Finanzen kompakt:Inflation? Egal!

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Die Europäische Zentralbank trotzt der anziehenden Inflation - und belässt den Leitzins auf einem extrem niedrigen Niveau. Außerdem: Führende Wall-Street-Banker plädieren für 100-jährige Staatsanleihen. Das Wichtigste in Kürze.

Der Leitzins im Euro-Raum bleibt auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bei seiner Sitzung. Die Zentralbank setzt damit ihre Politik des billigen Geldes fort. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Banken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld verharrt seit Mai 2009 auf dem Rekord-Niedrigniveau.

Die EZB belässt den Leitzins bei 1,0 Prozent. (Foto: dpa)

Volkswirte und Analysten rechnen wegen der anziehenden Inflation jedoch inzwischen früher als bisher mit einer Zinserhöhung in diesem Jahr. Dazu trug auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet mit besorgten Äußerungen über die jüngsten Teuerungsraten bei. Aktuell beträgt die Inflation im Euro-Raum 2,4 Prozent, die EZB sieht mittelfristig stabile Preise bei Raten von knapp unter 2,0 Prozent gewahrt.

Höhere Zinsen würden allerdings Kredite verteuern und könnten daher Gift für die Erholung der Konjunktur sein. Das könnte die Bemühungen hoch verschuldeter Staaten wie Irland, Griechenland und Portugal zur Sanierung ihrer Haushalte zusätzlich erschweren, weil deren Wirtschaftsentwicklung durch öffentliche Sparmaßnahmen bereits schwer unter Druck steht.

Führende Wall-Street-Banken haben sich für US-Staatsanleihen mit Laufzeiten von bis zu 100 Jahren ausgesprochen. Vor allem Versicherer und Rentenfonds zeigten großes Interesse an Bonds mit extralangen Laufzeiten, wie aus dem Sitzungsprotokoll eines Treffen von Regierungs- und Branchenvertretern hervorgeht.

Staatsanleihen für die Urenkel: Führende Wall-Street-Banker plädieren für 100-jährige Staatsanleihen. (Foto: dpa)

Als denkbar wurden demnach Staatsanleihen mit Laufzeiten von 40 bis 100 Jahren vorgeschlagen. Das Treffen fand bereits am Dienstag statt. Eine Staatssekretärin des Finanzministeriums äußerte am Mittwoch jedoch Zweifel an dem Vorschlag der Banker.

Sie glaube nicht, dass Staatsanleihen mit extralangen Laufzeiten Vorteile brächten, sagte Mary Miller. Auf der Suche nach neuen Wegen des Schuldenabbaus treffen sich Vertreter des Finanzministeriums einmal im Quartal mit Managern führender US-Banken, darunter JPMorgan Chase und Goldman Sachs.

Die Deutsche Bank hält trotz eines Gewinneinbruchs 2010 an ihren Rekordzielen für dieses Jahr fest. Vorstandschef Josef Ackermann setzt dabei vor allem auf das Kapitalmarktgeschäft, das auch im vergangenen Jahr gegen den Branchentrend wuchs und den größten Anteil zum Gewinn beisteuerte. Insgesamt peilt der Schweizer 2011 ohne Sonderfaktoren ein Ergebnis von zehn Milliarden Euro vor Steuern an.

"Trotz verbleibender Risiken und Unwägbarkeiten hinsichtlich des wirtschaftlichen Umfelds sind wir zuversichtlich, dass wir dies schaffen werden", sagte Ackermann. Er sprach von ehrgeizigen Zielen.

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten trauen dem größten deutschen Institut bislang angesichts schärferer Regulierung nur 8,6 Milliarden Euro zu. Im vergangenen Jahr sank der Gewinn vor Steuern auf vier Milliarden Euro von 5,2 Milliarden Euro ein Jahr zuvor. Der Überschuss brach auf 2,3 Milliarden Euro von 5,0 Milliarden Euro ein. Hauptgrund waren Abschreibungen von 2,3 Milliarden Euro wegen der Postbank-Übernahme. Speziell im vierten Quartal schlugen zudem Belastungen für den Umbau der auf reiche Privatkunden spezialisierten Tochter Sal. Oppenheim negativ zu Buche. Diese summierten sich auf 400 Millionen Euro.

"Das Jahr 2010 war für die Dutsche Bank ein Jahr des Wandels", sagte Ackermann. Mit einer Eigenkapitalrendite von knapp 15 Prozent vor Steuern ist er von seinem umstrittenen Ziel von 25 Prozent derzeit weit entfernt. Die Dividende hält die Bank konstant bei 75 Cent, Analysten hatten etwas mehr erwartet.

Im Streit um die Lehren aus der Schuldenkrise hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle andere EU-Länder dazu aufgerufen, ihr Renteneintrittsalter zu erhöhen. "Die Bundesregierung möchte, dass auch andere Länder angehalten werden, ihre Hausaufgaben zum Beispiel bei der Reform ihrer sozialen Sicherungssysteme zu erledigen", sagte Westerwelle der Passauer Neuen Presse. "Es kann doch nicht sein, dass wir Deutsche mit 67 in Rente gehen müssen, andere Länder in Europa aber bei einem Renteneintrittsalter von 59 oder 60 Jahren bleiben wollen."

Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit in Europa habe außerdem zum Ziel, dass Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur künftig Vorrang hätten vor konsumtiven Ausgaben. Westerwelle bekräftigte die ablehnende Haltung der FDP zu einer Ausweitung des Euro-Rettungsschirms.

Zugleich trat der FDP-Vorsitzende dem Eindruck entgegen, dass die Liberalen vor den sieben Landtagswahlen mit europa-kritischen Parolen auf Stimmenfang gingen. "Wir sind eine Partei des europäischen Patriotismus. Zu Europa gehört Solidarität, aber auch ein ordnungspolitischer Kompass", sagte Westerwelle. Die Schuldenkrise könne nicht mit immer neuen Schulden bekämpft werden, sondern nur mit strukturellen Reformen. Die Finanzen der EU-Mitgliedstaaten müssten in Ordnung gebracht werden.

Die Gewalt in Ägypten hat die Ölpreise am Donnerstag weiter in die Höhe getrieben. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Auslieferung im März kostete am Morgen 103,24 US-Dollar.

Das waren 90 Cent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) legte am Morgen um 62 Cent auf 91,48 Dollar zu.

Das nordafrikanische Land ist zwar kein wichtiger Ölproduzent, es kontrolliert aber den Suezkanal, über den ein großer Teil der regionalen Ölproduktion transportiert wird. Zudem wird befürchtet, dass die Unruhen auf weitere Staaten in Afrika und im Mittleren Osten übergreifen könnte.

Den Investor und Münchener-Rück-Hauptaktionär Warren Buffett wird es freuen: Der weltgrößte Rückversicherungskonzern hat sein Gewinnziel für das vergangene Jahr erreicht und hebt die Dividende erneut kräftig an. Der Überschuss sei 2010 angesichts hoher Belastungen durch Naturkatastrophen allerdings leicht auf 2,43 Milliarden Euro gefallen, teilte die Münchener Rück mit. Ein um 700 Millionen auf 8,6 Milliarden Euro gestiegenes Kapitalanlageergebnis stabilisierte die Lage.

Buffett ist mit mehr als zehn Prozent größter Aktionär des Dax-Konzerns. Je Anteilsschein sollen er und die Miteigentümer nun eine Dividende von 6,25 Euro bekommen - 50 Cent mehr als zuletzt.

Außerdem will das Management den Aktienrückkauf fortsetzen. In das laufende Programm haben die Münchner bisher rund 752 Millionen Euro investiert, bis Mitte April soll es eine Milliarde werden. Bis zur Hauptversammlung 2012 sollen dann noch einmal 500 Millionen Euro in eigene Aktien gesteckt werden. Solche Maßnahmen stabilisieren in der Regel den Kurs und kommen bei Aktionären gut an. Mit ihrem Gewinn lag die Münchener Rück leicht unter den Analystenschätzungen.

Der weltgrößte Kreditkartenanbieter Visa profitiert vom Anziehen der Verbraucherausgaben. Im ersten Geschäftsquartal verbuchte der Rivale von American Express nach Angaben vom Mittwochabend einen Gewinnanstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 16 Prozent auf 884 Millionen Dollar.

Das Ergebnis pro Aktie erhöhte sich auf 1,23 Dollar nach zuvor 1,02 Dollar. Analysten hatten mit einem Plus von 1,21 Dollar gerechnet. Die Visa-Aktie verlor im nachbörslichen Handel dennoch 1,4 Prozent.

Deutschland und vier weitere EU-Länder können den Emissionshandel am Freitag wieder voll aufnehmen, der nach Hackerangriffen vorsorglich europaweit eingeschränkt worden war. Die fünf Länder hätten klargemacht, dass ihre Computersysteme die Sicherheitsstandards erfüllen, erklärte die Europäische Kommission in Brüssel. Neben Deutschland sind dies Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und die Slowakei.

Von den übrigen Staaten erwartet die Kommission noch Nachweise der Systemsicherheit. Der Handel war vor zwei Wochen nach Bekanntwerden mehrerer Hackerangriffe ausgesetzt worden. Kriminelle hatten nach Schätzung der Kommission Emissionszertifikate im Wert von 28 Millionen Euro gestohlen. Betroffen von der daraufhin angeordneten Aussetzung war Brüssel zufolge aber nur der sogenannte Spotmarkt, der weniger als ein Fünftel der Markt-Aktivitäten ausmacht. Der Emissionshandel ist ein Vorzeigeprojekt für den Klimaschutz. Die beteiligten Unternehmen erhalten Verschmutzungsrechte in Form von Zertifikaten, die ihnen den Ausstoß bestimmter Mengen des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids (CO2) erlauben.

Die Gesamtmenge der Zertifikate wird nach und nach verringert, damit die Unternehmen umweltfreundlicher produzieren. Stößt ein Unternehmen weniger CO2 aus als ihm die Zahl seiner Zertifikate erlaubt, kann es die freiwerdenden Scheine verkaufen. Käufer sind zum Beispiel Firmen, die ihre Kapazitäten erhöhen und darum mehr Gas ausstoßen.

Das Auslaufen der Kurzarbeit nach der Wirtschaftskrise füllt bei den Arbeitnehmern die Taschen. Die Reallöhne vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer legten 2010 verglichen zum Vorjahr um 1,4 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. "Wichtigster Grund für diesen Zuwachs sind die steigenden Arbeitszeiten, weil die Kurzarbeit kaum noch eine Rolle spielt", sagte ein Statistiker. 2009 waren die Reallöhne noch um 0,4 Prozent zurückgegangen, davor um 0,4 Prozent gestiegen. Allerdings wird die Datenreihe erst seit 2007 erhoben, ein langfristiger Vergleich ist daher kaum möglich.

Um Entlassungen zu vermeiden, hatten zahlreiche Firmen in der Wirtschaftskrise ihre Belegschaften auf Kurzarbeit geschickt. Die Arbeitnehmer erhielten zum Ausgleich staatliches Kurzarbeitergeld, das jedoch als Transferzahlung von den Statistikern nicht bei den Bruttoverdiensten erfasst wird. Damit schlägt sich die nun wieder längere Arbeitszeit voll auf die Verdienste durch. Die Nominallöhne legten um 2,6 Prozent zu, im Schnitt verdiente ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer 42.535 Euro pro Jahr. Zugute kam den Beschäftigten die vergleichsweise geringe Teuerung: Die Verbraucherpreise stiegen lediglich um 1,1 Prozent.

Allerdings konnten sich nicht alle Branchen über reale Einkommenszuwächse freuen. In den Bereichen Erziehung und Unterricht, in der öffentlichen Verwaltung sowie bei Energieversorgern reichte der Lohnanstieg nicht aus, um die höheren Lebenshaltungskosten auszugleichen. Im Verarbeitenden Gewerbe sowie bei Banken und Versicherungen stiegen die Gehälter dagegen kräftig um mehr als vier Prozent.

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