Commerzbank:Wenig Kredit in der Krise

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Vorstandschef Martin Blessing will aus Commerzbank und Dresdner Bank ein neues Großunternehmen bauen - doch nicht nur die Mitarbeiter bleiben skeptisch.

Martin Hesse

Schwere Eisengitter versperren den Eingang zum Silberturm der Dresdner Bank. Das Foyer dahinter ist dunkel. Bis vor wenigen Monaten arbeiteten in dem 166 Meter hohen Turm auf 32 Stockwerken fast 2000 Mitarbeiter der Konzernzentrale. Jetzt wird renoviert. Doch auch wenn das vorbei ist, wird womöglich keiner der Banker jemals wieder einen Fuß in das Gebäude setzen.

Commerzbank-Chef Martin Blessing: "Wir sind kämpferisch." (Foto: Foto: dpa)

Im September hat die Commerzbank die Dresdner Bank gekauft und mit ihr den Turm. Martin Blessing, der erst drei Monate zuvor an die Spitze gerückt war, will aus Commerzbank und Dresdner Bank mit ihren 16Millionen Kunden ein Kreditinstitut auf Augenhöhe mit der Deutschen Bank bauen.

Doch nur fünf Monate später droht die Finanzkrise das Unternehmen zu zerreißen. Zweimal hat sich Blessing schon Kapital vom Staat geholt, insgesamt 18 Milliarden Euro, um die Übernahme der Dresdner überhaupt stemmen zu können. Doch ob das Geld reicht, weiß niemand.

Auch Eric Strutz nicht. Der Finanzvorstand der Commerzbank sitzt am Mittwochmorgen etwa 300 Meter Luftlinie vom leeren Silberturm entfernt in einem Gebäude, das die Dresdner Bank weit überragt: Gemessen an der Größe ist die Konzernzentrale der Commerzbank nun das Gravitationszentrum der Bankenstadt Frankfurt.

Heute sollte hier eigentlich Blessing die jüngsten Zahlen der Bank erläutern. Doch er sagte die Pressekonferenz ab. Die Bank wolle sich die Veranstaltung für den Mai aufsparen, wenn sie erstmals auch über die Dresdner Bank berichten könne. Deshalb sitzt statt Blessing jetzt Strutz an einer Telefonanlage und verbreitet die Botschaft: "Wir sind kämpferisch."

"Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Der Verlust ist nicht so hoch wie befürchtet. Dennoch bereitet Strutz die Belegschaft auf ein hartes Jahr vor und schwört sie auf den Zusammenschluss mit der Dresdner Bank ein. "Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragt er. Im September hatten vor der Dresdner-Zentrale Hunderte Bankangestellte gegen den Zusammenschluss protestiert, der in Deutschland 6500 Arbeitsplätze kosten soll.

Nun herrscht um den Silberturm herum, den die neuen Eigentümer vermieten oder verkaufen wollen, fast gespenstische Ruhe. "Heute ist die Stimmung eher fatalistisch", sagt ein Betriebsrat der Dresdner Bank. Wie viele, die sich um die Zukunft der Bank sorgen, möchte er nicht namentlich zitiert werden. Die Sorgen des Mannes, der seit fast 30 Jahren bei der Dresdner arbeitet, gehen über die finanziellen Probleme hinaus. Es geht um Identität, verletzten Stolz und enttäuschte Hoffnungen. "Der mögliche Verkauf des Turms ist auch ein Zeichen, dass die Dresdner Bank ausgelöscht wird", sagt er.

Dabei weinen die wenigsten bei der Dresdner dem alten Eigentümer eine Träne nach. "Fast jeder ist dankbar, dass er nicht mehr bei der Allianz ist, weil die uns nicht mehr wollten", sagt ein Investmentbanker. Am Schluss hat man sich oft nur noch als Prügelknabe gefühlt.All das wissen sie bei der Commerzbank. "Die Dresdner-Leute dürfen nicht das Gefühl bekommen, sie seien an allem schuld. Das haben sie bei der Allianz schon erlebt", sagt ein Commerzbanker, der mit der Integration beschäftigt ist. Also versuchen sie, es besser zu machen, das räumt auch der Dresdner-Betriebsrat ein. Da gibt es zum Beispiel Achim Kassow. Der Vorstand für das Privatkundengeschäft ziehe derzeit durch die Filialen und versuche die neuen Mitarbeiter zu überzeugen, dass sie auch in der Commerzbank eine Zukunft haben, heißt es. Aber hat die Bank eine Zukunft?

Im 49. Stock des Commerzbank-Turms versuchte Blessing vor ein paar Tagen, einige Dutzend Familienunternehmer davon zu überzeugen. Mit entwaffnender Offenheit räumte er ein, dass er die Krise unterschätzt hat. So unbekümmert und flapsig Blessing manchmal wirkt, so gezielt sucht er hier Verbündete. "Wir alle fahren gemeinsam durch den Nebel", beschwört er seine Kunden. An die Adresse der Firmenbetreuer der Dresdner sagt er noch: "Wir halten unser Modell für besser." Und genau damit bestätigt er wieder jene Skeptiker in der grünen Bank, die es so empfinden wie ein langjähriger Mitarbeiter: "Alles, was von der Dresdner kommt, ist erst einmal Mist."

Blessing hat aber noch eine Botschaft an diesem Abend, er liest sie von einem Zettel ab: "Unternehmen, die Verlust machen, haben keine Boni zu verteilen." Das geht vor allem an die Investmentbanker von der Dresdner Kleinwort - und an den neuen Großaktionär, den Steuerzahler. 400 Millionen Euro hatten die Allianz und der alte Dresdner Vorstand den Investmentbankern noch im August zugesagt.

Klare Botschaft

So wollten sie verhindern, dass wichtige Leute abspringen, die man brauche, um das riskante Wertpapiergeschäft herunterzufahren. Doch seit der Bund die Commerzbank stützen musste, sind die Boni zu einem Politikum geworden. Ein Aufschrei der Empörung ging durchs Land, als bekannt wurde, dass einige Banker ihre Boni zur Not einklagen wollten.

Deshalb Blessings klare Botschaft, die sein Finanzmann Strutz am Mittwoch bestätigt. Doch was die beiden nicht an die große Glocke hängen: etwa 130 Millionen Euro dürften die Kleinwort-Banker trotzdem bekommen, man nennt es nicht Bonus, sondern Sonderzahlung. An diesem Betrag kommt Blessing wohl juristisch nicht vorbei.

Für den Commerzbank-Chef ist das auch mehr als ein finanzielles Problem. Es geht um die Fliehkräfte in seiner Bank. "Im Moment springt keiner ab, weil alle auf die Boni warten", sagt ein Investmentbanker. Doch wenn es wesentliche Einschnitte gebe, werde es schwer sein, die Leute zu halten. Doch Strutz kontert auf seine Art: "Wir wollen Leistungsträger, die nicht nur materiell motiviert sind." Deshalb fürchte er auch keinen Schwund qualifizierter Mitarbeiter.

Vielen Investmentbankern bei der Dresdner missfällt es auch, dass die Commerzbank ihren Bereich zusammenstutzen und stärker auf Deutschland konzentrieren will. Deshalb ist die Kritik an der Commerzbank-Führung hier besonders hart. Blessing wolle von Problemen im eigenen Haus ablenken. "Vieles wird auf die Dresdner geschoben.

Dabei ist die Eurohypo die zweite Hypo Real Estate", so klagt ein Investmentbanker in Richtung Eschborn. Dort am Rande Frankfurts sitzt die Immobilienbank, mit deren Übernahme Blessing und sein Vorgänger Klaus-Peter Müller ihren Aufstieg zur nationalen Großbank 2005 begannen. Doch Kritikern gilt der Kauf der Eurohypo längst als Fehlgriff, der nun durch die Übernahme der Dresdner Bank kaschiert werden solle.

Seit Wochen wird spekuliert, die Eschborner könnten zu einer sogenannten Bad Bank, also einer Art Entsorgungsstelle für alle faulen Kredite der Commerzbank umfunktioniert werden. Blessing und Strutz weisen das als Unsinn zurück. Dennoch driftet auch in Eschborn die Stimmung weg von der Zentrale am Kaiserplatz. "Es ist nicht so toll, wenn man in der Öffentlichkeit als Müllkippe der Commerzbank dargestellt wird", sagt ein Eurohypo-Mitarbeiter.

Nicht alle aber halten Blessings dominanten Führungsstil für falsch. Selbst der alte Dresdner Betriebsrat erkennt an, dass der frühere McKinsey-Manager schnell Klarheit schaffe und versuche, ohne Rücksicht auf Einzelinteressen seine Linie durchzuziehen. Doch ob er den Banken einen gemeinsamen Geist einhauchen könne? Blessing wird es in der Finanzkrise schwer haben, die Fliehkräfte einzufangen. Ein Investmentbanker bringt die Stimmung auf den Punkt: "Natürlich besteht die Angst, dass uns das alles um die Ohren fliegt."

© SZ vom 19.02.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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