Finanzbranche:Boni auf Biegen und Brechen

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Trotz hoher Verluste und staatlicher Hilfe in Milliardenhöhe fordern viele Finanzmanager millionenschwere Prämien.

T. Fromm, A. Hagelüken und M. Hesse

Die Geschichte beginnt im Sommer 2008. Für die Investmentbanker von Dresdner Kleinwort ist es ein besonders heißer Sommer. Die Finanzkrise eskaliert von Tag zu Tag, und die Verkaufsspekulationen um die Allianz-Tochter Dresdner Bank erreichen ihren Höhepunkt. Kein optimales Klima für einen Investmentbanker, und wer kann, sieht sich nach einem neuen Job um. Für den Münchner Versicherungskonzern und seine Tochter Dresdner eine brisante Phase: Die wichtigsten Köpfe bei Kleinwort drohten damals von Bord zu gehen, noch bevor man die Bank und ihre Investmentbanking-Sparte überhaupt verkauft hatte.

Demonstranten vor der Schweiter Bank UBS - dort wurden 1,43 Millarden Euro für Boni ausgegeben. (Foto: Foto: dpa)

Prämie fürs Nicht-Weglaufen

Der Konzern versuchte es mit süßen Versprechungen: Wie Allianz-Finanzvorstand Helmut Perlet im November 2008 einräumte, war mit den Investmentbankern im Sommer ein Bonuspool in Höhe von 400 Millionen Euro vereinbart worden. Rund ein Drittel davon, hieß es damals, seien sogenannte Halteprovisionen gewesen. Eine Art Prämie also für's Nicht-Weglaufen. Der Großteil des Topfes aber wurde für erfolgsabhängige Zahlungen bereitgestellt. Ein Erfolg freilich, den es nie gegeben hatte. Denn gerade die Investmentbanker waren es, die die Dresdner Bank mit ihren Ergebnissen an den Abgrund getrieben hatten.

Millionenversprechen trotz Finanzkrise und einbrechender Geschäfte - aus heutiger Sicht mutet das skurril an. Tatsächlich aber, so heißt es heute aus Allianz-Kreisen, sei es damals vor allem auch darum gegangen, "den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten". Es funktionierte. Wochen später hatte die Hängepartie ein Ende, die erfolglose Banktochter wurde mitsamt ihren Mitarbeitern an die Commerzbank verkauft, Mission erfüllt. Zumindest für die Allianz.

In Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung

Mehr als ein halbes Jahr später steht den neuen Eigentümern der Dresdner selbst das Wasser bis zum Hals. Und Martin Blessing - in Personalunion Vorstandschef der Commerzbank und der Dresdner Bank - möchte die zugesagten Boni gerne kürzen. Offenbar bietet die noch von der Allianz getroffene Regelung dafür Spielraum. Nach Angaben aus Bankenkreisen enthält sie eine Klausel, dass die 400 Millionen Euro in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung gezahlt werden.

Doch trotz Finanzkrise und staatlichem Milliarden-Rettungspaket für die Commerzbank drohen einzelne Investmentbanker nun mit Klagen, sollten ihre Bonusansprüche nicht erfüllt werden. Noch ist Finanzkreisen zufolge nichts entschieden, demnach gebe es auch keine Grundlage für Klagen.

Erst kassieren, dann gehen?

Commerzbank-Finanzvorstand Eric Strutz hatte vor kurzem erklärt, es werde wahrscheinlich auf geringere Boni als die zugesagten 400 Millionen Euro hinauslaufen. Strutz dürfte seine Gründe haben. Im Umfeld der Commerzbank rechnet man damit, dass viele Investmentbanker der Bank den Rücken kehren, sobald sie ihre Boni für 2008 in der Tasche haben.

Bei Commerzbank und Dresdner Bank birgt der Streit um die Boni ohnehin viel Sprengstoff. Schon vor dem Verkauf an die Commerzbank grollten Mitarbeiter im Privat- und Firmenkundengeschäft der Dresdner darüber, dass zumindest ein Teil der Investmentbanker deutlich mehr verdient, obwohl gerade dieser Bereich Verluste anhäufte. Einzelne Investmentbanker verdienten mehr als Bankchef Herbert Walter, der 2007 immerhin 1,8 Millionen Euro kassierte. Durch den Zusammenschluss mit der Commerzbank kommt nun eine weitere Gruppe von Mitarbeitern hinzu, die sich wiederum in einem anderen Gehaltsgefüge bewegen. Eine Spreizung der Gehälter, die für Banken typisch ist. Und weitaus stärker ausfällt als in den meisten anderen Branchen.

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Laut Tarifvertrag verdienen Berufsanfänger der niedrigsten Gehaltsstufe 1854 Euro im Monat, in der höchsten von neun Gehaltsstufen liegt das Grundgehalt bei 4093 Euro. Hinzu kommen über Betriebsvereinbarungen weitere ein bis vier Monatsgehälter. Im Krisenjahr 2008 haben aber Institute wie etwa die Hypo-Vereinsbank diese erfolgsabhängigen Zahlungen ganz gestrichen.

Im Investmentbanking werden Mitarbeiter jedoch häufig noch deutlich höher bezahlt, sie handeln ihre Boni meist individuell aus und werden zum Teil in Aktien bezahlt. Im Wertpapierhandel etwa verdienten Frankfurter Banker in guten Jahren inklusive Boni im Durchschnitt etwa 450.000 Euro. Mittlerweile sind die Zahlungen nach Angaben von Personalberatern um etwa ein Drittel gefallen.

Laut Oliver Popp, Sprecher des Deutschen Bankangestellten-Verbandes, wird nur ein kleiner Teil aller Beschäftigten überhaupt leistungs- und erfolgsabhängig bezahlt. In Bereichen wie Verwaltung und Informationstechnologie sei das gar nicht möglich. Generell gilt, dass die Erfolgskomponente einen umso höheren Anteil am Gehalt ausmacht, je höher ein Mitarbeiter in der Hierarchie steht.

Selbstbewusst in der Krise

Zwar ändert sich die Bonus-Kultur im Zuge der Krise, doch für 2008 schütten selbst verlustreiche Banken noch beachtliche Summen aus. Die Schweizer UBS zahlte trotz eines Jahresverlustes von 13 Milliarden Euro Boni in Höhe von 1,43 Milliarden Euro. Das waren 78 Prozent weniger als im Vorjahr.

Die Deutsche Bank macht keine Angaben zu Boni. Sie verweist nur darauf, dass im Investmentbanking die Personalausgaben von 6,93 auf 3,86 Milliarden Euro gesunken seien. Ein Großteil dieser Kosten dürfte durch Bonuszahlungen zustande kommen. Trotz der schwersten Finanzkrise seit 80 Jahren beharren viele Banker auf ihre Boni. Der Vorstand einer deutschen Bank wundert sich über die Begehrlichkeiten der Mitarbeiter. "Einige Leute glauben, sie haben den Bonus gepachtet." In Gesprächen träten die Beschäftigten mit großem Selbstbewusstsein und großem Anspruchsdenken auf.

Imageproblem in der Öffentlichkeit

Dabei müsse sich die zusätzlichen Bezahlungen daran orientieren, wie gut das Geschäft des Hauses tatsächlich laufe. In den Bankenetagen weiß man: Wer trotz Krise und Staatshilfen teure Boni zahlt, bekommt ein Imageproblem in der Öffentlichkeit. Bei den angeschlagenen Landesbanken können sich Banker zusätzliche Vergütungen bereits in den meisten Fällen abschminken.

Bei der HSH Nordbank etwa gibt es für das vergangenen Geschäftsjahr überhaupt keinen Bonus mehr. Bei der Bayerischen Landesbank verzichtet der gesamte Vorstand auf seine üppigen Bonuszahlungen. Über Boni für die Mitarbeiter muss noch entschieden werden. Allerdings sei, so ein Manager des Unternehmers, "die Hoffnung nicht sehr groß", dass es noch Geld gebe.

© SZ vom 11.02.2009/iko/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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