Gesundheitspolitik:Und wenn ich nicht mehr weiterweiß, ...

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... dann gründe ich einen Arbeitskreis: Die Länder wollen ihren Einfluss sichern. Demnächst soll es 16 Krankenkassen-Verbände mehr geben.

Guido Bohsem

Die Bundesländer wollen durch den Aufbau neuer Bürokratie wieder mehr in der Gesundheitspolitik mitmischen. Um ihren Einfluss zu sichern, soll es künftig einen neuen Krankenkassen-Verband geben, der in allen 16 Bundesländern tätig ist. Das geht aus einem Antrag für die nächste Gesundheitsministerkonferenz im Juni hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Das von Sachsen und Bremen ausgearbeitete Papier ist bereits auf Fachebene abgestimmt. Im Laufe der Woche soll es von den zuständigen Staatssekretären in den Landesministerien beschlossen werden. Das Bundesgesundheitsministerium sieht das Vorhaben der Länder mit großer Skepsis.

Von wegen Bürokratie: 16 neue Verbänden soll es schon bald geben. (Foto: Foto: ddp)

"Die Kassen werden gesetzlich verpflichtet, einen Spitzenverband Land zu bilden, der als Rechtsperson verantwortlich die Aufgaben der Krankenkassen im jeweiligen Land übernimmt", heißt es in dem Papier. Die Länder orientieren sich dabei offensichtlich an der Konstruktion, die die damalige Ministerin Ulla Schmidt 2007 in der Gesundheitsreform auf Bundesebene durchgesetzt hat.

Schmidt wollte den Einfluss der mächtigen Kassenverbände von Orts-, Betriebs-, Ersatz-, Innungs-, Knappschafts-, See- und Landwirtschaftskassen brechen und entzog ihnen deshalb den Status als Körperschaft. Mit dieser Bestimmung nahm die Ministerin den Kassenfürsten ihre ureigentliche Aufgabe. An die Stelle des alten Klubs sollte ein gemeinsamer Verband treten, der Spitzenverband Bund der Gesetzlichen Krankenkassen. Doch wie so oft waren die Beharrungskräfte im Gesundheitswesen stärker als die Reformkraft der Politik. Zwar wurde der GKV-Spitzenverband gegründet, die Kassen aber hielten zusätzlich an ihren alten Verbänden fest: "Sieben minus sechs sind acht", titelte damals das Handelsblatt.

Trotz vereinzelter Auflösungserscheinungen hat sich an der gedoppelten Struktur der Kassenverbände bis heute nur wenig geändert - und das, obwohl inzwischen immer mehr Kassen fusionieren, die zuvor unterschiedlichen Verbänden angehört haben.

Schleichend ausgehöhlt

Mit dem Vorstoß der Gesundheitsministerkonferenz könnte sich das unerwünschte Ergebnis der Gesundheitsreform der großen Koalition nun auf Landesebene gleich 16-fach wiederholen: Die Kassenverbände würden dann pro Land um einen wachsen. Dies nehmen die Länder offenbar in Kauf, um zu verhindern, dass ihr Einfluss auf die Gesundheitspolitik weiter schwindet.

Weil sich die Zahl der Kassen im Zeitraum von 2002 bis 2010 von 350 auf 170 mehr als halbiert habe, seien die aufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten der Länder schleichend ausgehöhlt worden, heißt es in der Begründung des Antrags. Die mit der Neugründung des GKV-Spitzenverbandes Land einhergehende Rechtsaufsicht, so hoffen die Länder, könnte den Trend stoppen. So sei es den Ländern beispielsweise möglich, deutlich stärkeren Einfluss auf die Vertragsgestaltung zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenkassen zu erlangen, heißt es.

Die Länder wollen das Bundesgesundheitsministerium im Juni auffordern, den Antrag in Gesetzesform zu gießen. Doch in Berlin reagiert man spürbar zurückhaltend auf die Länderinitiative, weil das Gesundheitsministerium einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand befürchtet. "Wir sehen das skeptisch", sagte eine Sprecherin am Montag. Die Einführung eines solches Verbandes werde den Verwaltungsaufwand erhöhen.

Zur Zeit verschlingt die Verwaltungsstruktur der Kassen und ihrer Verbände rund fünf Prozent der Beitragseinnahmen. Das entspricht im laufenden Jahr etwa acht Milliarden Euro.

© SZ vom 04.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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