Klimatisation:Cooles Haus

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Klimaanlagen bieten viel Komfort, verschlingen aber eine Menge Strom. Intelligente Energiekonzepte können helfen, die Kosten für das Kühlen von Gebäuden zu reduzieren.

Von Ralph Diermann

Das britische Parlament ist bekannt für hitzige Debatten, nicht erst seit dem Brexit. Schon im 19. Jahrhundert ging es dort so heiß her, dass der schottische Ingenieur David Boswell Reid beauftragt wurde, ein System zur Raumkühlung zu entwickeln, als das Gebäude nach einem Brand 1834 neu errichtet werden musste. Reid schuf eine ausgeklügelte Belüftungsanlage, in deren Rohre im Sommer Eisblöcke gelegt wurden. Damit wurde die einströmende Außenluft gekühlt. Das funktionierte sehr gut, wie Aufzeichnungen verraten: Die Innentemperatur des neugotischen Prachtbaus am Themse-Ufer konnte so auch im Hochsommer bei angenehmen Temperaturen gehalten werden.

Hauseigentümer müssen ihre Anlagen regelmäßig prüfen lassen - eine oft ignorierte Pflicht

Gerade in südlichen Ländern bietet die Kühlung von Gebäuden einen Komfort, den keiner missen möchte. Doch auch in Deutschland kommen viele Gebäude heute nicht mehr ohne Klimatisierung aus. In Bürobauten mit ihren oftmals großen Fensterflächen sind die Anlagen längst Standard, ebenso in Einkaufszentren, Hotels, Kranken- und Ärztehäusern sowie kulturell genutzten Immobilien. Vereinzelt hält die Klimatisierung mittlerweile auch in Wohngebäuden Einzug, vor allem im Luxussegment. Dieser Komfort verschlingt allerdings eine Menge Energie: Etwa elf Gigawattstunden Strom fließen laut Umweltbundesamt hierzulande jährlich in das Kühlen von Immobilien. Das entspricht etwa der Menge an Strom, die ganz Hamburg im Jahr verbraucht.

Der hohe Energieverbrauch geht vor allem auf das Konto der sogenannten Kompressions-Kältemaschinen, die zentral für das gesamte Gebäude Kälte produzieren - ähnlich einem Heizkessel, der die Wärme für die einzelnen Heizkörper erzeugt. Über einen Wasserkreislauf wird die Kälte zur Lüftungsanlage transportiert, die sie dann über die einströmende Außenluft im Gebäude verteilt. Die Kältemaschinen enthalten ein Kühlmittel, dessen Temperatur sinkt, wenn es entspannt wird. Dazu muss es vorher jedoch verdichtet werden. Das geschieht mit einem strombetriebenen Kompressor. Auch die dezentralen, nur einzelne Räume kühlenden Klimaanlagen funktionieren nach diesem Prinzip.

Allerdings arbeiten die meisten Kältemaschinen nicht gerade effizient. "Noch bis vor Kurzem hat man die Regelung der Kompressions-Kältemaschinen auf die Spitzenlast, also den heißesten Tag des Jahres, ausgelegt", erklärt Claus Händel, Technischer Referent des Fachverbands Gebäude-Klima (FGK). Ist es draußen nicht ganz so warm, verbrauchen sie viel zu viel Strom. "Heute dagegen werden Kältemaschinen auf den Teillastbetrieb optimiert", so Händel. Bei Temperaturen von 25 oder 30 Grad, die viel öfter auftreten als die Spitzenwerte, sind sie am effizientesten. Diese Regelung ist aber meist nur mit neuen Anlagen möglich. "Die Nachrüstung bestehender Kältemaschinen ist schwierig", sagt der Verbandsexperte.

Das ist auch deshalb ein Problem, weil Kältemaschinen äußerst robust sind - sie laufen jahrzehntelang störungsfrei. Viele Immobilienbesitzer verzichten daher auf den Umstieg auf sparsamere Technik. Doch auch bei alten Kältemaschinen gibt es durchaus einige Hebel, den Stromverbrauch zu reduzieren, sagt Händel. Er verweist darauf, dass Gebäudeeigentümer ihre Klimaanlagen regelmäßig einer energetischen Inspektion unterziehen müssen. Meist werde diese Pflicht aber ignoriert. Eine vertane Chance, meint Händel: "Bei der Inspektion kommen Fachleute ins Haus und machen Vorschläge zur Optimierung der Anlage. Untersuchungen zeigen, dass sich die Investition in der Hälfte der Fälle binnen fünf Jahren durch die Energieeinsparung amortisiert."

Auch die Wärme einer Solarthermieanlage lässt sich für die Klimatisierung nutzen

Wer die Investition in moderne Technik oder die Modernisierung seiner Anlage scheut, kann die Energiekosten jedoch auch auf anderem Wege mindern: durch die Installation einer Fotovoltaikanlage. Praktischerweise liefern die Solarmodule gerade dann viel Strom, wenn viel Kälte benötigt wird. Das lohnt sich, weil die Kosten für die Erzeugung von Solarstrom nur rund ein Drittel so hoch sind wie die Tarife der Versorger. Doch auch ohne eigene Fotovoltaikanlage eignen sich Kältemaschinen grundsätzlich sehr gut für eine Koppelung mit erneuerbaren Energien, sagt Professor Michael Deichsel von der Technischen Hochschule Nürnberg. "Wenn im Netz ein Überangebot an Solar- oder Windstrom verfügbar ist, könnte man damit Kälte oder im Winter auch Wärme produzieren", erklärt er. Bauteile wie Betondecken eignen sich als Speicher - sie nehmen die Energie auf und geben sie langsam in den Raum ab. Allerdings, so Deichsel, ist für eine solche Betriebsweise ein angebotsabhängiger Strompreis nötig. "Variable Preise würden einen Anreiz schaffen, gezielt dann Kälte und Wärme zu erzeugen, wenn Strom-Überschüsse vorhanden sind", sagt der Wissenschaftler. Dem stehen aber derzeit noch die fixen Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom entgegen, die die Preise in ein starres Korsett zwingen.

Trotz ihres hohen Stromverbrauchs dominieren die Kompressions-Kältemaschinen heute den Markt. Dass es auch anders geht, zeigt ein neu errichtetes Bürohaus-Ensemble in Zürich: Die Gebäude werden mit der Abwärme eines Blockheizkraftwerks (BHKW) gekühlt. Kälte aus Wärme? Kein Widerspruch: Ein flüssiges Kältemittel nimmt Wärme aus dem Raum auf und verdampft. Der Dampf verbindet sich mit einem sogenannten Sorptionsmittel und wird dann mit der Wärme aus dem BHKW auf ein höheres Temperatur- und Druckniveau gebracht. Ist das erreicht, gibt es die Wärme nach draußen ab. Dabei verflüssigt sich das Kältemittel - und der Prozess beginnt von neuem.

Diese Technologie hat unter anderem deshalb Charme, weil sie die Auslastung der BHKWs steigert, sagt Alexander Morgenstern, Experte für Heiz- und Kühltechnologien am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). "Im Sommer lassen viele BHKW-Betreiber ihre Anlagen nur eingeschränkt laufen, weil keine Heizenergie benötigt wird. Das geht zu Lasten der Wirtschaftlichkeit. Wenn nun aber die Abwärme für eine Kältemaschine genutzt wird, steigt die Zahl der Betriebsstunden der BHKWs", sagt Morgenstern. Auch die Wärme einer Solarthermieanlage lässt sich für diese Art der Klimatisierung nutzen.

Da das Kühlen mit Wärme anlagentechnisch recht komplex ist, eignet sich das Konzept vor allem für große Immobilien, so der Fraunhofer-Forscher. Zwar sind die Investitionskosten deutlich höher als bei strombetriebenen Kältemaschinen. Dafür sparen die Betreiber bei den Energiekosten. "Das rechnet sich durchaus, etwa in Neubauquartieren mit Nahwärmenetz und BHKW", sagt Morgenstern. Wegen der höheren technischen Komplexität sowie dem Investitionsaufwand werden thermisch betriebene Kältemaschinen im Gebäudebereich bislang jedoch nur selten eingesetzt. Ausgereift ist die Technologie allemal: In der Industrie werden Sorptions-Kältemaschinen schon seit Jahrzehnten eingesetzt.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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