Handelsimmobilien:Riskantes Geschäft

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Handeslimmobilien galten lange als sicherste Anlage. Doch der Online-Handel boomt, Anleger müssen Einzelhandelskonzepte immer genauer prüfen.

Von Ruth Vierbuchen

Kaufhäuser, Shoppingcenter und Fachmärkte stehen weit oben auf den Einkaufszetteln der Immobilieninvestoren. Aber weil der Online-Handel boomt, müssen die Anleger immer genauer hinschauen, ob ein Einzelhandelskonzept auch zukunftsfähig ist.

Allein in diesem Jahr dürften Handelsimmobilien in Deutschland für mehr als zwölf Milliarden Euro den Eigentümer wechseln, schätzt Jan Dirk Poppinga, Co-Leiter Retail Investment bei CBRE in Deutschland. Auch andere Immobiliendienstleister rechnen mit einem ähnlich hohen Umsatz. Fundament der optimistischen Prognosen ist der gute Start im ersten Halbjahr 2017.

Prägend für die Anlagestrategie bleiben die beiden Kernthemen: das knappe Immobilienangebot und die Frage, wie die Online-Konkurrenz den stationären Einzelhandel beeinträchtigen wird. Das Missverhältnis zwischen der Nachfrage nach Top-Objekten (Core Immobilien) und dem Angebot lässt sich an den Spitzenrenditen bei Geschäftshäusern ablesen: Sie liegen in den Top-sechs-Städten Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und Stuttgart nur bei knapp 3,4 Prozent - in München sind es nach den Angaben von CBRE sogar nur noch durchschnittlich 2,9 Prozent. Und auch bei den Shoppingcentern an A-Standorten haben die durchschnittlichen Spitzenrenditen mit vier Prozent laut CBRE das Niveau aus den Boomjahren 2006/2007 bereits unterschritten, Tendenz fallend.

Nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) wächst das Onlinegeschäft weiterhin in hohem Tempo. Der Verband erwartet 2017 ein Plus von 22 Prozent auf 48,8 Milliarden Euro. Das müssen auch die Investoren immer mehr im Blick haben. So sind die Mieten etwa in den Einkaufsstraßen der zehn größten Städte nach Informationen von JLL im ersten Halbjahr 2017 um durchschnittlich 0,9 Prozent gesunken. Vor allem der Textileinzelhandel hält sich mit Flächenexpansion in diesen Lagen inzwischen spürbar zurück. Laut Jörg Krechky, Leiter Retail Investment Germany bei Savills, prüfen Eigentümer und Bieter die Objekte heute stärker mit Blick auf die Frage, ob sich die wachsende Online-Konkurrenz negativ auf die Zukunft der Immobilie auswirken könnte. Da der Online-Handel mit Lebensmitteln in Deutschland bisher nicht einmal ein Prozent des Branchenumsatzes erreicht, richtet sich der Fokus vieler Investoren vermehrt auf Fach- und Nahversorgungszentren sowie auf Lebensmittelmärkte, die im ersten Halbjahr mit einem Investitionsvolumen von 2,9 Milliarden Euro und einem Anteil von 47 Prozent die stärkste Anlageklasse waren.

Nach einer in diesem Frühjahr durchgeführten Expertenbefragung der Hahn-Gruppe aus Bergisch-Gladbach und des EHI-Retail-Instituts in Köln räumen institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen den Fachmarktzentren die größte Sicherheit mit Blick auf die Online-Konkurrenz ein. Denn die Zentren sind meist auf die Nahversorgung ausgerichtet. Zudem liegen hier die Renditen laut CBRE noch bei 5,5 Prozent für Fachmärkte und 5,0 Prozent für Fachmarktzentren.

Große Konzerne wie Edeka und Rewe werten ihre Verkaufsflächen auf. Das zahlt sich aus

Hinzu kommt, dass das Filialnetz aus Lebensmittelmärkten in Deutschland enger geknüpft ist als anderswo, was den stationären Händlern im Wettbewerb mit den Online-Anbietern eine gute Ausgangslage bietet. Außerdem investieren die großen Lebensmittelkonzerne wie Edeka oder Rewe seit Jahren in die Aufwertung ihrer Verkaufsflächen, insbesondere der Supermärkte; der Erfolg dieser Strategie lässt sich an steigenden Umsätzen in der Folgezeit ablesen.

Inzwischen setzen selbst die Discounter Aldi und Lidl auf die Karte "Erlebniskauf". Aus Sicht vieler Experten ist der das beste Gegenmittel gegen den preisaggressiven Internethandel, weshalb sie in das Angebot, die Möblierung und das Ambiente der Märkte viel Geld stecken. Und auch der SB-Warenhausbetreiber Real hat mit seiner neuen Markthalle in Krefeld ein neues Großflächenkonzept entwickelt, das Lebensmittelsortimente und Gastronomie-stände zu einem Marktplatz verknüpft.

Gleichwohl machen sich die großen Lebensmittelanbieter keine Illusionen darüber, dass der Eintritt des Internetkonzerns Amazon mit seinem Lebensmittel-angebot Amazon Fresh Spuren hinterlassen wird. Die Händler investieren deshalb gleichfalls ins Onlinegeschäft. Laut Ralf Lübbing, Geschäftsbereichsleiter Expansion bei der Edeka AG in Hamburg, kann man aber davon ausgehen, dass sie dabei Lehrgeld zahlen müssen. Denn die Zustellung verursacht hohe Kosten. Das zentrale Thema beim Online-Handel mit verderblichen und tiefgekühlten Lebensmitteln ist die "teure letzte Meile". Sie macht nach Angaben von Michael Lierow, Partner des Strategieberaters Oliver Wyman, fast 50 Prozent der Kosten aus.

Und auch Amazon scheint mit dem Lebensmittelgeschäft im Heimatmarkt USA nicht ganz auf der Erfolgsspur zu sein. Jedenfalls zeigt die jüngste Übernahme der stationären US-Lebensmittelkette Whole Foods Market durch Amazon aus Sicht von Eicke Wenzel, Handelsforscher beim Institut für Trend- und Zukunftsforschung (ITZ), dass das Konzept des Internetriesen bei Lebensmitteln bisher nicht funktioniert. In den Staaten kaufen allerdings immer mehr Kunden ihre Lebensmittel online. Doch auch in Amerika bedient das Segment bisher nur eine Nische. Der Anteil des Online-Handels am Lebensmittelumsatz liegt in den USA bei circa 4,3 Prozent.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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