Finanzloch erwartet:Den Krankenkassen fehlen 7,4 Milliarden Euro

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Die Rezession reißt 2010 nach Expertenschätzungen ein Loch von 7,4 Milliarden Euro in die Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherungen.

G. Bohsem

Die wachsende Arbeitslosigkeit, steigende Ausgaben für Medikamente, Ärzte und Krankenhäuser werden 2010 ein milliardenschweres Defizit in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erzeugen. Laut Schätzerkreis fehlen insgesamt 7,4 Milliarden Euro. Die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Krankenkassen, Doris Pfeiffer, rief die künftige Regierung zur Unterstützung der Kassen auf, damit die Versorgung der 70 Millionen Versicherten nicht leide. In Frage kämen ein höherer Steuerzuschuss oder ein höherer einheitlicher Beitragssatz. "Wenn beides nicht passiert, werden zahlreiche Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben müssen", betonte Pfeiffer.

Die Erkenntnisse der Expertenrunde werden auch die Koalitionsgespräche zwischen Union und FDP über die Gesundheitspolitik prägen. Die Liberalen machten den Anfang des Jahres von Union und SPD eingeführten Gesundheitsfonds für das Defizit verantwortlich und forderten erneut seine Abschaffung.

Der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr sprach von einer Erblast der großen Koalition. "Der Fonds hat zu den Milliarden-Schulden beigetragen, deshalb muss die Union auch vorbehaltslos über ihn sprechen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte jedoch zuvor betont, am Fonds festhalten zu wollen.

Die Koalitions-Arbeitsgruppe für das Thema Gesundheit will an diesem Mittwoch zusammenkommen. Bereits am Dienstag trafen sich Experten von CDU und CSU, um eine einheitliche Verhandlungslinie zu finden. Zu den Beratungen stieß auch der Präsident des Bundesversicherungsamtes (BVA), Josef Hecken. Der CDU-Politiker gilt neben Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Anwärter für den Posten des Gesundheitsministers. Hecken wollte die Unterhändler der Union über die Schätzergebnisse unterrichten.

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Der Fonds sammelt die Beiträge und das Steuergeld für die Gesundheit ein und verteilt sie dann nach einem festgelegten Schlüssel an die Kassen. 2010 fließen 11,5 Milliarden aus der Kasse des Bundes an den Fonds. Weil das BVA den Fonds verwaltet, ist Hecken als sein Präsident oberster Aufseher der Geldverteilungsmaschine.

Das milliardenschwere Defizit im Fonds ist vor allem Folge der Rezession. Bereits 2009 werden den Krankenkassen laut Schätzerkreis etwa 2,3 Milliarden Euro fehlen. Für 2010 erwarten sie einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Dadurch gibt es weniger Beitragszahler und der Fonds nimmt weniger Geld ein. Auf der anderen Seite werden die Ausgaben im Gesundheitswesen nach den Erwartungen der Experten weitgehend ungebremst steigen. Weder Union noch FDP wollen den einheitlichen Beitragssatz erhöhen. Er wurde erst im Juli auf 14,9 Prozent des Bruttogehalts gesenkt. Sie befürchten, die zaghafte wirtschaftliche Erholung könnte gefährdet werden.

Stattdessen dürfte es bei vielen Kassen zur Einführung von Zusatzbeiträgen kommen, die allein vom Arbeitnehmer bezahlt werden müssen. Wie viele Versicherer davon betroffen sein werden, ist noch offen. Vertreter der GKV warnen jedoch davor, dass dies auf breiter Front geschehen werde. Dagegen spricht, dass die Kassen die Zusatzbeiträge scheuen, weil sie fürchten, dass Mitglieder abwandern. Außerdem haben sie ein üppiges Finanzpolster von etwa fünf Milliarden Euro aufgebaut.

© SZ vom 07.10.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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