Klimakrise:Stürme, Dürre, Wassermassen

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Hat der Sturm Ziegel herausgerissen, muss der Dachdecker ran. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Der Klimawandel wird zunehmend zum Risiko für Immobilienkäufer. Noch haben das nur wenige Investoren und Banken erkannt. Experten fordern ein Umdenken.

Von Marianne Körber

Abgedeckte Dächer, Schäden an Fassaden, überflutete Keller - der Klimawandel macht auch Hauseigentümern zu schaffen. Dennoch unterschätzen viele die Gefahren, die mit den klimatischen Veränderungen einhergehen. Wer nicht an einem Fluss wohnt, wähnt sich vor Wasserschäden oft sicher, es wird schon alles nicht so schlimm werden, scheinen viele zu denken. Das zeigten auch die Studien zum "Umweltbewusstsein in Deutschland", die alle zwei Jahre im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt werden. 2019 berichtete das UBA, dass nicht einmal ein Viertel der befragten Bürgerinnen und Bürger für ihr Haus oder ihre Wohnung ein reales Schadensrisiko durch Stürme und Hochwasser sieht.

Doch nicht nur Verbraucher unterschätzen die potenziellen Gefahren, auch professionellen Immobilieninvestoren und Banken fehlt es oft noch an Risikobewusstsein, meinen Experten, und zwar in mehrerlei Hinsicht: Wer Immobilien an gefährdeten Standorten baut, muss mit höheren Preisen rechnen. Wer sie finanziert, wird stärker Naturgefahren "einpreisen" müssen. Versicherungsprämien könnten teurer werden und Eigentümer und Mieter belasten. Was die Wirtschaftlichkeit von Immobilienprojekten schmälert und die Renditen senkt. Dieses Szenario findet sich in der Studie "Naturgefahren und Immobilienwerte in Deutschland", die Sven Bienert, Professor an der International Real Estate Business School (IREBS), auf Initiative des Finanzierungsberaters BF.direkt AG, erstellt hat.

Die Immobilienwirtschaft, die für fast 30 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland verantwortlich ist, muss also nicht nur für eine Emissionsreduktion sorgen, sondern auch stärker in die Widerstandsfähigkeit der Gebäude investieren. Der Aufwand könnte in manchen Regionen hoch sein, und die Kosten-Nutzen-Abwägung schwierig. Der Nutzen teurer bautechnischer Vorkehrungen zeige sich unter Umständen erst in ferner Zukunft, so Bienert.

Da auch in Deutschland kein Jahr mehr ohne gefährliche Stürme und Hagelniederschläge vergeht, stellt sich für die Studienautoren - neben Bienert sind das Peter Geiger und Maximilian Spanner - nicht mehr die Frage, ob ein nächstes Extremwetterereignis auftritt, sondern "nur" noch wann, wo und mit welcher Intensität es zuschlägt und welche Schäden zu erwarten sind. Mit möglichen Folgen für Investoren; diese könnten bestimmte Regionen aus dem Anlagefokus streichen. Der fortschreitende Klimawandel könnte sogar das gesamte Geschäftsmodell von Immobilienfirmen infrage stellen und Gebäude und Grundstücke marktuntauglich machen. Fachleute sprechen dann von "gestrandeten Immobilien".

Auch für private Immobilienbesitzer ist es wichtig, den richtigen Standort zu wählen - in einer Region mit vielen Stürmen ist es also wenig sinnvoll, in exponierter Lage auf einem Hügel bauen, oder in Regensburg an von Hochwasser gefährdeten Plätzen an der Donau. Das klingt banal, und doch wird in der Praxis oft anders agiert, wie Bienert schildert. In Regensburg beispielsweise sanken in den von Überflutungen betroffenen Gebieten marktlogisch die Immobilienpreise - aber nicht auf lange Sicht. Einige Zeit später pendelten sich die Preise wieder auf das Vorniveau ein. Schadenfälle würden eher unterbewertet und mit der Zeit sogar vergessen oder ignoriert, erläutert Bienert. Der Markt blende gerne aus, was schon länger zurückliege - und sorge so bei den Beteiligten für eine trügerische Sicherheit.

Natürlich ist die Gefahr, die von Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen ausgeht, nicht überall in Deutschland gleich groß. Im Süden kommt es den Experten zufolge häufiger zu Starkregen, Hagelschlag und starken Schneefällen. Waldbrände und Wasserknappheit infolge von Trockenheit treten überwiegend in den neuen Bundesländern auf, aber auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Hochwassergefahren bestehen entlang der großen Flüsse, und an der Küste könnten eben Sturmfluten große Schäden anrichten.

Alles nicht so schlimm, Immobilien lassen sich schließlich versichern? Das ist nur zum Teil richtig, denn die Versicherbarkeit von Immobilien hat Grenzen. Zum einen, weil manche Unternehmen hoch gefährdete Gebäude gar nicht mehr absichern wollen oder nach massiven Schäden Verträge kündigen, und zum anderen, weil Eigentümer oft auf indirekten Kosten sitzen bleiben, etwa, wenn Schäden erst später auftreten oder den Wert einer Immobilie drücken, eine "unsichtbare" Bedrohung, wie es in der Studie heißt.

Wer nicht erst aus Schaden klug werden will, braucht Informationen über Risiken. Die finden sich in verschiedenen Datenbanken, beispielsweise im kostenlosen Online-Dienst des Bundesinstituts für Bau-. Stadt- und Raumforschung (BBSR) namens "GIS-ImmoRisk-Naturgefahren" (abzurufen unter: www.gisimmorisknaturgefahren.de). Nach der Adresseingabe erhalten Interessierte einen "Standortsteckbrief" mit Ereignissen und Risiken, zum Beispiel für Starkregen bis zum Jahr 2050, für Blitzschläge und Hitze.

Der Klimawandel wird langfristig konkrete Auswirkungen auf alle Immobilien haben, meint Francesco Fedele, Gründer und Vorstand der BF.direkt AG. Viele Gebäude werden künftig nur noch mit Abschlägen handelbar sein, etwa unsanierte Objekte aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren oder Büroimmobilien ohne Kühltechnik, erwartet der Experte. Auch die Finanzierung werde sich in Zukunft stärker daran orientieren, ob und wie sich Kreditnehmer auf die Risiken durch Extremwetterereignisse einstellten. "Wer hier gut aufgestellt ist, wird in Zukunft bessere Finanzierungskonditionen bekommen", sagt Fedele.

Dass bei diesem Thema noch Vieles im Argen liegt, meint auch Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung der IREBS Universität Regensburg. Einer Sonderumfrage von Bundesfinanzaufsicht Bafin und Bundesbank zufolge hätten knapp zwei Drittel der befragten Institute Klimarisiken nicht in die Risikobewertung integriert. Für den Professor ein Unding - Klimarisiken müssten in allen Phasen des Kreditgeschäftes berücksichtigt werden. Denn: "Werthaltigkeit und Stabilität der Sicherheit Immobilie spielen eine zentrale Rolle bei der Finanzierung". Was konkret bedeutet: Welcher Zinssatz verlangt wird, wie Kreditlaufzeit, Tilgung und Beleihungshöhe vereinbart werden hängt künftig auch vom Klima ab. Und das nicht nur bei den Profis in der Immobilienbranche.

© SZ vom 12.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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