EU: Gigantisches Hilfspaket:750 Milliarden Euro gegen die Märkte

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Mit einem beispiellosen Hilfspaket in Höhe von bis zu 750 Milliarden Euro wollen EU und Internationaler Währungsfonds die angeschlagene Einheitswährung stabilisieren. Das Ziel: Spekulanten bändigen. Auch Deutschland ist in der Pflicht. Kanzlerin Merkel gibt sich als Schutzfrau des Geldes.

Gemeinsamer Kampf gegen die Spekulanten: Die Europäische Union hat sich nach einem gut zwölfstündigen Verhandlungsmarathon am frühen Montagmorgen auf ein beispielloses Auffangnetz von etwa 500 Milliarden Euro für finanzschwache Euro-Staaten geeinigt. Dazu kommen nach Angaben der spanischen Finanzministerin und amtierenden Ratsvorsitzenden Elena Salgado 250 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Paket soll im Notfall Krisenstaaten zugutekommen. Deutschlands Beitrag ist gigantisch.

Gigantisches Rettungspaket für die Gemeinschaftswährung - und Deutschland steht in der Pflicht. (Foto: Foto: dpa)

Die EU will mit diesem einmaligen Schritt das Vertrauen in den angeschlagenen Euro stärken. Bis zu 60 Milliarden Euro sollen als Kredite von der EU-Kommission fließen, ähnlich der Zahlungsbilanzhilfen für schwächelnde Nicht-Euro-Länder wie Ungarn, Lettland und Rumänien.

Das Hilfspaket musste im Eilverfahren vor Öffnung der Märkte am Montag geschnürt werden, um Spekulanten in die Schranken zu weisen.

Deutschland steht massiv in der Pflicht: Neue Bürgschaften in Höhe von bis zu 123 Milliarden Euro müssen gestemmt werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den beispiellosen EU-Rettungsschirm als alternativlos bezeichnet. "Wir schützen in einer außergewöhnlichen Situation unsere Währung" und "Wir schützen das Geld der Menschen in Deutschland", sagte Merkel am Montag im Kanzleramt. Das Paket sei notwendig, um die "Zukunft des Euro zu sichern". Der Haushaltskonsolidierung komme in diesem Zusammenhang in allen EU-Ländern eine besondere Bedeutung zu, betonte Merkel.

Mit mehreren Ministern hatte Merkel am Vorabend die verfassungsrechtlichen Grundlagen des EU-Hilfspaketes geprüft. Nach Angaben von Thomas de Maizière (CDU) machen die neuen Garantien ein Gesetz notwendig. Der Innenminister hatte den erkrankten Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei den Verhandlungen in Brüssel vertreten.

Grundlage sei der Artikel 122 des EU-Vertrags von Lissabon, wonach EU-Ländern in Ausnahmesituationen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, geholfen wird. "Wir sind der Auffassung, dass dieser Fall jetzt eingetreten ist", sagte Salgado.

Sollten die 60 Milliarden Euro, die direkt zur Verfügung stehen, nicht ausreichen, kommen dazu bilaterale Hilfen der Euro-Staaten von insgesamt bis zu 440 Milliarden Euro. Dieses "Special Purpose Vehicle" solle auf der Grundlage von Bürgschaften der Euro-Staaten Kredite kanalisieren, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Dafür wird für maximal drei Jahre eine Zweckgesellschaft zur Verwaltung der Gelder eingerichtet.

Insgesamt belaufe sich der EU-Stabilisierungsmechanismus auf eine Summe von 500 Milliarden Euro, so Rehn.

Rettung um jeden Preis

"Das zeigt, dass wir den Euro verteidigen werden, koste es, was es wolle. Es gibt ganz klar ein systemisches Risiko und eine Bedrohung für die finanzielle Stabilität von Eurozone und EU, es handelt sich nicht nur um eine Attacke auf einzelne Länder", sagte Rehn weiter.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kippt ein Tabu. Gemeinsam mit den nationalen Notenbanken der Eurozone ist sie unter dem Eindruck der schweren Krise des Gemeinschaftsgeldes erstmals seit Gründung der Währungsunion zum Ankauf von Staatsanleihen bereit.

Wie die EZB in der Nacht zum Montag nach Verabschiedung mitteilte, wird sie am öffentlichen und privaten Anleihemarkt in großem Stil aktiv werden. Über den Umfang der Interventionen, zu denen noch umfangreiche Stützungsmaßnahmen für den Geldmarkt und das Bankensystem kommen, werde der EZB-Rat noch entscheiden, hieß es weiter.

Die Notenbank gibt damit ihren Widerstand gegen den Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Länder auf. Gemäß den Bestimmungen des EU-Vertrages kann sie nur am Sekundärmarkt kaufen und nicht direkt bei den Regierungen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die G-7-Finanzminister begrüßten die Kehrtwende der Frankfurter Währungshüter.

Euro stabilisiert sich

An den Märkten in Fernost zog der Euro-Kurs nach der Einigung auf das Auffangnetz für finanzschwache Euro-Staaten deutlich an. An Asiens Leitbörse in Tokio stieg der Euro am Morgen auf mehr als 1,29 Dollar. Im europäischen Handel lag die Gemeinschaftdevise am frühen Nachmittag bei 1,2931 Dollar.

Der japanische Leitindex Nikkei 225 schloss mit einem Plus von 1,6 Prozent bei 10.530,70 Punkten, der breiter gefasste Topix-Index gewann 0,96 Prozent auf 940 Zähler. Händler nannten neben den Nachrichten aus Brüssel auch eine technische Reaktion als Grund für die leichte Erholung.

Der Dax machte ebenfalls einen Satz nach oben. Der deutsche Leitindex notierte im nachmittäglichen Handel mit einem Plus von 4,7 Prozent bei 5986 Punkten. Das Kursbarometer war wegen der anhaltenden Sorgen über die Haushaltslage in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal zum Wochenschluss um 3,3 Prozent abgerutscht.

Die Finanz-Staatssekretäre der G-20-Länder beraten an diesem Montag in einer zweiten Telefonkonferenz die Auswirkungen der griechischen Schuldenkrise. Die Schaltkonferenz werde nach der Einigung der EU-Finanzminister auf ein Kreditprogramm zur Abwehr einer Schuldenkrise in der gesamten Eurozone stattfinden, sagte der stellvertretende südkoreanische Finanzminister Shin Je-Yoon der Nachrichtenagentur Reuters. Um Mitternacht hatte es bereits eine erste Telefonkonferenz gegeben.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP/Reuters/plin/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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