Europäischer Währungsfonds:Die Regeln für den Tag X

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Wolfgang Schäuble pocht auf die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds und torpediert die Linie von Kanzlerin Merkel. Maroden Staaten diktiert der Minister schon mal die Bedingungen.

Einfach mal nachlegen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat seine Pläne für eine Art Europäischen Währungsfonds (EWF) zur Stützung hochverschuldeter Euroländer konkretisiert - obwohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nichts von einem eigenen Fonds hält.

Um die Gefahr von Zahlungsausfällen einzudämmen, könne ein solcher Fonds Notliquiditätshilfen gewähren, schreibt Schäuble in einem Gastbeitrag für die Financial Times Deutschland ( FTD). Derartige Hilfen sollten aber auf "unvermeidbare Notfälle" begrenzt werden, die eine Gefahr für die Finanzstabilität des gesamten Euroraumes darstellten. Deshalb dürften sie nur unter strikten Auflagen zugelassen werden.

"Die politische Entscheidung über Hilfen sollte in der Eurogruppe im Einvernehmen mit der EZB erfolgen", schreibt Schäuble weiter. Und: Nothilfen könnten auch zwingend an verschärfte Sanktionen im Rahmen des Haushaltsdefizitverfahrens gekoppelt werden.

"Bußgelder würden unmittelbar verhängt und nach Abschluss des Hilfsprogramms und Ablauf einer Karenzzeit gegen das Mitgliedsland ohne jeden Regressanspruch vollstreckt." Die Aussicht auf Nothilfen, verbunden mit harten finanz- und wirtschaftspolitischen Korrekturmaßnahmen, würde an den Finanzmärkten das Vertrauen stärken, einer Verschärfung von Krisen vorbeugen und in Zukunft für die Euroländer den Gang zum Internationalen Währungsfonds (IWF) überflüssig machen.

Pleite als Alternative

Eine Gewährung von Notliquiditätshilfen dürfe aber keineswegs vorweggenommen werden, betonte Schäuble. "Die Möglichkeit einer staatlichen Insolvenz muss grundsätzlich bestehen bleiben."

Damit die Währungsunion voll handlungsfähig bleiben könne, müsse das Stimmrecht eines nicht kooperativen Mitgliedsstaates in der Eurogruppe ausgesetzt werden, forderte Schäuble. "Wenn sich ein Euro-Mitgliedstaat letztlich nicht imstande sehen sollte, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft wiederherzustellen und die öffentlichen Haushalte zu sanieren, sollte er als Ultima Ratio auch aus der Währungsunion ausscheiden, zugleich aber Mitglied in der EU bleiben können."

Erst am vergangenen Wochenende hatte Schäuble, der derzeit im Krankenhaus liegt, für eine Art Europäischen Währungsfonds geworben. In einem Interview hatte der Finanzminister der Welt am Sonntag gesagt: "Wir sollten in Ruhe darüber diskutieren, welche Konsequenzen aus der Griechenland-Krise zu ziehen sind. Dabei sollten wir keine Vorschläge von vornherein ausschließen, auch nicht die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds. Wir planen keine Konkurrenzsituation zum Internationalen Währungsfonds, aber für die innere Statistik der Eurozone brauchen wir eine Institution, die über die Erfahrungen des IWF und über analoge Durchgriffsbefugnisse verfügt. Dazu werde ich in Kürze Vorschläge machen."

Mangelhafte Überwachung

Und genau das hat Schäuble mit seinem auf einer nahezu ganzen Zeitungsseite gedruckten Gastbeitrag getan. "Es hat sich gezeigt, dass die wirtschafts- und finanzpolitische Überwachung in der Eurozone unzureichend war, um Fehlentwicklungen rechtzeitig vorzubeugen. Es ist klar: So können wir nicht mehr weitermachen. Wir müssen die in der Eurozone zur Verfügung stehenden Instrumente in der Finanz- und Wirtschaftspolitik entschlossener nutzen", argumentiert Schäuble in der FTD.

Schäubles Chefin, Kanzlerin Merkel, hält nicht viel von einem europäischen Bruder des Internationalen Währungsfonds. Als Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou Merkel am vergangenen Freitag in Berlin sprach, gab es von Merkel nur warme Worte, aber kein Geld - die Kanzlerin lobte die Sparbemühungen der Regierung in Athen. Nach einem Treffen mit dem französischen Premierminister François Fillon sagte Merkel Mitte dieser Woche, dass ein Europäischer Währungsfonds eine Ultima Ratio, eine letzte Anlaufstelle für bedrohte Eurostaaten sei. Zerbricht das enge Bündnis Merkel/Schäuble? Die Kanzlerin selbst war es gewesen, die Schäuble für den Job des Finanzministers im schwarz-gelben Kabinett verpflichtet hatte.

Merkel, so richtete am Freitag eine Regierungssprecherin aus, stehe hinter den aktuellen Vorschlägen von Finanzminister Schäuble. Der FTD-Gastbeitrag sei mit der Kanzlerin abgestimmt worden. "Die Bundeskanzlerin unterstützt die Inhalte", hieß es.

Und Schäuble? Wie fällt seine Quintessenz aus? In dem Beitrag für die Finanzzeitung jedenfalls findet der Finanzminister klare Worte. "Mehr Gelassenheit und Weitsicht täten oft gut", schreibt er in Bezug auf den Euro, die Währungsunion und die griechische Haushaltsmisere.

Vielleicht gilt das aber auch für sein Verhältnis zu Kanzlerin Merkel.

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