Geldanlage:Die Krise als Chance

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Weltweit sind die Kurse in den Keller gestürzt - doch erste Experten raten schon wieder zum Einstieg.

Markus Zydra

Es gibt eine Frage, die verbietet sich derzeit an der Börse, und die lautet: "Wie geht es weiter mit den Aktienkursen?" Leider, und das macht die Angelegenheit sehr unbefriedigend, wollen alle Investoren genau auf diese Frage eine Antwort haben.

Aktienhändlerinnen in Frankfurt am Main: Wie entwickelt sich der Dax? (Foto: Foto: Reuters)

Aktienstrategen sind normalerweise redselig, mancher wagt auch konkrete Prognosen zur ungewissen Zukunft, doch die Ereignisse der letzten Wochen trafen die Märkte mit solcher Wucht, dass es auch Profis schwerfällt, einen klaren, analytischen Kopf zu behalten. Alle großen US-Investmentbanken sind vom Markt verschwunden, die US-Regierung will 700 Milliarden Dollar zur Rettung des Finanzsystems ausgeben, die Hypo Real Estate aus München muss vor der Pleite gerettet werden, ihr Aktienkurs fällt an einem Tag um 70 Prozent, und die Zentralbanken pumpen global dreistellige Milliardenbeträge ins System, weil keine Bank der anderen mehr etwas leihen mag.

Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung passiert all das über einen Jahrhundertzeitraum - doch es geschah in wenigen Wochen. Da werden auch Aktienexperten demütig. "Eigentlich sind die Preise für Bankaktien schon sehr tief gefallen, doch nun droht eine Wirtschaftskrise, die auch andere Sektoren betrifft. Alles bewegt sich irgendwie", beschreiben Analysten der französischen Exane BNP Paribas mit bewundernswerter Offenheit ihre Unsicherheit.

Gute Qualität für wenig Geld

Aktienkurs-Prognosen basieren auf Gewinnschätzungen der Unternehmen. Doch wie verlässlich sind diese Schätzungen, wenn Banken weltweit über Nacht zum Sanierungsfall werden können? Was sind die Bilanzen der Unternehmen wert? Diese offenen Fragen begründen die aktuelle Unsicherheit an den Börsen. Weil das Vertrauen fehlt, geht der Markt vom Schlimmsten aus. Deshalb fallen die Kurse. Wird das Vertrauen gestärkt durch eine Maßnahme, werden die Kurse steigen, und zwar schnell.

Es mag paradox klingen, doch Investoren können gerade in diesen Zeiten den Grundstein für das spätere Vermögen legen. Historisch haben gerade Phasen großer Depression die besten Einstiegsmöglichkeiten geboten. Ein Aktien-Leitindex wie der Dax kann weiter fallen, doch bald schon werden sich einige Unternehmensaktien abkoppeln und Kursgewinne verbuchen. "In einer Baisse hat man die besten Investmentchancen, wenn der Anleger auf die Qualität und Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells achtet", sagt Christoph Bruns, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Loys. "Gute Qualität gibt es nur in der Krise billig zu kaufen. In einer solchen Phase werden alle Unternehmen in Sippenhaft genommen und verkauft, auch die guten. Das ist die Chance", sagt der frühere Investmentchef der Fondsgesellschaft Union Investment. Er fügt hinzu, dass man niemals die Tiefststände als Einstiegspunkt erwischen werde. "Für interessant halte ich Aktien aus der Industrie, dem Handel und dem Dienstleistungssektor, etwa die Deutsche Post, Henkel und Bechtle."

Die Börsengeschichte zeigt, dass Märkte ihren Abschwung erst dann beenden, wenn es zu einem großen Ausverkauf gekommen ist. Dann, so die Theorie, haben die zittrigen Hände verkauft und die Aktien in starke Hände gegeben. Das sind Akteure, die Zuversicht haben und die Papiere halten. "Wir sind dabei, Panik-Territorium zu erreichen. Die ersten Investoren werfen das Handtuch", sagt Paul Niven, Chefstratege der britischen Fondsgesellschaft F&C. Das gebe Hoffnung auf eine Erholung der Aktienmärkte, so der Experte. "Zumal die Börsen nur noch um wenige Prozent fallen müssen, um Käufer anzulocken, die bereit sind, zu diesem niedrigen Preis das Risiko einzugehen."

Wie geht es also weiter mit den Aktienkursen? Die Krise ist noch nicht ausgestanden. Anleger müssen schwindelfrei sein. Es bleibt unruhig. Die nächste Woche, die nächsten Monate.

© SZ vom 01.10.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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