Klimawandel:Umsteuern

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Neben Autos stoßen vor allem alte Heizungen viel Kohlendioxid aus. Eine CO₂-Abgabe würde Anreize für Sanierungen schaffen. Doch die Bundesregierung bremst.

Von Ralph Diermann

Vor fünfzehn Jahren waren bei Teenagern Alcopops sehr in Mode. Die Popularität dieser Schnapslimos bereitete Medizinern große Sorgen. Daher beschloss die damalige Bundesregierung, die Jugendlichen bei ihrem Taschengeld zu packen: Sie belegte die klebrig-süßen Partydrinks mit einer Steuer, deren Höhe sich nach ihrem Alkoholgehalt bemisst. Mit Erfolg - der Konsum von reinem Alkohol aus Schnapslimos verringerte sich laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in der Folge um mehr als die Hälfte.

Steuern sind nicht nur dazu da, die Staatskassen zu füllen. Sie sind auch ein probates Mittel, um das Verhalten von Menschen in eine gesellschaftlich oder politisch gewünschte Richtung zu lenken. Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft schlagen daher vor, diesen Mechanismus auch für den Klimaschutz zu nutzen: Eine Steuer oder Abgabe auf das bei der Verbrennung von Erdgas, Heizöl, Benzin, Diesel und Kerosin freigesetzte Kohlendioxid gäbe Haushalten und Unternehmen einen Anreiz, ihre CO₂-Emissionen zu mindern.

Gerade im Wärme- und Verkehrssektor tut sich Deutschland damit bislang sehr schwer. So verbrauchen die Bundesbürger pro Quadratmeter Wohnfläche heute noch fast genauso viel Heizenergie wie vor zehn Jahren, wie Daten des Energiedienstleisters Techem zeigen - allen Maßnahmen zur Verbesserung der energetischen Qualität von Immobilien zum Trotz. Und im Verkehr ist der CO₂-Ausstoß dem Statistischen Bundesamt zufolge seit 2010 gar um sechs Prozent gestiegen. Daher muss Deutschland demnächst Emissionsrechte bei anderen EU-Staaten zukaufen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat dafür in der Haushaltsplanung für 2020 bis 2022 bereits 300 Millionen Euro vorgesehen.

Intelligente Zähler machen Einsparungen für Verbraucher sofort sichtbar

Länder wie Frankreich, Schweden oder die Schweiz belegen Kohlendioxid-Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor schon lange mit einer Abgabe. Und auch hierzulande findet diese Idee mittlerweile Unterstützung, wie man sie in dieser Breite selten sieht: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist prinzipiell genauso dafür wie Greenpeace und der BUND, die FDP wie Grüne und Linke, ebenso zahlreiche Wirtschaftsforscher und selbst Öl- und Gaskonzerne wie BP und Shell. Auch der Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft ZIA ist der Einführung einer solchen Abgabe grundsätzlich nicht abgeneigt. "Eine CO₂-Bepreisung ist im Verhältnis zum Ordnungsrecht ein relativ marktwirtschaftliches Instrument, das künftig zur Reduktion von Treibhausgasemissionen für die Immobilienwirtschaft herangezogen werden könnte", sagt ZIA-Vizepräsident Thomas Zinnöcker, der auch die Energie-Arbeitsgruppe des Verbands leitet. Eine wirtschaftliche Lösung sieht er darin allerdings nur dann, wenn das Instrument technologieoffen und marktgerecht ausgestaltet ist. Dabei müssen die komplexen Wirkungsketten beachtet werden, so Zinnöcker.

Bei der Bundesregierung laufen Forderungen nach einer CO₂-Steuer bislang allerdings ins Leere. So hat CSU-Chef Markus Söder erklärt, dass dies mit seiner Partei nicht zu machen sei. Andreas Feicht, für Energie zuständiger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, schloss im Februar auf einer Veranstaltung die Einführung einer solchen Abgabe in dieser Legislaturperiode aus. Ein Schlupfloch ließ er allerdings: Feicht sagte, dass die Bundesregierung Vorschläge für eine CO₂-Bepreisung erarbeiten könnte, über die dann das nächste Kabinett entscheiden müsste.

Dass die Bundesregierung bremst, liegt vor allem daran, dass sie Belastungen für Bürger und Industrie fürchtet. Doch das ließe sich vermeiden, meint Ulf Sieberg vom Verein CO₂-Abgabe, der vor Kurzem ein von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) gegengerechnetes, konkretes Modell für eine Steuer auf Kohlendioxid vorgelegt hat. "Unser Konzept sieht vor, die Einnahmen aus der Abgabe auf Erdgas, Heizöl und Treibstoffe zu verwenden, um die Stromsteuer, die EEG- und die KWKG-Umlage sowie die Steuern auf Heizöl und Heizgas gegenzufinanzieren", sagt Sieberg. Strom werde damit deutlich günstiger. "Berechnungen der LMU zeigen, dass vor allem sozial schwächere Bürger davon profitieren", erklärt er. Wer Hartz IV bezieht, steht mit dem Konzept besonders gut da, weil der Staat ohnehin die Wärmekosten übernimmt. Insgesamt 85 Prozent aller Haushalte in Deutschland würden laut LMU mit diesem Konzept wegen der Entlastung beim Strom unter dem Strich weniger für Energie bezahlen als heute.

Aber bringt das Modell auch etwas für den Klimaschutz? Das Konzept startet mit einer Abgabe von vierzig Euro pro Tonne Kohlendioxid. Erdgas und Heizöl würde das um knapp zehn Prozent, Benzin und Diesel um circa fünfzehn Prozent verteuern. Damit käme so viel Geld zusammen, dass der Strompreis um etwa ein Drittel sinken könnte. Das würde nicht nur Haushalte entlasten, sondern auch klimafreundliche Wärmepumpen attraktiver machen. In den folgenden Jahren soll der CO₂-Preis dann um jeweils fünf Euro steigen.

Solche Aufschläge bei Öl und Gas könnten durchaus ein Anreiz sein, bewusster zu heizen, meint Claus Michelsen, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) - sofern die Haushalte sofort sehen, wie viel Geld sie damit sparen. "Erfährt man erst mit der Jahresabrechnung viele Monate später, ob sich bewussteres Heizen auszahlt, mindert das die Wirkung einer CO₂-Abgabe deutlich", erklärt er. Intelligente Zähler (Smart Meter) zum Beispiel könnten dieses Problem lösen, indem sie Echtzeit-Informationen zu Verbrauch und Kosten geben und so Einsparungen sofort sichtbar machen, so Michelsen.

Höhere Belastungen müssten nicht sein. Denn man könnte die Stromsteuer senken

Weiteres Ziel einer CO₂-Steuer ist es, die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in Effizienzmaßnahmen zu verbessern. Der DIW-Experte ist allerdings skeptisch, ob Preissteigerungen in dieser Größenordnung genügen, um Hauseigentümer zu einer energetischen Sanierung zu bewegen. "Je höher die Brennstoffpreise sind, desto schneller amortisieren sich natürlich Investitionen in mehr Energieeffizienz. Allerdings ist der Effekt bei einem Aufschlag von zehn oder zwanzig Prozent recht gering", sagt Michelsen. Es braucht seiner Meinung nach daher zusätzlich eine umfassende staatliche Förderung, um energetische Sanierungen attraktiv zu machen.

Vor allem bei vermieteten Immobilien dürfte eine CO₂-Steuer oftmals ins Leere laufen, da die Vermieter selbst nicht von höheren Kosten für fossile Brennstoffe betroffen sind. Nur in Regionen mit einem Überangebot von Wohnraum gäbe ein Preis auf Kohlendioxid Eigentümern einen Anreiz, in energetische Sanierung zu investieren. Denn das würde die Nebenkosten der Mieter reduzieren, sodass die Immobilie leichter zu vermieten ist.

Für die Arbeitsgruppe Energie des ZIA ist die Auflösung dieses Investor-Nutzer-Dilemmas zentrale Voraussetzung für eine wirksame CO₂-Bepreisung. "Sicherlich sind hierbei auch Änderungen im Mietrecht notwendig", sagt Zinnöcker. "Insgesamt geht es darum, Anreize für die Eigentümer zu schaffen beziehungsweise zu erhalten und gleichzeitig zu starke Mehrbelastungen für die Mieter auszuschließen." Auch Ulf Sieberg vom Verein CO₂-Abgabe sieht das Investor-Nutzer-Dilemma. Er setzt hier aber vor allem auf das Ordnungsrecht. Konkret denkt Sieberg dabei unter anderem an eine Verschärfung der Pflichten zum Austausch fossiler Heizungsanlagen oder zur Dämmung einzelner Bauteile. "Wir werden nicht umhinkommen, strengere Vorgaben für den Bestand zu machen", sagt Sieberg.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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