Kurseinbruch an den Börsen:Obama gegen den Rest

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Während die Welt noch hoffungsvoll den neuen US-Präsidenten begrüßt, brechen die Kurse weltweit ein. Obama hatte keine Chance, die Stimmung zu drehen.

Carsten Matthäus

Es hätte sein können wie ein schöner Traum. Der amerikanische Präsident wird vereidigt, er hält eine begeisternde Rede und schon schöpfen die Anleger weltweit wieder Vertrauen in die Börse, sie kaufen Aktien, die Kurse erholen sich. Eine Welle der Euphorie erfasst auch die Finanzwelt.

Obama auf allen Kanälen - die Börsen beeindruckte das nicht, sie gaben deutlich nach. (Foto: Foto: dpa)

Doch das ist nicht passiert. Der US-Aktienindex verlor am Dienstag vier Prozent, fiel damit sogar unter die psychologisch wichtige Marke von 8000 Punkten - das war das schlechteste Tagesergebnis des Börsenbarometers an einem Inaugurationstag in der Geschichte des Dow Jones. Die Börsen in Japan und Europa sind ebenfalls auf Talfahrt, die leichte Kurserholung seit November ist wieder passé.

Ganz schnell waren die sogenannten Analysten, Händler und Börsenexperten - natürlich immer schön anonym - dabei, dem neuen Präsidenten eine Teilschuld am Ausverkauf zu geben. Obama habe, so berichten Nachrichtenagenturen vom Parkett, keine weiteren Details zur Belebung der Wirtschaft verkündet. Man sei enttäuscht gewesen von der Rede.

Das ist bestenfalls eilige Kaffeesatzleserei. Barack Obama hatte am Tag seiner Vereidigung einfach keine Chance gegen die vielen Stimmungstöter an den Weltbörsen.

Nur ein paar Beispiele. Am Montag meldete die Royal Bank of Scotland, bis vor kurzem Stolz der britischen Bankenwelt und herausragender Global Player der Finanzwelt, einen Verlust von bis zu 28 Milliarden Pfund (etwa 30 Milliarden Euro). Bankaktien verloren im Gefolge dieser Horromeldung weltweit rasant an Wert - und sie tun es noch.

Besonders beunruhigend sind in diesem Zusammenhang die Kurseinbrüche mehrerer US-Banken, die bisher als relativ krisensicher gehandelt wurden. So gingen die Kurse von Wells Fargo allein am Dienstag um 24 Prozent in die Knie.

Damit ist die einzige Großbank angezählt, die zuvor noch die Krisenbank Wachovia übernommen hatte. Auch das Institut State Street, das vor allem für große Unternehmen und Investoren aktiv ist und bisher als stabil galt, wurde mit einem Kursminus von 59 Prozent für die Meldung bestraft, zusätzliche Verluste von rund neun Milliarden Dollar eingefahren zu haben.

Aber es sind längst nicht nur die Finanzinstitute, die die Obama-Euphorie ausgebremst haben. Ganze Volkswirtschaften wackeln bedenklich und Unkenrufe gibt es zuhauf.

So brach der Kurs des britischen Pfunds ein: 1,07 Euro kostet es noch - so schlecht stand die Währung zuletzt im Jahr 2001. Selling England by the pound! Die britische Wirtschaft ist angezählt und selbst der Chef der britischen Notenbank will keine Hoffnung auf Besserung verbreiten. Bei einer Rede vor dem britischen Wirtschaftsverband CBI am Dienstag in Nottingham sagte er: "Es ist klar, dass die Politik es nicht geschafft hat, das Entstehen einer instabilen Position zu verhindern." Er sagt der britischen Wirtschaft außerdem eine lange Phase der Schwäche voraus, deren Ende nicht absehbar sei.

Ebenfalls am Dienstag meldete sich der amerikanische Großinvestor Jim Rogers in der Agentur Bloomberg zu Wort. Seiner Meinung nach ist die britische Wirtschaft "am Ende". Im Wortlaut: "Sie ist am Ende. Ich sage es nicht gern, aber ich würde überhaupt kein Geld mehr in die britische Wirtschaft stecken."

Weitere Beispiele für den Horror der Ökonomie gibt es zuhauf - von Kurzarbeit bei BMW über weiter sinkende Hauspreise in den USA bis zur Meldung, dass Spanien als erstes europäisches Land von der Ratingagentur Standard & Poors die höchste Bonitätsnote AAA aberkannt bekommen könnte.

In einem solchen Kreuzfeuer von Negativmeldungen kann auch die schönste Vereidigung der Welt und die beste Rede Obamas wenig ausrichten - aber ein schöner Traum war's trotzdem.

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