Forschungsprojekt:Küche ohne Heizung

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Mehr zu bauen ist eine Möglichkeit, gegen Wohnungsknappheit vorzugehen. Mit der Landtagsabgeordneten Natascha Kohnen diskutiert die Kreis-SPD auch über andere Vorschläge. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Wohnungsunternehmen bauen ökologisch und zugleich günstig. Mieter müssen aber auf manche Annehmlichkeit verzichten.

Von Joachim Göres

Steigende Mieten haben vor allem mit immer strengeren Energievorgaben bei Neubauten zu tun - davon sind viele Menschen überzeugt. "Das ist falsch", sagt Christian Noll von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz und verweist auf den Baukostenindex. Danach sind seit 2008 die Grundstückspreise um 50 Prozent und die Arbeitskosten um 24 Prozent gestiegen, während energiesparende Baumaterialien günstiger geworden sind.

Aber wie kann man Wohnungen in großer Zahl so bauen, dass die Miete erschwinglich ist und gleichzeitig der Energieverbrauch sinkt? Dieser Frage geht ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Forschungsprojekt nach. Erste Ergebnisse des Projekts, bei dem Wohnungsgesellschaften in Großstädten versucht haben, die Kosten im Geschosswohnungsbau bei einer ökologischen Bauweise zu reduzieren, wurden jetzt auf einer Tagung in Hannover vorgestellt.

Die Gewobau in Erlangen besitzt 8400 Wohnungen. Bis 2023 soll das kommunale Wohnungsunternehmen weitere 2000 bauen und öffentlich geförderte Wohnungen für rund 5,50 Euro pro Quadratmeter vermieten. Die Gewobau setzt angesichts fehlender Grundstücke auf den Abriss bestehender Bauten und einen höheren Neubau, das Aufstocken von Gebäuden, die Nachverdichtung und die Schaffung von Wohnraum im Umland. Dabei wird der Standard des KfW-Effizienzhauses 55 erreicht, unter anderem durch neue Photovoltaikanlagen und bessere Gebäudedämmung. "20 Prozent der Baukosten kommen durch den Pkw-Stellplatzschlüssel, die Abstandsflächen zwischen den Gebäuden und die öffentliche Ausschreibung zustande. Da haben wir angesetzt", sagt Geschäftsführer Gernot Küchler.

Das geht nicht ohne Konflikte ab. "In einem Neubaugebiet gibt es jetzt zwei Parkhäuser, aber keinen Parkplatz mehr vor der Tür. Dadurch wurden manche Mieter sehr böse. Auch die Nachverdichtung durch einen Neubau zwischen bestehenden Gebäuden war sehr umstritten. Wichtig ist die frühzeitige Mieterbeteiligung, um Akzeptanz für solche Maßnahmen zu schaffen", sagt Küchler.

Keine Tiefgarage, kein Keller, begrenzte Wohnfläche, effiziente Grundrisse, nur zwei unterschiedliche Fenstermaße - so sehen die Maßnahmen zur Kostenreduzierung beim aktuellen Bau von fünf Mehrfamilienhäusern des privaten Wohnungsunternehmens Gundlach in Hannover aus. Durch den Einsatz von Erdwärme, Photovoltaik und Solarenergie wird der KfW-Standard 40 erzielt. "Qualität ist wichtig", sagt Prokurist Franz Josef Gerbens. Die hat ihren Preis: Die Kaltmiete liegt bei 12,50 Euro pro Quadratmeter.

Die Howoge Berlin, ein landeseigenes Wohnungsunternehmen, verzichtet bei ihrem achtgeschossigen Neubau im Stadtteil Lichtenberg auf Keller und Autostellplätze. Zum KfW-Energiestandard 40 plus tragen unter anderem der Fernwärmeanschluss, die Photovoltaikanlage auf dem Dach und die Warmwasseraufbereitung in jeder Wohnung bei. "Dadurch brauchen wir weniger Leitungen im Haus und haben geringere Wärmeverluste", sagt Stefan Schautes, der den Bereich Neubau leitet. Er betont, dass zum Beispiel Lüftungsanlagen weitgehend wartungsfrei sein müssen, um die Kosten dauerhaft niedrig zu halten. Im Howoge-Achtgeschosser sind die Hälfte der 99 Wohnungen öffentlich gefördert, die Miete soll bei 6,50 Euro pro Quadratmeter liegen, die übrigen Wohnungen werden für unter zehn Euro vermietet. "Das Verständnis bei Mietern, Planern und der Bauindustrie für das Thema Nachhaltigkeit fehlt oft", benennt Schautes ein Problem bei dem Ziel, bis 2026 den Wohnungsbestand von derzeit 61 000 auf 75 000 zu erhöhen und dabei ökologische Standards einzuhalten.

Flächenoptimierte Grundrisse, keine unnötigen Gebäudevorsprünge, kein Keller, minimale Flure, Treppenhaus außerhalb der gedämmten Gebäudehülle, ein zentraler Strang für die Haustechnik im Gebäude, keine Heizung in Küche und Abstellraum, durchnummerierte passgenaue Steine und somit kein Baumüll beim Verschnitt und schnellere Bauzeiten - Geschäftsführer Frank Junker von der ABG Frankfurt Holding zählt auf, wie das Wohnungsunternehmen bei bis zu neungeschossigen Neubauten den Passivhausstandard einhält und dabei die Baukosten so begrenzt, dass die Nettokaltmiete zehn Euro pro Quadratmeter nicht übersteigt. Dabei ist der Chef der mehr als 53 000 Wohnungen zählenden kommunalen ABG stets offen für Neuerungen. "Eine Betriebskostenabrechnung ist teurer als eine Flatrate", ist er überzeugt, "wir haben das mit einer Ausnahmegenehmigung des Landes Hessen gemacht."

Betriebskostenabrechnungen sind komplex. Mancher Vermieter bieten daher Flatrates an

Laut Junker sind mittlerweile die nötigen technischen Produkte auf dem Markt, um die Anforderungen des Klimaschutzes zu erfüllen und dabei die langfristige Wirtschaftlichkeit der Gebäude zu sichern. "Wir würden das alles nicht machen, wenn wir damit nicht Geld verdienen könnten. Wir müssen die Klimaziele ernst nehmen und aktiv werden. Leider sind viele Wohnungsunternehmen eher Bremser", sagt Junker.

Tobias Kühn, für das Energiemanagement bei der Bielefelder BGW zuständig, gibt sich skeptischer. Derzeit plant das ostwestfälische Unternehmen 60 barrierefreie Wohneinheiten ohne Keller im Bielefelder Viertel Brockeiche. Für die öffentlich geförderten Wohnungen sollen die Mieter 5,25 Euro je Quadratmeter zahlen, die übrigen sollen 8,25 Euro kosten. "Unser Ziel ist eine geschlossene Bebauung. Da wir aber nur zweieinhalb Geschosse hoch bauen dürfen, ist der Einspareffekt niedriger als bei höheren Gebäuden", sagt Kühn.

Kühn kämpft vor allem mit den stark gestiegenen Baukosten. Eine Außenwand, die Zahl der Anschlüsse reduzieren - diese und weitere Maßnahmen werden vermutlich nicht ausreichen, um das Kostenziel zu erreichen. "Unser Ziel ist der KfW-Standard 55. Ob wir das schaffen, ist noch fraglich", sagt Kühn. Laut Alexander Renner, Referatsleiter beim Bundeswirtschaftsministerium, muss der Energiestandard von Neubauten besser als KfW 55 sein, um die Klimaziele - die Begrenzung der globalen Temperaturerwärmung auf höchstens 1,5 Grad - zu erreichen.

Der Architekt Burkhard Schulze Darup koordiniert das Forschungsvorhaben. Er lenkt den Blick auf die Gebäudetechnik, nach seinen Angaben der entscheidende Faktor für einen geringeren Energieverbrauch. Wichtig sei unter anderem eine Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung, um so Heizwärme zu sparen sowie die Planung der Küche in der Nähe des Schachtes für eine energieeffizientere Warmwasserbereitung.

© SZ vom 01.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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