Elizabeth Warren: Obamas neue Assistentin:Frau ohne Freunde

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Unruhe in Manhattan: Die umstrittene Juristin Elizabeth Warren suchte nie die Nähe zur Wall Street und geißelte die Bankenrettung. Jetzt wird sie zu einer der wichtigsten Figuren im neuen US-Finanzsystem.

Moritz Koch, New York

Sie war eine Mahnerin, unbequem und außen vor. Die Harvard-Professorin Elizabeth Warren forderte die Bändigung der Finanzindustrie schon, als Politiker in Washington noch darum wetteiferten, wer die meisten Freunde an der Wall Street hat. Akademische Anerkennung brachte ihr das ein und ein paar glühende Anhänger.

Präsident Barack Obama will Elizabeth Warren zu seiner Sonderbeauftragten für Verbraucherschutz machen. (Foto: AFP)

Aber Einfluss hatte sie nicht. Erst der Absturz der US-Wirtschaft katapultierte die 61-Jährige ins Zentrum der Macht. Ende 2008 wurde sie zur Vorsitzenden des Senatsausschusses zur Überwachung des staatlichen Bankenrettungsfonds Tarp ernannt. Wenig später war sie landesweit berühmt. Als Anwältin der Über-den-Tisch-Gezogenen positionierte sie sich, als Vorkämpferin gegen den ganz legalen Betrug.

Nun soll Warren noch weiter aufsteigen. Präsident Barack Obama will sie zu seiner Sonderbeauftragten für Verbraucherschutz machen, wie mehrere US-Medien melden. Damit wird die Juristin zu einer der wichtigsten Figuren im neuen US-Finanzsystem.

Eigentlich war Warren als Vorsitzende des neu geschaffenen Verbraucherschutzbüros im Gespräch, jener neuen Behörde, die sie so lange gefordert hatte und die trotz erbitterten Widerstands der Wall Street in der Finanzreform verankert wurde. Doch der Posten als Behördenchefin hätte der Zustimmung des Senats bedurft. Dort bereiteten die Republikaner eine Blockade vor.

Unverzichtbar für Obama

Warren hat sich viele Feinde gemacht. Bei Bankern und Republikanern gilt sie als ideologisch verblendete Aktivistin. Doch für Obama ist sie unverzichtbar. Eine der größten Schwachstellen des Präsidenten ist es, in den Augen der Öffentlichkeit mit dem Tarp-Fonds identifiziert zu werden - obwohl der Rettungsschirm für die Wall Street noch unter seinem Vorgänger George W. Bush aufgespannt wurde. Warren ist eine der heftigsten Kritikerinnen der Tarp-Gesetze. "Der Gedanke, Geld in taumelnde Finanzinstitute zu pumpen, ohne massive Änderungen in ihrem Management einzufordern, ist grotesk", schimpfte sie einst.

Gerade jetzt, vor den anstehenden Kongresswahlen, wird es Obama nützen, Warren in seinem Wirtschaftsteam zu haben. Daher will der Präsident nicht länger warten, er greift in die legislative Trickkiste. Die Ernennung zur Sonderbeauftragten benötigt keine Bestätigung durch den Senat. Offiziell wird Warren als Assistentin des Präsidenten fungieren, ein Titel, den nur wenige Spitzenbeamte im Weißen Haus bekleiden, wie etwa Obamas Kabinettschef Rahm Emanuel. Warren wird maßgeblichen Anteil an der Auswahl des Chefs der Verbraucherschutzbehörde haben. Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass sie später selbst für dieses Amt nominiert wird.

Ihre Gegner werden Warren in jedem Fall erhalten bleiben: Banken, Sparkassen und andere Institute, die den Amerikanern in den Jahren vor der Krise vermeintlich billiges Geld andrehten, nur um später auf das Kleingedruckte zu verweisen und enorme Zinsen einzutreiben. "Studien zeigen, dass Kreditprodukte so gestaltet werden, dass der Sinn verschleiert wird und die Verbraucher getäuscht werden", sagt Warren. Das Verbraucherschutzbüro soll dem einen Riegel vorschieben. Es ist als eine Art Zulassungsstelle für neue Finanzprodukt wie Hypotheken und Kreditkarten konzipiert, die Geldinstitute auf den Markt bringen wollen. Warren mahnt die Banken zur Kooperation: "Diese Generation von Wall-

Street-Chefs ist möglicherweise diejenige, die Amerikas Vertrauen verspielt. Oder sie kann die ersten Schritte machen, um es zurückzugewinnen." Doch die Finanzkonzerne zetern: Bald würden die Amerikaner erfahren, dass Verbraucherschutz nichts anderes bedeutet als höhere Zinsen.

Besonders interessant dürfte werden, wie sich Warren mit Timothy Geithner arrangiert, Obamas Finanzminister. Als früherer Chef der New Yorker Zweigstelle der Zentralbank Federal Reserve war Geithner einer der Architekten der Tarp-Gesetze - und damit ein Hauptziel von Warrens rhetorischen Spitzen.

© SZ vom 17.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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