EU-Staaten in Not:"Euroanleihe widerspricht dem EU-Vertrag"

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Heiß diskutiert: die Einführung einer Euroanleihe. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Markus Zydra und Simone Boehringer

Fachleute fordern die Einführung einer Euroanleihe. Sie soll es schwachen Euro-Staaten ermöglichen, zinsgünstigere Kredite zu erhalten. Bislang hat sich Deutschland gegen den Euro-Bond ausgesprochen, auch weil dem Bund unerwünschte Zusatzkosten entstünden, wenn Deutschland etwa zusammen mit Irland eine Anleihe herausgeben würde. Das Bundesfinanzministerium prüft den Vorschlag derzeit, vor allem die Rechtslage ist schwierig. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: ddp)

Warum wird die Einführung einer Euro-Anleihe diskutiert?

Die Finanzlage der EU-Mitgliedsstaaten ist höchst unterschiedlich. Griechenland, Italien, Spanien, Irland und Portugal sind hochverschuldet - sie bezahlen deshalb zwei bis drei Prozentpunkte mehr Zinsen als etwa Deutschland für seine Kredite. Die Befürchtung ist, dass die finanzschwachen Staaten irgendwann überschuldet sind. Schon jetzt tun sie sich teilweise schwer, für langfristige Anleihen genügend Investoren zu finden. Die Idee: Künftig vergeben beispielsweise Spanien, Portugal und Deutschland zusammen eine Anleihe.

Was wäre der Vorteil?

Spanien und Portugal würden niedrigere Zinsen als bislang bezahlen, denn die gute Bonität Deutschlands strahlt auf die beiden Staaten ab. "Ein Zinsvorteil kann nur erzielt werden, wenn die Staaten gesamtschuldnerisch haften, also Deutschland notfalls für den gesamten Betrag haften muss.", sagt Peter Müller, Bondexperte der Commerzbank. Würde Deutschland nur für einen bestimmten Betrag haften, dann wäre nichts gewonnen. "Die Gemeinschaftsanleihe - sofern dies dann überhaupt darstellbar wäre - zerfällt dann in einzelne Bestandteile, die Staaten hätten nichts gewonnen."

Wie ist die Rechtslage?

Im EG-Vertrag gibt es die sogenannte "No Bail-out-Klausel". Danach darf die Europäische Union nicht für die Verbindlichkeiten eines Einzelstaates haften. "Ich glaube deshalb nicht, dass es eine gemeinsame Euro-Anleihe geben wird", sagt Gernot Griebling, Bondexperte der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). "Jeder deutsche Steuerzahler wäre direkt von einer solchen Anleihe betroffen, da er haftet. Es würde also wahrscheinlich Klagen geben," meint Griebling, weil mit dieser Anleihe geltendes europäisches Recht gebrochen würde.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wer eine gemeinsame Euro-Anleihe herausgeben könnte, wie schwachen EU-Staaten ohne die Anleihe geholfen werden kann und wo die Grenze dieser Lösung liegt.

Wer könnte eine gemeinsame Euro-Anleihe herausgeben?

Weil Euroland nur eine wirtschaftliche Gemeinschaft ist, aber keine politische Union, muss gibt es derzeit keine juristische Person, die Euroland als Ganzes vertritt und eine solche Anleihe herausgeben könnte, analog etwa zur Bundesrepublik, die Bundeswertpapiere emittiert. "Möglich wäre, dass die Gesamtheit der europäischen Länder eine solche Anleihe herausgibt, wenn eine juristische Person, etwa die Europäischen Investitionsbank EIB die Federführung übernimmt", sagt Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank.

Auch die Europäische Zentralbank könnte diese Rolle übernehmen, also allenfalls die Platzierung einer EU-Anleihe übernehmen, "haften müssten die nationalen Regierungen", so Hellmeyer. Die EZB bekommt dann eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Anleihen am Markt aufzukaufen, weil sich sehr große Volumina nicht so leicht direkt an Investoren verkaufen lassen. So läuft es derzeit zum Beispiel in den USA und Großbritannien. Dort verfolgen die Notenbanken die Geldpolitik des "quantitative easing". Sie kaufen direkt Staatsanleihen am Markt auf. Noch darf die EZB das nicht, mit gutem Grund. Denn der Direktankauf von Staatsanleihen wirkt inflationär, denn die Zentralbank schafft damit frisches Geld.

Wie kann schwachen EU-Staaten ohne die Anleihe geholfen werden?

Artikel 100 des EG-Vertrags erlaubt unter besonderen Umständen, finanziellen Beistand zu leisten. "Wenn ein Mitgliedstaat aufgrund von außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, ernstlich bedroht ist, kann der Europäische Rat auf Vorschlag der EU-Kommission mit qualifizierter Mehrheit finanziellen Beistand beschließen." LBBW-Experte Griebling rechnet damit, dass diese Norm zur Anwendung kommt und die betroffenen Staaten auf dieses Basis EU-Kredite erhalten.

Wo ist die Grenze dieser Lösung?

Man kann kleinen Staaten auf diese Weise helfen. Wenn aber große Länder Hilfe bräuchten, könnte ein Beistandspakt die Finanzkraft der übrigen gesunden Länder der Währungsunion gefährden.

© SZ vom 24.02.2009/iko/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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