Zinsentscheidung der EZB:Angst vor dem Versagen

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Die große Krise erfordert große Maßnahmen. Darum macht die EZB das, was sie am liebsten bleibenlassen würde: Sie senkt die Zinsen noch weiter.

Hans von der Hagen

Die Europäische Zentralbank (EZB) kommt so allmächtig daher - doch sie kann auch schwach werden. Das weiß die EZB nur zu gut und setzt darum ihre Waffen mit Bedacht ein.

Die EZB hält sich gern etwas zurück - anders als die Kollegen in Amerika (Foto: Foto: dpa)

Jetzt ist das einmal mehr deutlich geworden: Den Leitzins, das wichtigste Instrument im Kampf gegen die Wirtschaftskrise, hat die Notenbank um einen viertel Prozentpunkt auf nunmehr ein Prozent zurückgenommen.

Das Prinzip EZB

Noch nie lagen die Zinsen in der Eurozone derart tief und doch sind sie immer noch etwas höher als in den USA und Großbritannien, wo die Zinsen bereits bei oder nahe null liegen.

Das ist das Prinzip EZB: Immer ein bisschen zurückhaltender sein als die Notenbanken in den angelsächsischen Ländern.

Ein Zinssatz von null Prozent lässt der Notenbank keinen Spielraum mehr, die schärftste Waffe wird stumpf: Billiger kann sie das Geld nicht machen.

Wenn sich selbst dann die Wirtschaft nicht erholt - was soll noch kommen? Die japanische Notenbank stand über Jahre vor diesem Problem. Das hat weltweit die Zentralbanken traumatisiert.

Allein - warum lassen sich dann die Angelsachsen im Gegensatz zur EZB auf das Wagnis einer Nullzinspolitik ein? Weil sie eine zweite Lehre aus dem Fall Japan noch höher gewichten: Die Japaner hatten viel zu zögerlich gehandelt, darum will die Notenbank besonders in den USA vor allem Entschlossenheit demonstrieren.

Es ist wie immer ein Spiel mit den Erwartungen an den Finanzmärkten: Die Europäische Notenbank setzt auf die Hoffnung. Nie schöpft sie das ganze Arsenal aus, stattdessen gilt: Immer geht noch etwas. Wenn es schlimmer kommen sollte, kann die Notenbank noch eingreifen.

Hang zum Unkonventionellen

In den USA hingegen ist es umgekehrt. Dort soll vermittelt werden: Es kommt nicht mehr schlimmer, weil so kraftvoll gehandelt wurde.

Den Mut zur Null-Zins-Politik stachelt aber noch etwas anderes an: Die zunehmend eingesetzten Instrumente der sogenannten unkonventionellen Geldpolitik, gerne auch quantitativ easing genannt.

Vereinfacht verbirgt sich dahinter alles, was nicht Zinspolitik ist. Auch die EZB hat jetzt wieder auf dieses Rüstzeug gesetzt: Sie will von den Banken bestimmte Anleihen zurückkaufen und ihnen damit zusätzlich Liquidität zur Verfügung stellen. Außerdem können sich Kreditinstitute künftig für Zeiträume von bis zu zwölf Monaten und damit doppelt so lange wie bisher bei der Zentralbank Geld zu besorgen. Das verschafft den Geldinstituten enorme Planungssicherheit.

Daneben gehören psychologische Hilfsmittel zur unkonventionellen Geldpolitik. Derzeit versuchen Notenbanken alles, um die Angst vor einer Deflation, also einem allgemeinen Preisverfall, zu zerstreuen. Die EZB, indem sie hervorhebt, dass das Risiko einer Deflation nur gering sei - die Fed hingegen, indem sie Inflationserwartungen schürt. Dazu betont sie beispielsweise, dass die Zinsen lange auf niedrigem Niveau verharren könnten und wirft die Notenpresse an.

Wenn also das Wort "Hyperinflation" durch die Medien wabert, dürfte das manchem Zentralbanker durchaus recht sein: Es macht die Deflation vergessen.

Ob nun am Ende die kraftvollere Gangart der US-Notenbank oder das zurückhaltendere Vorgehen der EZB erfolgreicher ist, weiß keiner.

Hoffnungsvoll stimmt, dass es an den Börsen seit Wochen bergauf geht und die Banken sich - in begrenztem Maß - untereinander zunehmend wieder Geld leihen.

Manche Markteilnehmer hatten sich gewünscht, dass die EZB auch "mal ein Fass Freibier" spendieren könnte, sprich: mal einen Schritt mehr als unbedingt nötig machen könnte, um für etwas mehr Schwung und Vertrauen zu sorgen. Doch das überlässt sie offenbar gerne der Fed.

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