Forderung von Spitzenbanker Bini Smaghi:Die EZB soll gefälligst Geld drucken

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Der scheidende Spitzenbanker Lorenzo Bini Smaghi provoziert seine deutschen Kollegen mit der Forderung nach einer Lockerung der Geldpolitik. Die Frankfurter Währungshüter wehren sich aber weiter vehement gegen das Anwerfen der Geldpressen.

Markus Zydra

Die Deutschen müssen dem Italiener Lorenzo Bini Smaghi ziemlich auf die Nerven gegangen sein, anders sind die Worte des scheidenden Spitzenbankers im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zu erklären. "Ich verstehe die quasi religiös geführten Diskussionen über die quantitative Lockerung nicht", sagte Bini Smaghi der Financial Times am Freitag in sehr technischen Worten.

Die deutschen Währungshüter um Bundesbankchef Jens Weidmann wehren sich gegen die Forderung des Italieners Bini Smaghi, die Geldpolitik der EZB zu lockern. (Foto: dpa)

Was er meinte war: Die EZB soll gefälligst Geld drucken, wenn sich die Lage an den Finanzmärkten zuspitzt. Genau das will Bundesbankchef und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann aber auf gar keinen Fall. Das will eigentlich überhaupt kein deutscher Notenbanker.

Weidmanns Vorgänger Axel Weber und EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark sind zurückgetreten, weil die EZB mit dem Franzosen Jean-Claude Trichet an der Spitze im Mai 2010 angefangen hat, griechische, portugiesische, irische, italienische und spanische Staatsanleihen aufzukaufen. Für die Deutschen ein Tabubruch.

Am 1. November übernahm der Italiener Mario Draghi die EZB-Präsidentschaft und seither hatte man das Gefühl, dass Draghi sich langsam aus dem Anleihekaufprogramm verabschieden wolle. Stattdessen sollen die Banken aufgepäppelt werden. Am Mittwoch vergab die EZB die Rekordkreditsumme von 489 Milliarden Euro an die europäischen Kreditinstitute.

Doch jetzt bringt Bini Smaghi für den Fall einer Deflation eine deutliche Lockerung der Geldpolitik ins Spiel. Die EZB könne dann ein Programm zum Kauf von Staatsanleihen nach dem Vorbild der US-Notenbank auflegen.

Ich würde keinen Grund sehen, warum solch ein Instrument, das maßgeschneidert ist für die Besonderheiten der Euro-Zone, nicht verwendet werden sollte", sagte der Italiener. Dies wäre angemessen in Ländern, die wegen Liquiditätsengpässen in eine Deflation rutschen könnten, sagte Bini Smaghi, der zum Jahresende aus dem Direktorium der EZB ausscheidet.

Notenbank-Experten rätselten, ob Bini Smaghis Aussagen auf einen Kurswechsel der EZB hindeuten. Denn bisher sträubt sich die Zentralbank der Euro-Zone, wie ihre Pendants in den USA oder Großbritannien, der Wirtschaft durch Anwerfen der Notenpresse zu helfen. Die Frankfurter Währungshüter pochen auf ihr Mandat, das nur die Gewährleistung von stabilen Preisen vorsieht.

Der scheidende EZB-Chefvolkswirt Stark räumte ein, die EZB lerne viel von den Märkten. "Aber dann müssen die Märkte auch mal von uns lernen und gefälligst registrieren, dass die US-Notenbank und die Wall Street nicht das Modell für Europa gewesen sind, sondern Europa seine eigenen Traditionen und Gesetze hat", sagte Stark der Zeitung " Die Welt".

Beobachter der Notenbank reagieren überrascht: "Es ist das erste Mal, dass ich solche Kommentare von der EZB höre", sagte Analyst Christian Schulz von der Beerenberg Bank. Allerdings sei Bini Smaghi Italiener und verlasse schon bald die EZB. "Es gibt andere, die wir stärker beachten sollten", sagte Schulz.

Nick Matthews von der Royal Bank of Scotland sagte, Bini Smaghi habe seine Botschaft sicher gut überlegt und wolle in der Debatte für mehr Gleichgewicht sorgen. Schulz räumte zudem ein, dass die EZB im Falle einer Deflation - also beim Preisverfall auf breiter Front - auf Maßnahmen angewiesen sein könnte, die bisher als Tabu galten.

Vielleicht wollte Bini Smaghi mit seinen provokanten Aussagen auch sein Mütchen kühlen, denn sein Ausscheiden war nicht freiwillig. Eigentlich hätte Bini Smaghi noch bis Mai 2013 im EZB-Direktorium sitzen sollen. Aber er wurde gedrängt aufzuhören, weil mit ihm drei Italiener und nur noch ein Franzose im EZB-Rat vertreten gewesen wären. Nun wird der Italiener Bini Smaghi vom Franzosen Benoit Coeuré ersetzt.

© SZ vom 24.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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