Ex-Finanzminister Steinbrück in der Schweiz:Von Indianern umzingelt

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Er liebt die Provokation, jetzt aber ließ er sich selbst provozieren. Freiwillig. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück reiste in die Schweiz - das Land, das er einst gegen sich aufbrachte.

Oliver Bilger

Es dauert nur Sekunden, dann ist der alte Streit wieder da. Wie sich Peer Steinbrück denn fühle, will Frank Meyer vom ehemaligen Finanzminister wissen. Jetzt, da Steinbrück von Indianern umzingelt sei. Aus Berlin ist Steinbrück nach Zürich gekommen, ins Volkshaus, um mit dem Schweizer Publizisten Meyer über sein Buch zu sprechen. Das ist hier bei den Eidgenossen heikler als in Erfurt, Stuttgart oder Ravensburg, wo er mit "Unterm Strich" - so der Titel des Buches - schon zu Gast war. Denn das Verhältnis zwischen Steinbrück und den Schweizern ist seit dem Frühjahr 2009 nicht gerade das beste. Steinbrück kritisierte damals den Umgang der Schweiz mit Steuerflüchtlingen und drohte dabei mit der "7. Kavallerie im Fort Yuma", die notfalls gegen die Indianer ausreiten müsse.

Peer Steinbrück hat in seiner Zeit als deutscher Finanzminister die Schweiz kräftig provoziert. Jetzt war er da. (Foto: Stephan Rumpf)

Schweizer Medien und Politiker reagierten wütend, machten Nazi-Vergleiche. Vom "Herrenmenschen" und vom "hässlichen Deutschen" war die Rede. Steinbrück sei einer der "meistgehassten Menschen in der Schweiz". Im Buch hat Steinbrück dem Thema nur wenige Zeilen gewidmet. Seine Attacken "mögen einer überschäumenden Freude an Bildern" entsprungen sein, "diplomatischen Gepflogenheiten entsprachen sie sicher nicht."

"Ans Lagerfeuer gekommen"

Steinbrück wird bewusst gewesen sein, dass er in der Schweiz um dieses Thema nicht herumkommt, auch wenn es schon lange zurückliegt. Er ist nicht mehr Finanzminister, sein Nachfolger hat vor kurzem ein neues Steuerabkommen mit der Schweiz unterzeichnet. Vor mehr als einem Jahr gab es zudem ein Versöhnungstreffen mit dem Schweizer Bundespräsidenten. Es könnte also längst Gras über die Sache gewachsen sein. Aber es ist der erste Auftritt Steinbrücks dort seit der Attacke, und einige nehmen ihm das noch immer übel.

Etwa hundert Zuhörer sind am Donnerstagabend in die Stauffacherstraße 60 gekommen, in den "Weißen Saal" des Volkshauses; Schweizer, und wie man hört auch viele Deutsche. Überwiegend sind es Männer mit graumeliertem Haar. Sie alle wirken ein bisschen verloren in dem zu großem Theatersaal, der den Charme eine Schulaula versprüht. Hinter der Bühne hängt ein schwerer schwarzer Vorhang, davor sitzen Steinbrück und Meyer in tiefen Lehnsesseln.

Steinbrück ist gut aufgelegt. Anspielungen auf seine Worte von damals pariert er in den folgenden anderthalb Stunden gekonnt, kokettiert mit dem Indianer-Streit, einmal will er sogar die Kavallerie aus der Schweiz nach Deutschland reiten lassen. Das Publikum lacht laut, Steinbrück lächelt entspannt. Moderator Meyer hat nicht vor, seinen Gast lange mit dem alten Streit zu bedrängen. Nach der einleitenden Frage an den "Kavalleristen" schwenkt er um auf die Finanzkrise, den Euro-Streit, den Zustand der SPD und die von Steinbrück favorisierte Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte, mit der sich, so der Ex-Minister, die Folgekosten der Krise bewältigen ließen.

Ganz so bequem hatte es Markus Gilli Steinbrück vor seinem Auftritt im Volkshaus nicht gemacht. Der Moderator des Lokalsenders Tele Züri stichelte, Steinbrück habe das Kavalleriepferd vor dem Studio angebunden "und ist ans Lagerfeuer gekommen". Das Verhältnis zwischen Steinbrück und der Schweiz, so Gilli bei der Begrüßung, sei kaum als Liebesbeziehung zu bezeichnen.

Steinbrück erwidert, was er noch häufiger erklären wird und was er auch im Buch schreibt: Er versteht, dass er die Schweizer hart angegangen ist, aber grundsätzlich steht er zu seiner Aussage und will nichts davon zurücknehmen. Grund für die große Empörung sei auch das schlechte Gewissen, das die Schweizer gehabt hätten, wegen der "Mithilfe beim kriminellen Vorgang der Steuerhinterziehung und des Steuerbetrugs". Manche Reaktionen gegen ihn, so der Nazi-Vergleich, hätten ihn letztlich genauso getroffen.

Im Volkshaus gibt sich ein Herr mit lichtem Haar am Ende versöhnlich. Der ganze Ärger sei doch damals von den "Nationalisten" ausgegangen, "das Thema ist für uns gegessen". Er ist Sozialdemokrat. Steinbrück sagt, der Streit sei für ihn "Vergangenheit". Nur ein Kaktus erinnere ihn noch an die Auseinandersetzung, eine Schweizer Zeitung hat ihm die Pflanze damals geschenkt. "Den Kaktus pflege ich bis heute", sagt Steinbrück.

© SZ vom 11.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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