Griechenland-Hilfen:Ein Brief, der Europa bewegt

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Griechenland könnte umschulden - Schäuble will dabei auch die privaten Investoren beteiligen. In Europa kam diese Idee bislang nicht gut an. Frankreich wehrte sich strickt: Sarkozy will seine Banken nicht schrecken. Doch jetzt bewegt sich sogar Trichet von der EZB einige Millimeter in Schäubles Richtung. Aber noch hakt es an vielen Stellen.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Christine Lagarde, französische Finanzministerin mit Ambitionen auf den Chefsessel des Internationalen Währungsfonds (IWF), ließ keinen Zweifel offen. Private Investoren wie Banken und Fondsgesellschaften an den Kosten der Krise in Griechenland zu beteiligen, sei off the table, zu deutsch: vom Tisch.

Schäubles Brief beschleunigt die Debatte, wie mit Griechenlands Schuldenkrise umgegangen werden soll. (Foto: dapd)

Die klaren Worte fielen kurz vor Mitternacht, am 16. Mai, unmittelbar nachdem die Finanzminister der 17 Euro-Länder wieder einmal über Auswege aus der griechischen Krise beraten hatten. Der deutsche Vorschlag, nicht nur Steuerzahler, sondern auch private Investoren für die Kosten der Krise zur Kasse zu bitten, war erneut durchgefallen.

Frankreich zählt zu den schärfsten Gegnern des deutschen Vorschlags. Dass Lagarde dennoch zu den Ressortkollegen gehört, mit denen sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach eigenem Bekunden bestens versteht, liegt wohl daran, dass hinter Lagardes Ablehnung der Auftrag des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy steht, so kurz vor den nächsten Präsidentschaftswahlen keinen Krach mit den französischen Banken anzuzetteln.

Ob sich dieser Auftrag weiter erfüllen lässt, muss bezweifelt werden. Denn inzwischen befindet sich auch Schäuble in einer Art Zwangslage. Ohne die privaten Investoren zur Kasse zu bitten, dürfte es schwer werden, die deutschen Volksvertreter davon zu überzeugen, weitere Kredite für Griechenland zu bewilligen. Weil die Zeit drängt und die Lage ernst ist, hat Schäuble nun einen in ebenfalls sehr klaren Worten gehaltenen Brief an seine Kollegen geschrieben. Wenn es nicht gelingt, die privaten Investoren zur Kasse zu bitten, dann drohe einem Mitglied des elitären Euro-Klubs, nämlich Griechenland, erstmals eine ungeordnete Staatspleite. Voilà!

Überraschend bewegen sich schon am Tag danach bisherige Gegner der deutschen Idee. Der für Wirtschaft und Währung zuständige EU-Kommissar Olli Rehn werde noch an diesem Mittwoch zu Gesprächen in der Sache nach Frankfurt reisen, bestätigt sein Sprecher in Brüssel. Ansonsten gibt er sich wortkarg, wie so viele seiner Kollegen. Was genau besprochen werde? Zwei Szenarien seien in der Diskussion, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Dennoch ist der Schwenk bemerkenswert: Bisher hielt die EU-Kommission nichts davon, private Investoren zur Kasse zu bitten. So wie auch die Europäische Zentralbank (EZB), deren Präsident Jean-Claude Trichet sich allerdings mittlerweile um einige Millimeter auf Schäuble zubewegt .

Es hakt noch überall

Sollte es Schäuble tatsächlich gelingen, seine Ressortkollegen aus den Euro-Ländern und die europäischen Gremien zu überzeugen, sind längst nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt, damit weitere Hilfen gezahlt werden können. Beispielsweise ist völlig unklar, wie die Auszahlung künftiger Kredite abgewickelt wird. Deutschland würde gern den bestehenden Euro-Rettungsfonds EFSF und den Rettungstopf der Europäischen Kommission nutzen sowie den Internationalen Währungsfonds einbeziehen. Das wird nicht möglich sein, weil Großbritannien ein Veto eingelegt hat. Würde der Rettungstopf der EU-Kommission angezapft, in dem noch elf Milliarden Euro sind, wäre auch London mit im Boot der Retter - was die Regierung strikt ablehnt. Ohne diesen Topf ist es wiederum nicht möglich, den Euro-Rettungsfonds zu nutzen. Es hakt also überall. Immerhin: Nun loten die potentiellen Kreditgeber neue Varianten aus.

Nicht sicher ist zudem, ob und unter welchen Konditionen alle 17 Euro-Länder weiterhin Hilfen gewähren. Finnland kündigte bereits schärfere Konditionen an. In den ehemaligen südosteuropäischen Ländern Slowenien, Slowakei und Estland regt sich grundsätzlich Widerstand, das vergleichsweise wohlhabende Griechenland weiter zu unterstützen.

Schließlich ist offen, ab wann Griechenland in der Lage sein wird, seine Schulden wieder ohne fremde Hilfe zu finanzieren. Ein entsprechender Bericht der bisherigen Kreditgeber verzögerte sich mehrmals und wurde erst Mittwochabend veröffentlicht. Die Experten von IWF, EZB und EU-Kommission kommen darin zu dem Ergebnis, dass das Land noch mehr Geld braucht.

© SZ vom 09.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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