Genossenschaften:Klatsch und Kleider

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Junge Frauen in der Waschküche des Berliner Pestalozzi-Fröbel-Hauses. Das Foto entstand um das Jahr 1900. Das PFH gilt als eine der ältesten Ausbildungsstätten Deutschlands für soziale Berufe. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl)

Die Waschküche war früher ein wichtiger Ort. Dort wurden nicht nur Textilien gereinigt, sondern auch Neuigkeiten ausgetauscht. In manchen Mietshäusern ist das noch heute so.

Von Joachim Göres

Die mehr als hundert Jahre Waschküchen-Ordnung ist deutlich. "Vor Benutzung überzeugen, ob Waschkessel, Feuerung, Fensterscheiben usw. unbeschädigt sind. Bemerkte Uebelstände s o f o r t melden." Das acht Punkte umfassende Plakat ist heute im Berliner Waschküchenmuseum im Stadtteil Weißensee zu finden, zusammen mit einem Kohleofen einschließlich Kupferkessel, einer Zinkwanne mit Waschbrett und vielen Informationen, die daran erinnern, dass "die große Wäsche" vor der Verbreitung der Waschmaschine eine kraftraubende Frauenarbeit war. Das Einweichen, Ausspülen, Auswringen und Mangeln konnte bis zu zwei Tage dauern. Im bekannten Kinderlied von Albert Methfessel wird das so auf den Punkt gebracht: "Zeigt her eure Füße/zeigt her eure Schuh/und sehet den fleißigen Waschfrauen zu!/Sie waschen, sie waschen,/sie wasch'n den ganzen Tag."

"In den 50er-Jahren war ich als kleines Kind mit meiner Mutter oft im Waschhaus. Dort trafen sich die Frauen aus der Nachbarschaft, die dort viele Stunden mit der Handwäsche zubrachten. Am Ende wurde die Wäsche dann hier in dem großen geheizten Raum aufgehängt", erzählt Bärbel Kröner. Die Rentnerin freut sich, dass sie das in der Südstadt von Hannover gelegene Waschhaus der Genossenschaft Heimkehr bis heute nutzen kann. Sie hat eine Waschmaschine zu Hause stehen, doch für große Handtücher oder Bettwäsche kommt sie zweimal im Monat ins Waschhaus, weil es hier schneller geht. Kröner hat sich schon vor Wochen ins Waschbuch eingetragen und alle drei Waschmaschinen belegt. Die nasse Wäsche passt danach in einen Trockner, und nach etwa 90 Minuten ist alles fertig.

Der Kontakt zu Nachbarn, der früher wichtig war, spielt dort heute keine große Rolle mehr

"Ich zahle für sechs bis acht Maschinen fünf Euro, das ist günstiger als zu Hause", nennt Kröner einen weiteren Grund für ihren regelmäßigen Waschhausbesuch, während sie die frisch getrocknete Wäsche auf einem der großen Tische zusammenlegt. Der Informationsaustausch mit anderen, der zu Zeiten ihrer Mutter wichtig war, spielt heute keine große Rolle mehr: "In den letzten Jahren kommen weniger Menschen hierher. Wenn mal ein anderer Mieter hier ist, dann unterhält man sich über den Alltag und die Dinge, die gerade aktuell sind." Junge Leute trifft sie hier selten. Das mag auch an den Öffnungszeiten liegen, die für Berufstätige nicht günstig sind - spätestens um 16 Uhr schließt der Hausmeister das Waschhaus in der Woche ab, am Samstag und Sonntag ist es ganz geschlossen.

Einen Kilometer entfernt steht mitten in einem viergeschossigen Wohnviertel mit Klinkerfassade aus den 20er-Jahren ein weiteres Waschhaus der Genossenschaft Heimkehr. Stephanie Özbay wäscht für ihren Vater hier alle 14 Tage. "Er hat sich ausgerechnet, dass sich für ihn eine eigene Maschine nicht lohnt", sagt die 48-Jährige. Sie hat die beiden Waschmaschinen und den Trockner belegt und vertreibt sich die dreistündige Wartezeit mit ihrem Smartphone. "Früher gab es hier vier Waschmaschinen, da traf man eher jemanden und kam so miteinander in Kontakt. Heute gibt man sich nur noch die Klinke in die Hand", sagt Özbay.

"Es sind fast immer dieselben Mieter, die hier waschen. Ärger gibt es nur ganz, ganz selten, zum Beispiel, wenn jemand kurz den Trockner nutzen will, obwohl er sich nicht eingetragen hat", sagt Hausmeister Peter Grönemeyer, der im Waschhaus mit dem unterkühlten Charme - Neonröhren, Steinfußboden, kahle Wände - sein Büro hat. Er lobt die Mieter für ihre Zahlungsmoral: Ein Automat zeigt nach dem Ende der Wäsche den Preis an, der dann von den Nutzern durch das Einwerfen von 20 Cent-Stücken bereitwillig gezahlt wird. "Das läuft hier alles auf Vertrauensbasis." Grönemeyer ist Ansprechpartner, wenn mal etwas nicht so funktioniert wie es sein soll - derzeit ist der Trockner so laut, dass man sich kaum unterhalten kann; ein neuer Trockner steht schon bereit, muss aber noch angeschlossen werden.

"Früher gab es in den Badezimmern keinen Anschluss für Waschmaschinen, außerdem fehlte bei einer Größe von rund neun Quadratmetern oft auch der Platz", sagt Heimkehr-Vorstand Sven Scriba. Nach einem Mieterwechsel werde die Badewanne durch eine Dusche ersetzt, dann passe eine Waschmaschine hinein. Scriba sieht auf Dauer keine Zukunft für die Waschhäuser in seiner Wohnungsgenossenschaft: "Wenn irgendwann alle Bäder in unseren 5000 Wohnungen renoviert sind, ist das Ende der Waschhäuser absehbar. Für uns ist ihr Betrieb ein Zuschussgeschäft."

"Wir wollen damit kein Geld verdienen, sondern sehen das Angebot als Service an."

Holger Lange, Kundendienstleiter bei der Bremer Gewoba, sieht das anders. Einst als "Gemeinnützige Wohnungsbaugemeinschaft der Freien Gewerkschaften für Bremen und Umgegend" gegründet, ist die Gewoba heute mit 42 000 Wohnungen in der Hansestadt das größte Immobilienunternehmen und betreibt für ihre Mieter 34 Waschhäuser. Die werden auch von jungen Leuten genutzt, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen und noch keine Waschmaschine haben.

"Wir wollen damit kein Geld verdienen, sondern sehen das Angebot als Service für unsere Mieter an, weil wir erheblich günstiger als ein Waschsalon sind. Mit der Nutzung der Waschhäuser sind wir zufrieden und werden sie weiter betreiben", versichert Lange.

Inge Kurth freut sich darüber. Seit mehr als 50 Jahren lebt sie in der Neuen Vahr, eine Anfang der 60er-Jahre fertiggestellte Großsiedlung für mehr als 30 000 Bremer, die durch den Roman "Neue Vahr Süd" von Sven Regener und die Verfilmung auch überregional bekannt wurde. Kurth kommt morgens um 7 Uhr ins Gewoba-Waschhaus Neue Vahr Südwest. "Da schlafen die meisten Leute noch, und wenn ich fertig bin, dann liegt der Tag noch vor mir", sagt sie. Bis vor Kurzem hatte sie keine eigene Waschmaschine - nach einer Krankheit ließ sie eine Maschine mit 40 Zentimeter Breite im kleinen Bad aufstellen. "Aber jetzt geht es mir wieder besser. Ich komme wieder gerne ins Waschhaus und nutze die Sieben-Kilo-Maschinen. Zu Hause würde das mit meinem kleinen Waschautomaten viel länger dauern", sagt Kurth.

Sie erinnert sich gerne, wie sie sich früher mit anderen Frauen aus dem Viertel im Waschhaus verabredet hat und man die Wartezeit mit einem gemeinsamen Plausch verbrachte. "Wir treffen uns heute noch zum Kaffeetrinken oder auf dem Weihnachtsmarkt", sagt die Rentnerin. Neue Kontakte im funktional eingerichteten Waschhaus - vier Waschmaschinen, eine Schleuder, zwei Trockner, an der gefliesten Wand parken Waschkörbe auf Rollen - sind dagegen inzwischen seltener geworden. Gegen einen kleinen Schnack hat Kurth dennoch nichts einzuwenden. Ansonsten verbringt sie die knapp zwei Stunden, bis ihre Textilien gewaschen, geschleudert und getrocknet sind, mit ausgiebiger Zeitungslektüre.

"Früher gab es hier auch noch eine Heißmangel, die habe ich sehr geschätzt. Die Hosen meines Mannes hatten messerscharfe Bügelfalten. Leider wurde die alte Maschine nicht erneuert", bedauert Kurth. Einst gab es auch einen Waschmeister, der die Wäsche gewogen hat und bei dem man bezahlte. Heute öffnet Kurth das Waschhaus mit einem Chip, über den die Nutzung aller Geräte abgerechnet wird.

Im Vergleich mit früher hat sich in den Waschhäusern nicht nur beim Waschen vieles verändert, sondern auch der Ton gegenüber den Mietern. In der aktuellen Waschhausordnung der Gewoba heißt es: "Wenn Sie einen Defekt an den Maschinen feststellen, benachrichtigen Sie bitte den Hauswart."

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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