Kredite zur Immobilienfinanzierung:Stammkunden zahlen drauf

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"Es gibt offenbar zwei Welten bei der Baufinanzierung." Immobilienkredite sind derzeit günstig wie nie. Das gilt aber nicht für alle Bankkunden - wer ein Anschluss-Darlehen benötigt, sollte aufpassen.

Andreas Jalsovec

Das Angebot, das Horst Bauer von seiner Hausbank bekam, klang gut: Einen Zins von 3,55 Prozent bot sie ihm, wenn er die Zinsbindung seines Immobilienkredits von noch knapp 110.000 Euro um zehn Jahre verlängere. Bauer schien das in Ordnung. Als er 2002 den Kredit zur Finanzierung seines Einfamilienhauses aufnahm, verlangte die Bank mehr als fünf Prozent von ihm.

Ziemlich erstaunt jedoch war Bauer, der seinen echten Namen nicht nennen will, als er sich auf der Internetseite seiner Bank über die Konditionen informierte. Dort erfuhr er, dass das Geldhaus neuen Kunden den Kredit deutlich billiger verkauft als Stammkunden wie ihm - für knapp 2,6 Prozent. "Es gibt offenbar zwei Welten bei der Baufinanzierung", so Bauer. "Eine für Neukunden und eine für Bestandskunden. Die für Bestandskunden hat keine fairen Konditionen."

Der Markt für Baukredite ist derzeit ein Glücksfall für die Kunden. Wer eine Immobilie finanzieren will, kann das zu historisch niedrigen Kosten tun. Allerdings meist nur dann, wenn er als Neukunde einen Kredit nachfragt. Wer dagegen bei seiner Hausbank einen bestehenden Kredit verlängern muss, bekommt oft schlechtere Konditionen angeboten.

Banken gleichen rückläufige Gewinne im Neukundengeschäft aus

"Das ist gängige Praxis bei den Kreditinstituten", sagt Max Geißler, Baufinanzierungsexperte beim Verbraucherportal Biallo.de. Bei der Kreditverlängerung packten die Banken häufig etwas auf den Zins für Neukunden drauf. Viele Häuslebauer merken das aber nicht. Denn wegen der niedrigen Zinsen sieht selbst eine schlechte Offerte noch gut aus, verglichen mit dem, was sie bislang für ihren Kredit zahlen mussten. "Längst nicht alle Kunden sind über die aktuellen Konditionen im Bilde", meint Geißler. "Ihnen ist daher nicht bewusst, dass sie den Verlängerungskredit auch deutlich günstiger bekommen könnten."

So können die Banken das niedrige Zinsniveau nutzen, um ihre Gewinne bei den Bestandskunden in der Immobilienfinanzierung zu erhöhen. "Die Margen bei Kreditverlängerungen sind nahezu in dem Maße gestiegen, in dem der Marktzins nach unten gegangen ist", beobachtet Udo Schindler, Vorstand der Nürnberger KSW Vermögensverwaltung. Die Banken gleichen damit rückläufige Gewinne im Neukundengeschäft aus, glaubt er. Hintergrund ist der härtere Kampf um Privatkunden bei der Baufinanzierung. Mittlerweile machen nicht mehr nur Online-Finanzierer und Kreditvermittler den Geldhäusern Konkurrenz. Auch Versicherer steigen verstärkt in den Markt ein. Das lässt die Erträge im Neukundengeschäft schrumpfen.

So weist der jüngste Kreditvergabebericht der Bundesbank deutlich sinkende Margen der Banken unter anderem bei Wohnungsbaukrediten aus. Höhere Zinsen bei Kreditverlängerungen sollen das offenbar ausgleichen. Was auch vielfach funktioniert: "Selbst wenn die Kunden wissen, dass sie zu viel zahlen, sind sie oft zu bequem, den Anbieter zu wechseln", sagt Finanzplaner Schindler, der über etliche Klienten berichtet, die nicht marktgerechte Verlängerungsangebote bekommen haben. Die ungünstigen Konditionen würden dabei oft von der Zentrale der Bank vorgegeben.

Hohe Ersparnis möglich

Bei den Banken allerdings weist man den Vorwurf zurück, Stammkunden bei der Kreditvergabe zu benachteiligen. "Wir machen keinerlei Unterschiede zwischen alten und neuen Kunden", beteuert etwa die Hypo-Vereinsbank. Man wolle schließlich die Bestandskunden weiter an sich binden. Bei der Commerzbank heißt es, die Konditionen für die Finanzierung hingen von Kundenbonität und Objektlage ab. "Alleine das Kriterium, ob es sich um eine Verlängerung oder einen Neuabschluss handelt, impliziert keinen Konditionsunterschied." Und auch die Deutsche Bank betont: Grundsätzliche Unterschiede zwischen Bestands- und Neukunden gebe es nicht.

Dennoch raten Verbraucherschützer, das Angebot der eigenen Bank mit anderen zu vergleichen. "Messlatte sollten stets die besten Konditionen im Markt sein", rät Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Mit einem guten Alternativangebot könne man erneut mit der Bank verhandeln. Im Zweifel sollte man den Anbieter wechseln. Die Kosten für die Übertragung der Grundschuld hält sich dabei mit einigen hundert Euro in Grenzen. Auch der sonstige Wechselaufwand ist überschaubar. Die mögliche Ersparnis dagegen stattlich: Wer für einen Kredit von 50.000 Euro bei einer Tilgungsrate von zwei Prozent einen Zins von 2,5 statt 3,5 Prozent zahlt, spart bei zehn Jahren Laufzeit fast 4500 Euro. Bei einer Kreditsumme von 110.000 Euro sind es knapp 10.000 Euro. "Dafür", meint Udo Schindler, "bekommt man schon einen Kleinwagen."

© SZ vom 30.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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