Finanzkrise:Ein subkritischer Tag

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Braungebrant und gelassen sitzt Allianz-Chef Michael Diekmann in Bratislava, raucht einen Zigarillo - und erklärt die Finanzkrise.

Thomas Fromm

Das Drehbuch für den großen Auftritt musste in letzter Minute aktualisiert werden. Dabei hatte Michael Diekmann nur in die Slowakei geladen, um vor Journalisten die Strategien seines Konzerns in Osteuropa zu präsentieren.

Ruhig und gelassen: Allianz-Chef Michael Diekmann lässt die Finanzkrise kalt. (Foto: Foto: AP)

Und um nach dem Verkauf der Dresdner Bank und den langen Monaten der Spekulationen über die Zukunft des Konzerns endlich wieder über das sprechen zu können, was ihn vor allem umtreibt: Versicherungen.

Nun aber waren die Dinge anders gekommen. "Alle aus der Branche waren am Wochenende ziemlich aktiv", sagt er. "Und ich weiß, dass Sie heute andere Dinge interessieren." Und, keine Frage, auch er interessiert sich an einem solchen Tag nicht sehr für Kraftfahrzeugpolicen für osteuropäische Kunden.

Nun sitzt er da im verregneten Bratislava, ist wie immer braungebrannt, und wird doch wieder von der Tagesaktualität eingeholt. Die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite, Merrill Lynch übernommen, der strauchelnde US-Versicherungskoloss AIG vor dem Kollaps - die Einschläge rücken näher. Und als Chef des größten deutschen Versicherungskonzerns muss Diekmann die Angst umtreiben, dass die Allianz im großen Dominospiel an den Finanzmärkten selbst fällt.

Aber der Westfale ist ruhig, erstaunlich ruhig. Zwischendurch zieht er gelassen an seinem Zigarillo, den er elegant zwischen Ring- und Mittelfinger jongliert, und lehnt sich zurück. Das maximale Ausfallrisiko für die Allianz durch die Lehman-Pleite beziffert er mit 400 Millionen Euro. 400 Millionen Euro, die der Konzern im Zusammenhang mit Lehman-Aktivitäten investiert hält. Zum Vergleich: Die Münchener Rück teilte am Dienstag mit, mit 350 Millionen Euro vom Lehman-Bankrott betroffen zu sein.

Explosive Wertpapiere

"Subkritisch" nennt der Allianz-Chef seine Risiken aus Übersee. Rhetorisch ist das ein klassischer Diekmann. Was das wohl heißt? "Nichts, was kapitalmarktrelevant wäre", präzisiert der Vorstandsvorsitzende. Immerhin habe der Konzern eigene Kapitalanlagen im Wert von insgesamt 400 Milliarden Euro weltweit in seinem Bestand. Und außerdem, räumt ein Sprecher ein: Wären die Auswirkngen wirklich kritisch, hätte man den Markt ja schon in einer Ad-hoc-Mitteilung darüber informiert. Zudem seien die Anlagen durch den Einlagensicherungfonds geschützt. "Das bedeutet also nicht, dass wir hier 400 Millionen Euro verlieren", macht Diekmann klar.

Auch als die Sprache auf den Branchenriesen AIG kommt, bleibt der Allianz-Chef entspannt. "Ich sehe keine großen Auswirkungen des Falles AIG auf die Allianz", sagt er. Branchenexperten geben ihm da Recht: Explosive Wertpapiere wie die von AIG haben sich deutsche Versicherer wie die Allianz wenn überhaupt nur begrenzt ins Portfolio geholt - dass sich nach den großen Bankenkrisen nun auch Ähnliches bei den Versicherungskonzernen wiederholt, gilt als unwahrscheinlich.

Zwar habe die Allianz "Rückversicherungsbeziehungen" mit der AIG, die seien jedoch abgesichert. Dass die Amerikaner nun gezwungen sein könnten, ihren Konzern zu filettieren und häppchenweise abzustoßen, lässt Diekmann kalt. Eine Übernahme der AIG-Rückversicherungssparte Transatlantic Holdings oder anderer Beteiligungen? "Bisher ist nichts Interessantes für uns dabeigewesen", winkt der Allianz-Chef ab. Sollte sich doch etwas ergeben, würde man sich das anschauen.

Mehrere Arten von Verlierern

Für einen Moment scheint es fast so, als gehörte die Allianz zu den Gewinnern der Finanzmarktkrise. Ganz so ist es natürlich nicht. Während ihr Chef hier in einem Allianz-Versammlungsraum am Stadtrand von Bratislava sitzt und über die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise spricht, stürzt daheim in Deutschland die Konzernaktie ins Bodenlose, verliert zehn Prozent und mehr. Gewinner, das weiß auch Diekmann, gibt es in diesen Tagen keine. Es gibt nur unterschiedliche Arten von Verlierern.

Nicht nur die Allianz-Aktie rauscht am Dienstag weiter nach unten. Noch schlimmer geht es mit der Commerzbank-Aktie bergab, die am Nachmittag über 17 Prozent im Minus liegt. Das wirft knapp zwei Wochen nach dem Verkauf der Dresdner Bank durch die Allianz an die Commerzbank Fragen auf: Der 9,8-Milliarden-Euro-Handel wird teilweise in Commerzbank-Aktien abgewickelt, wobei die Allianz am Ende 30 Prozent an der Commerzbank hält. "Die Dresdner-Bank-Transaktion ist nicht gefährdet", sagt Diekmann. Allerdings stelle sich "der Transaktionswert nun anders dar". Was womöglich bedeutet: Sollten sich die Commerzbank-Aktien nicht bald wieder erholen, könnte das für die Allianz einen geringeren Erlös bedeuteten. Denn als das Geschäft Ende August eingefädelt wurden, kostete die Aktie fast 21 Euro - jetzt sind es weniger als 15.

Als Diekmann den Standort Bratislava vorzeitig verlässt, wirkt er immer noch cool und entspannt. Zumindest äußerlich. Dabei ist an diesem Vormittag klar geworden: Zeit, sich ganz auf Versicherungen zu konzentrieren, hat der Manager wohl noch lange nicht.

© SZ vom 17.09.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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