Gesundheitskosten: Union gegen Rösler:Diagnose: zu lasch

Lesezeit: 3 min

Hart durchgreifen gegen das Preismonopol der Pharma-Lobby: Die Union hält die Vorhaben von Gesundheitsminister Rösler für unzureichend - sie setzt auf schärfere Instrumente.

Guido Bohsem

Die Union hält die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zur Eindämmung der Arzneimittelkosten für unzureichend und will energischer gegen das Preismonopol der Pharmaindustrie vorgehen. Das ergibt sich aus einem Papier der Gesundheitsexperten von CDU und CSU, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin schlagen die Fachleute einschneidende Sofortmaßnahmen vor. So sollen drei Jahre lang die Preise für alle Arzneien eingefroren werden.

Ist ein Medikamente zudem deutlich teurer als im internationalen Vergleich, will die Union den Preis deckeln. Für patentgeschützte Arzneien soll der Zwangsrabatt steigen, den die Industrie den Krankenkassen gewähren muss. Auch längerfristig setzt die Union auf schärfere Instrumente als Rösler. So will sie die Hersteller etwa zwingen, Geld für überteuerte Medikamente zurückzuzahlen.

Mit ihrem Vorstoß drängt die Union auf ein schnelleres, härteres Durchgreifen. Ausgerechnet unter Schwarz-gelb zeichnet sich die einschneidendste Regulierung des Pharmamarktes seit langem ab. Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Medikamente steigen seit Jahren deutlich. Um die Finanzlöcher bei den Kassen einigermaßen unter Kontrolle zu halten, will die Koalition diese Entwicklung stoppen. Nach Schätzungen des Bundesversicherungsamtes droht der GKV 2011 ein Defizit von bis zu 15 Milliarden Euro.

Internationaler Preisvergleich

Der stellvertretende Unionsfraktionschef Johannes Singhammer sagte, Medikamente müssten günstiger werden, ohne dass sich die Versorgung verschlechtere. Dies dürfe allerdings nicht zu Lasten der Arbeitsplätze in der deutschen Pharmaindustrie gehen. Die Union werde kommende Woche mit der FDP über das Konzept beraten. "Unser Ziel ist es, so rasch wie möglich zu Eckpunkten zu kommen", so Singhammer. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, zeigte sich zuversichtlich: "Unsere Vorschläge sind eine gute Basis für die Gespräche mit dem Koalitionspartner." Zwar gebe es an einigen Stellen unterschiedliche Ansätze. Dies werde sich aber ausräumen lassen.

Während der Preisstopp so schnell wie möglich in Kraft gesetzt werden soll, will die Union den Zwangsrabatt auf Arzneimittel erst 2011 erhöhen, und zwar von derzeit sechs auf 16 Prozent. Das entspräche einem Einsparvolumen von 1,1 Milliarden Euro. Zum gleichen Zeitpunkt soll auch der internationale Preisvergleich starten. Wie Rösler will auch die Union zudem der Pharmaindustrie das Recht nehmen, Preise für neu entwickelte Medikamente nach eigenem Gutdünken festlegen zu können. Stattdessen sollen die Firmen mit den Kassen verhandeln. Rösler schweben Verträge mit jedem einzelnen Versicherer vor, die Union dagegen will die Industrie zentral mit dem Spitzenverband der GKV an den Tisch zwingen.

Das Unionskonzept sieht aber auch eine Alternative vor: Will ein Hersteller den Preis weiterhin selbst festsetzen, muss er einer unabhängigen Kosten-Nutzen-Analyse zustimmen. Bestätigt sich der von ihm behauptete Zusatznutzen im Vergleich zu herkömmlichen Präparaten, kann er einen Preis am oberen Ende des Bewertungsrahmens verlangen. Ist der Nutzen dagegen niedriger als angegeben, können die Kassen einen Betrag festlegen, den sie maximal bezahlen wollen. Hat der Hersteller das Medikament zu einem überhöhten Preis verkauft, während die Bewertung noch lief, muss er die Differenz rückwirkend erstatten.

Kassenindividuelle Prämien für Versicherte

Unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern dürfte es bei den Generika geben. Während Rösler zur Preisbestimmung dieser Kopien von Originalpräparaten weiter auf Rabattverhandlungen zwischen Herstellern und Kassen setzt, will die Union die zuletzt sehr erfolgreiche Regelung aufweichen. Zudem will sie an die Preise patentgeschützter Mittel ran, die schon auf dem Markt sind. Ziel sind insbesondere Analog-Präparate, also Medikamente, deren Wirkung von einem bereits eingeführten Konkurrenzprodukt minimal abweicht. Diese sollen schneller einer sogenannten Festbetragsregelung unterworfen werden können als bisher. Dabei gilt für mehrere gleiche Medikamente ein maximaler Preis, den die Kasse zahlt. Besteht der Versicherte auf ein teureres Produkt, muss er die Differenz begleichen.

Um eine vernünftige Kosten-Nutzen-Bewertung zu erreichen, will die Union das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen stärken. Dieses soll künftig besser an Informationen kommen. So will die Union die Hersteller verpflichten, alle Studien aus allen Phasen der Entwicklung eines Medikaments zu veröffentlichen - ein Plan, gegen den sich die Industrie bisher sträubt.

Unterdessen erklärte Minister Rösler, er wolle bei der Reform des Gesundheitswesens auf kassenindividuelle Prämien für Versicherte setzen. "Die Kassen sollen jeweils ihre Prämie festlegen, und der Versicherte kann dann im Wettbewerb Beitrag und Leistung vergleichen", sagte er im Bonner General-Anzeiger. Ziel sei eine "einkommensunabhängige Teilprämie". Als Einstieg in die Gesundheitsprämie will die Koalition Experten zufolge die Zusatzbeiträge weiterentwickeln, die klamme Krankenkassen schon heute von ihren Mitgliedern einfordern können.

© SZ vom 20.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: