in diesem Zusammenhang eine Klage gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, die bei Lehman die Bücher kontrollierte. (Foto: AP)

Lehman Brothers hatte am 15. September 2008 Gläubigerschutz nach Kapitel elf des amerikanischen Konkursrechts beantragt. Der Zusammenbruch hätte beinahe zur Kernschmelze im globalen Finanzsystem geführt. Um die Hintergründe der Pleite aufzudecken, hatte der Konkursrichter in Manhattan einen unabhängigen Sonderermittler eingesetzt, den New Yorker Wirtschaftsanwalt Anton Valukas. Dieser hatte im März seinen 2200 Seiten starken Bericht veröffentlicht. Darin deckte er auf, dass Lehman jeweils zum Quartalsende die Bilanz systematisch geschönt hatte. Das Mittel war eine Operation namens "Repo 105". Repo-Geschäfte sind eigentlich gängige Praxis zwischen Banken: Institut A beschafft sich Geld bei Institut B, in dem es für einen oder mehrere Tage Wertpapiere verpfändet. Weil die Papiere auf jeden Fall zurückgenommen werden müssen, bleiben sie in der Bilanz von Institut A.

Allgemein üblich?

Die amerikanischen Buchführungsregeln erlauben es jedoch unter bestimmten Voraussetzungen, das Geschäft bei Institut A als "Verkauf" verbucht werden. Die Papiere verschwinden dann aus dessen Bilanz - sie sieht risikoärmer aus, als sie es tatsächlich ist. Die juristische Frage ist, ob diese im Prinzip legale Methode, mit dem Ziel eingesetzt wurde, die Aktionäre von Lehman hinters Licht zu führen. Der Bericht von Sonderermittler Valukas hatte diesen Schluss bereits nahegelegt. Danach hatte ein Lehman-Manager zu Beginn der Finanzkrise die Zulässigkeit des Verfahrens in Frage gestellt. Trotzdem billigten die Prüfer von Ernst & Young die Bücher von Lehman. Staatsanwalt Cuomo scheint sich jedenfalls festgelegt zu haben. Mit einer Klage könnte noch in dieser Woche zu rechnen sein. Es wäre die erste Klage gegen einen großen Wirtschaftsprüfer wegen dessen Verhaltens in der Finanzkrise. Für Ernst & Young war Lehman einer der wichtigsten Kunden an der Wall Street.

Auch die Börsenaufsicht SEC prüft, neben der New Yorker Staatsanwaltschaft, seit vielen Monaten, inwieweit die Praxis von Repo 105 in der Branche verbreitet war und ob dabei Investoren hinters Licht geführt worden. Bisher hat die Behörde jedoch noch keine Schritte unternommen. Es gilt auch noch als möglich, dass die New Yorker Staatsanwälte sich mit Ernst & Young außergerichtlich auf einen Vergleich einigen. Für Cuomo dürfte es, so oder so, sein letzter großer Fall sein. Er wurde am 2. November zum Gouverneur des Bundesstaates New York gewählt und tritt sein Amt am 1. Januar an.

© SZ vom 21.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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