Finanzkrise:Geldmarktfonds unter Druck

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Sie galten als sicher, doch jetzt rutschen auch Geldmarktfonds deutlich ins Minus. Experten warnen jedoch vor Panik.

A. Hagelüken und M. Hesse

Nach der massiven Stützungsaktion für US-Geldmarktfonds fragen sich auch Deutsche, wie sicher ihr Investment in solche Anlagen ist. Weil sie wegen der Schockstarre des Bankensystems Verluste erlitten oder fürchteten, zogen amerikanische Investoren seit August 500 Milliarden Dollar aus den bisher als sicher geltenden Fonds ab, die vorwiegend in kurzfristige festverzinsliche Wertpapiere oder Termingeld investieren. Daher kündigte die US-Regierung an, die Fonds zu stützen, in dem sie ihnen für bis zu 540 Milliarden Dollar Papiere abkauft, die sie nicht loswerden.

Abwärtstrend: Einige Geldmarkt- fonds verzeichnen seit Jahresanfang ein Minus von zehn bis 17 Prozent. (Foto: Foto: Reuters)

Auch deutsche Anleger sind von Verlusten bei Geldmarktfonds betroffen, wie eine Studie des Analysehauses Fondsconsult zeigt, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Danach entwickelten sich seit Jahresanfang 20 Prozent der in Deutschland registrierten Anlagen mit einem Gesamtvolumen von 175 Milliarden Euro ins Minus. Im September waren es 40 Prozent. Manche Fonds, die ihre Rendite etwa durch verbriefte Kredite (ABS-Papiere) steigern wollten, verzeichnen seit Jahresanfang sogar ein Minus von zehn bis 17 Prozent. Das ist für diese oft als sicher angepriesene Anlageform außergewöhnlich viel.

"Angespannte Situation"

Weil dies aber nur eine kleine Zahl der Angebote betrifft, rät Rüdiger Sälzle von Fondsconsult, keineswegs pauschal aus Geldmarktfonds auszusteigen. "Die Anleger sollten nachfragen, in welche Papiere welcher Bonität investiert worden ist". Wenn versucht wurde, durch spekulative Papiere die Rendite hochzutreiben, ist das Verlustrisiko höher hoch. Dieser Zusammenhang gilt eben auch bei Geldmarktfonds, sagt Andreas Beck vom Institut für Vermögensaufbau. Weil die Preise etwa für ABS-Papiere bereits sehr stark gefallen sind, müssen bei den Fonds zu den erlittenen Verlusten aber nicht unbedingt weitere hinzukommen.

Der Bundesverband der Investmentfonds erwartet in Deutschland keine Stützungsaktion nach amerikanischem Vorbild. "Wir hatten schon eine angespannte Situation. Aber dies hat sich durch die Ankündigung der Bundesregierung beruhigt, wenn nötig für eine Liquidität der Geldmarktfonds zu sorgen", sagt Verbandschef Wolfgang Mansfeld.

Keine Anlage ist absolut sicher

Mansfelds Fondsgesellschaft Union Investment hatte Anfang Oktober berichtet, dass Anleger Geld aus den Fonds abziehen. Inzwischen habe sich der Abfluss auf einstellige Millionenbeträge am Tag reduziert, was angesichts eines Gesamtvolumens von fünf Milliarden Euro bei der Union in diesem Segment nicht sehr viel sei. Anleger müssen nicht befürchten, dass ihre Ersparnisse verloren sind, wenn die Bank oder Fondsgesellschaft pleite geht. Geldmarktfonds sind als Sondervermögen geschützt.

Als absolut sicher darf die Anlage wegen der möglichen Kursverluste aber nicht gelten, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wer eine absolut sichere Anlage wolle, müsse in Bundeswertpapiere ohne Kursrisiko investieren.

Die US-Regierung stützt die amerikanischen Geldmarktfonds, weil die hohen Abflüsse erheblich zu den Finanzierungsproblemen der Banken beitragen. Geldmarktfonds halten etwa ein Drittel aller so genannten Commercial Papers, das sind Schuldverschreibungen, über die Banken aber auch Unternehmen sich kurzfristig refinanzieren. Zuletzt liehen die Fonds jedoch immer weniger Geld aus, um Anleger auszahlen zu können.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie der US-Stabilisierungsfonds wirkt - und welche Auswirkungen das für die Sparer hat.

Der neue Stabilisierungsfonds der Regierung, der von der Bank J.P. Morgan verwaltet wird, kann nun den Geldmarktfonds Schuldverschreibungen und ähnliche Wertpapiere mit einer Laufzeit von maximal drei Monaten abkaufen. So sollen die Fonds liquide gehalten und der Geldmarkt wieder in Schwung gebracht werden. Die Fed kauft den Banken außerdem seit zwei Wochen direkt kurzfristige Schuldverschreibungen ab.

Trotz der weltweit ergriffenen Rettungsmaßnahmen für Kreditinstitute hat sich die Lage am Interbankenmarkt bislang offenbar nur leicht entspannt. Die kurzfristige Versorgung mit Geld ist noch immer weitaus teurer, als vor dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers. Außerdem horten die Banken noch immer ihr Geld oder legen es bei der Europäischen Zentralbank an, als es untereinander zu verleihen.

230 Milliarden Euro in Reserve

Angesichts dieser Eingriffe und der staatlichen Rettungspakete in Deutschland, Großbritannien und vielen anderen Ländern, sind die Zinsen am Geldmarkt zwar zuletzt deutlich gefallen. Der in London ermittelte und viel beachtete Zinssatz Libor für dreimonatige Ausleihungen in Dollar liegt bei etwa 3,8 Prozent, so niedrig wie seit Ende September nicht mehr. "Doch nach wie vor fließt fast kein Geld, der Zinssatz ist nur eine Indikation", sagt Philip Gisdakis, Kreditmarktexperte bei Unicredit. Stattdessen parkten Banken ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB).

Auf ihren Reservekonten bei der EZB haben Banken derzeit etwa 230 Milliarden Euro liegen. In normalen Zeiten beträgt diese Liquiditätsreserve nur durchschnittlich 300 Millionen Euro. Gisdakis erklärt sich die Zurückhaltung so: "Es ist wie in einer Beziehung. Wurde das Vertrauen einmal enttäuscht, dauert es lange, bis es wieder hergestellt ist." Erste Anzeichen für eine Entspannung gebe es aber bei ganz kurzfristigen Ausleihungen. "Über Nacht bekommen Banken wieder die Liquidität, die sie brauchen", sagt Gisdakis.

© SZ vom 23.10.2008/ld/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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