Europäische Zentralbank:Trichets neuer Dreh

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Erstmals will die EZB Pfandbriefe aufkaufen und investiert dafür 60 Milliarden Euro. Was die Notenbank damit bezweckt - Fragen und Antworten im Überblick.

Helga Einecke

Die Europäische Zentralbank (EZB) folgt auf einmal ein Stück weit den Notenbanken in den USA und Großbritannien. Sie steuert die Finanzmärkte nicht mehr allein über ihren Leitzins, weil dessen Wirkung von einem Prozent kaum noch spürbar ist. Die EZB kauft künftig direkt Wertpapiere, die sie bisher nur befristet als Pfand der Banken akzeptierte. Sie konzentriert sich auf den Markt für Pfandbriefe und will für deren Ankauf 60 Milliarden Euro in die Hand nehmen. An diesem Donnerstag will EZB-Präsident Jean-Claude Trichet Details nennen. Der neue Kurs der EZB ist umstritten, auch innerhalb der Notenbank.

Die EZB kauft erstmals Pfandbriefe - und nähert sich damit den Notenbanken in Großbritannien und den USA. (Foto: Foto: ddp)

Warum hat die EZB den Markt für Pfandbriefe ausgesucht?

Dieser Markt ist nach Angaben von Trichet durch die Krise besonders hart betroffen. Fachleute schreiben ihm die Wirkung eines Katalysators zu. Vor allem große Investoren legen ihr Geld in Pfandbriefen an, nämlich Banken, Versicherungen, soziale Einrichtungen, sogar Notenbanken. Kleine Privatanleger sind in der Minderheit.

Wie groß ist der Markt für Pfandbriefe?

Die EZB spricht nicht von Pfandbriefen, sondern von Covered Bonds, besicherten Anleihen. Der Umfang dieses Marktes wird in der Eurozone auf 1,3 bis 1,6 Billionen Euro geschätzt. Den größten Anteil an diesem Markt haben die Pfandbriefe deutscher Herkunft. Sie sind mit Hypotheken erstklassig besichert. Für Käufer von Pfandbriefen ist das Risiko gering, die Rendite aber schmal.

Warum ist dieser Markt von der Finanzkrise besonders betroffen?

Der Verband deutscher Pfandbriefbanken bestreitet, dass der deutsche Pfandbriefmarkt eingebrochen ist. Angesichts der Absatzzahlen in diesem Jahr wäre der Eingriff der Notenbank nicht nötig, behauptet Präsident Henning Rasche. Allerdings konkurrieren die Pfandbriefe mit Staatsanleihen und den Anleihen staatlicher Banken, die als ähnlich sicher gelten. Seit der Ankündigung der Zentralbank vor vier Wochen, sie wolle besicherte Anleihen kaufen, hat die Ausgabe von Pfandbriefen an Fahrt gewonnen. Zuletzt platzierte die Deutsche Bank mit Erfolg ihren ersten Pfandbrief überhaupt.

Wie sieht das in anderen europäischen Ländern aus?

Als stark belastet gelten die Märkte in Spanien und in Irland. In Spanien ist die Immobilien-Blase geplatzt. In Irland bricht die Konjunktur nach einer Phase starken Wachstums stärker ein als in anderen Ländern. Frankreich hat wie Deutschland und Spanien einen großen Markt besicherter Anleihen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich der Kauf von Pfandbriefen durch die EZB auswirkt - und worin noch Unterschiede zwischen der EZB und den Notenbanken in den USA und Großbritannien bestehen.

Wie wirkt sich der Kauf von Pfandbriefen durch die EZB aus?

Die Notenbank nimmt die Papiere in ihre Bilanz, die damit auf bis zu 60 Milliarden Euro ansteigt. Die bisherigen Besitzer der Pfandbriefe erhalten Geld. Sollten die Pfandbriefe wertlos werden - was als sehr unwahrscheinlich gilt - bleibt die Notenbank auf diesen Papieren sitzen. Das ist ihr schon passiert, und zwar im Fall der Papiere der US-Bank Lehman Brothers.

Wirft die EZB mit dieser Maßnahme die Notenpresse an?

Es kommt darauf an, welche Details Trichet dazu nennt. Die EZB könnte die Käufe sterilisieren, also den Finanzmärkten auf anderem Weg das Geld wieder entziehen oder bestimmte zeitliche Befristungen vorgeben. Fachleute glauben, die Notenbank habe sich gezielt einen Markt gesucht, über den sie große Finanzinstitute in der Eurozone stützen kann.

Was macht die EZB anders als die Notenbanken in USA und England?

Die US-Zentralbank und ihr Pendant in London greifen mit viel größeren Summen ein. Sie kaufen zudem Anleihen ihrer Staaten und Firmen sowie mit Hypotheken besicherte strukturierte Kreditprodukte. Besonders der Kauf von Staatsanleihen gilt als Sündenfall, weil die Notenbanken damit die Ausgabenprogramme ihrer Regierungen direkt finanzieren.

Darf die EZB so stark eingreifen wie die angelsächsischen Notenbanken?

Nach dem Vertrag von Maastricht dürfen die EZB und die nationalen Notenbanken direkt keine Schuldtitel oder andere Papiere von Regierungen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften kaufen - nur bereits gehandelte Staatsanleihen. Allerdings müsste die EZB dann unter den Papieren ihrer 16 Mitgliedsländer auswählen und würde die ausgewählten Staaten damit deklassieren. Deshalb gilt der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB als unwahrscheinlich.

© SZ vom 04.06.2009/kaf/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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