Klage gegen Hypo Real Estate:"Nicht entscheidungsreif"

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Bauchlandung vor dem Kadi: Die Klage institutioneller Anleger gegen die Hypo Real Estate ist vorläufig abgeblockt. Die Klageschrift entspreche eher einem Abriss der Finanzkrise als einer Schadensbilanz, so die Richter.

Die Erwartungen an den Prozess waren enorm. Insgesamt 320 Millionen Euro will eine Gruppe institutioneller Anleger von dem inzwischen verstaatlichten Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) erstreiten. Doch jetzt haben sie vor Gericht einen ersten Rückschlag erlitten. Denn das Landgericht München I, das den Fall verhandelt, hat die Schadenersatzforderung zumindest vorläufig abgeblockt.

Die Akten stapeln sich: Die Richter im Schadenersatzprozess gegen die Hypo Real Estate müssen sich durch einen Wust von Beweismaterial kämpfen. (Foto: Foto: dpa)

Das Gericht habe große Probleme mit der Klage, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Ruderisch. Haftbar sei die HRE nur, wenn sie kursrelevante Insider-Informationen nicht rechtzeitig an die Anleger weitergegeben habe. Die Klage, der sich Fonds aus Deutschland, Luxemburg, den USA, Kanada und Saudi-Arabien angeschlossen haben, sei in diesem Punkt nicht genau. "Die Klage ist im Moment nicht entscheidungsreif", sagte Ruderisch.

Der beanstandete Zeitraum von Mitte Juli 2007 bis Mitte Januar 2008, in der die HRE die Anleger über Probleme mit US-Wertpapieren falsch und zu spät informiert haben soll, sei nicht schlüssig, ergänzte der Richter. Er spiegele eher einen Abriss der Finanzkrise wider, die Mitte 2007 begann, mache aber nicht den Schaden für die Anleger deutlich.

Unübersichtlich

Als unübersichtlich bemängelte das Gericht auch die Sammlung der Forderungen von 56 Fonds durch einen Rechtsanwalt als Klägervertreter.

Erst kurzfristig hatten sich 16 weitere Fonds der Sammelklage angeschlossen, weshalb sich die ursprüngliche Forderung in Höhe von 200 Millionen Euro auf 320 Millionen Euro erhöht hatte. Durch den rasanten Absturz der früher im Dax notierten Aktie, so argumentieren die Kläger, sei ihnen ein enormer Schaden entstanden.

Der Richter kritisierte, es sei unklar, wer genau Schadenersatz fordere. Deshalb regte das Gericht an, dass jeder Fonds seine Forderungen einzeln als Klage formuliert. Darüber hinaus stehe für einen Teil der Forderungen die Verjährung im Raum, erklärte das Gericht zu Prozessbeginn.

Insgesamt 50 Klagen anhängig

Der weitere Verlauf des Prozesses war zunächst nicht absehbar; Gericht, Kläger und Vertreter der HRE diskutierten über die Konsequenzen aus den Bedenken des Gerichts über die Klage. Eine endgültige Enscheidung, ob die Anleger mit Schadenersatz rechnen dürfen, fällt frühestens im Herbst.

Insgesamt sind derzeit mehr als 50 Klagen gegen die inzwischen verstaatlichte HRE am Landgericht München anhängig. Einem Anleger hatte das Gericht bereits im Juni etwa 4000 Euro Schadenersatz zugesprochen, dagegen legte die HRE allerdings Revision ein.

Auch in einem weiteren Verfahren vor knapp zwei Wochen sahen die Richter gewisse Erfolgschancen für die Klagen, sofern sie Aktienkäufe zwischen Ende November 2007 und Mitte Januar 2008 betreffen.

In dieser Zeit hat das damalige Management nach Einschätzung der Richter möglicherweise schon von Belastungen durch die US-Finanzkrise gewusst, die Anleger aber erst am 15. Januar 2008 in einer Ad-hoc-Meldung über Abschreibungen in Höhe von 390 Millionen Euro informiert und damit die Aktie auf Talfahrt geschickt.

Was den Zeitraum zwischen Ende November 2007 und Anfang Januar 2008 angeht, könnten nach Auffassung des Gerichts auch bei der jetzt zur Verhandlung gebrachten Sammelklage Ansprüche gegeben sein. Die Richter legten den Parteien daher einen außergerichtlichen Vergleich nahe: Je nach Zeitpunkt der Aktienkäufe könnte die HRE bei einem Kompromiss zehn bis 100 Prozent des entstandenen Schadens zahlen, sagte Ruderisch. Sollte es zu keinem Vergleich kommen, werde das Gericht am 15. Januar entscheiden.

Keine Rückschlüsse möglich

Rückschlüsse auf andere Verfahren lässt das nach Angaben des Gerichts aber nicht zu. Da den Klagen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde lägen, könne eine generelle Aussage zu den einzelnen Verfahren derzeit nicht getroffen werden. In vier Verfahren haben die Anleger ihre Klagen nach Angaben der Hypo Real Estate außerdem selbst zurückgenommen.

Da der Konzern nach der Beinahe-Pleite im vergangenen Jahr inzwischen dem Staat gehört, richten sich die Klagen letztlich gegen den Bund und somit auch die Steuerzahler.

Fast alle Aktionäre haben ihre Anteile an der Hypo Real Estate inzwischen zum Preis von 1,39 Euro an den Bund verkauft, die restlichen Anleger sollen aus dem Unternehmen herausgedrängt werden. Dadurch will der Bund nach Nothilfen von mehr als 100 Milliarden Euro die Sanierung der Hypo Real Estate vorantreiben.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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