IT-Konzerne:Wohnen bei Google

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Immer mehr Internet-Konzerne steigen in die Baubranche ein. Sie planen nicht nur einzelne Häuser, sondern gleich ganze Stadtteile. Und viel Geld haben sie auch.

Von Jochen Bettzieche

Der Baukonzern der Zukunft, er könnte seine Zentrale im Silicon Valley haben. Denn die IT-Branche hat den Sektor für sich entdeckt. Damit bedroht sie die etablierte Wertschöpfungskette der Bauindustrie. Denn die Computerfirmen sind alles, was diese oft nicht ist: schnell und bereit, neue Ansätze zu verfolgen und neue Technologien zu integrieren.

Die Motivation hinter dem Interesse am Bau: Auch die Mitarbeiter von Facebook & Co. brauchen Wohnraum. Und da dieser nicht so schnell entsteht, wie er benötigt wird, nehmen die Unternehmen das Heft in die Hand. So gründete Facebook mit Partnern den Catalyst Housing Fund und stattete ihn zum Start mit 18,5 Millionen Dollar aus. Ziel ist nach Angaben des Konzerns unter anderem, Wege zu finden, wie "die Produktion und der Erhalt bezahlbaren Wohnraums" gesteigert werden kann. Ein ganzer Stadtteil soll in der Nähe des Firmensitzes entstehen.

Schnell und günstig: Neue Häuser sollen aus Modulen zusammengebaut werden

Auch Google baut: 10 000 Wohneinheiten in Toronto. Der Konzern ist noch einen Schritt weiter gegangen als Facebook und entwickelt Bestandteile der Gebäude selbst, insbesondere Smart-Home-Technologie. Firmenmutter Alphabet hat beispielsweise Sidewalk Labs ins Leben gerufen. Dieses Start-up entwickelt vor allem Technologien, die städtische Infrastrukturen und deren Planung verbessern. Dazu gehört die Analyse von Bewegungsdaten der Bevölkerung, die diese mit ihren Mobiltelefonen liefern. Die Daten zeigen nicht nur, wann die Menschen wohin gehen, sondern oft auch, warum sie das tun. In Toronto plant Sidewalk Labs ein ganzes Stadtviertel. Kernstücke sind Vernetzung und Smart Technology. Darum herum werden die Gebäude entwickelt. Die Bauweise soll modular erfolgen.

Dorthin geht der neue Trend - und auch in diesen Bereich der Baubranche sind Vertreter des IT-Sektors eingestiegen. Katerra ist so ein Beispiel. Das Unternehmen wurde 2015 gegründet. Seinen Sitz hat es im kalifornischen Menlo Park, dem Standort von Facebook. Es fertigt Teile eines Gebäudes in Fabriken vor. Das ist günstiger, schneller und laut Hersteller auch zuverlässiger als die traditionelle Herangehensweise. Katerra übernimmt das gesamte Projekt, von der Planung über die Produktion bis hin zum Zusammenbau. Damit zielt das Unternehmen auf mehrere Gruppen von Bauherren: auf die, die nicht mit zahlreichen, voneinander unabhängigen Gewerken zu tun haben wollen. Die, die nicht mit einem Handwerker zu tun haben wollen, der mehrere Subunternehmer beschäftigt und unter Umständen nicht richtig koordiniert. Und die, die nicht mit einem Bauträger zu tun haben wollen, der diverse Handwerksfirmen beauftragt. Das klingt ambitioniert, aber Firmenmitgründer Michael Marks ist optimistisch: "Das ist keine Magie, wir kommen aus dem Silicon Valley und automatisieren Design und andere Aspekte der manchmal antiquierten Baubranche." Mittlerweile arbeiten mehr als 1300 Angestellte für ihn, darunter circa 100 Architekten.

Marks ist kein junger Hipster mit Flausen im Kopf, er hat jahrzehntelange Erfahrung. Unter anderem leitete er schon Flextronics, einen der größten globalen Elektronikkonzerne. Er war kurzzeitig Chef bei Tesla, dem Hersteller von Elektroautos. Den hatte Elon Musk gegründet, der zuvor mit dem Internet-Zahlungsdienst Paypal Erfolge feierte. Dessen Beispiel zeigt, was passiert, wenn sich Internet- und Computerexperten auf eine Branche stürzen. Anfangs belächelt, zwang der Erfolg der Tesla-Modelle die konventionelle Autoindustrie, zügig Elektroautos auf den Markt zu bringen.

Die Grundhaltung der erfolgsverwöhnten Macher aus dem Silicon Valley ist oft: Alles geht. Taucht ein Problem auf, wird es möglichst schnell gelöst. Und so machen sich manche auf, den Mars zu erobern oder Touristen ins All zu schießen. Andere bleiben auf der Erde und fangen an zu bauen.

Auf die Baubranche rollt eine Welle zu. Will sie sich nicht überrollen lassen, muss sie reagieren. Aber viele Branchenvertreter winken ab oder haben noch nichts davon mitbekommen - oder lächeln wie einst die Autobauer. Einer, der das Thema ernst nimmt, ist Markus Hennecke, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau in München. Er fordert mehr Eigeninitiative der Branche: "Wir müssen den Digitalisierungsprozess jetzt in die Hand nehmen, denn sonst werden finanzstarke Großkonzerne wie Google und Facebook die Richtung bestimmen." Er ist überzeugt, dass Konzerne wie Google und Facebook künftig in der Branche mitmischen werden.

Die Unternehmen bringen nicht nur neue Ideen, sondern viel Geld mit

Wie das aussieht, wenn jemand über die IT-Schiene in ein Gewerk einsteigt, zeigt hierzulande die 2012 gegründete Firma Thermondo. Immobilienbesitzer geben hier die Daten ihres Hauses ein und erhalten ein Angebot für eine neue Heizung, ohnen Besichtigungstermin an Ort und Stelle. Algorithmen helfen, auf Basis der Kundendaten ein Angebot zu erstellen. Thermondo verspricht eine zügige Abwicklung. Arbeitete das Unternehmen anfangs noch mit lokalen Partnern, beschäftigt es mittlerweile nach eigenen Angaben bundesweit 150 Handwerker, darunter 30 Meister. Thermondo übernimmt Planung, Installation und Wartung und hilft bei der Finanzierung.

Der Einstieg der IT-Branche bringt nicht nur neue Ideen in den Bausektor, sondern auch viel Geld. So flossen Katerra in einer Finanzierungsrunde Anfang des Jahres 865 Millionen Dollar zu. Größter Geldgeber war der japanische Telekommunikations- und Medienkonzern Softbank. Rechnerisch ergab sich durch die Transaktion für Katerra keine drei Jahre nach der Gründung ein Firmenwert von mehr als drei Milliarden Dollar.

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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