Dispo-Zinsen:Trügerische Freiheit

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  • Banken beraten beim Verkauf eines Dispo-Kredits ihre Kunden nicht - und nehmen dann viel zu hohe Zinsen. Die Geldhäuser verdienen damit gut an Menschen in Notsituationen.
  • Dass Bundesverbraucherminister Heiko Maas nun plant, die Banken beim Dispo-Kredit zum Beraten zu zwingen, ist gut und richtig.

Kommentar von Hannah Wilhelm

Für viele Menschen ist die Möglichkeit, ihr Konto zu überziehen, zu erst einmal eine verlockende Freiheit. Die große Erleichterung, wenn der Einkauf am Ende des Monats trotzdem bezahlt werden kann, obwohl nicht mehr genug auf dem Konto ist. Ein Glück - gerettet, zumindest für den Augenblick.

Doch leider sind sich viel zu viele der Gefahr dieser vermeintlichen Freiheit nicht bewusst. Denn: Nicht selten ist ein Dispo-Kredit der Beginn einer langen Verschuldung, eines jahrelangen Kampfes, um endlich wieder irgendwie hinzukommen mit dem Geld, das man wirklich zur Verfügung hat. Studien belegen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Gewähren eines Dispo-Kredits und einer Verschuldung. Verbraucherschützer warnen davor und werden doch zu oft nicht gehört.

Verdrängen der Risiken einfach gemacht

Das Problem: Ein Dispo-Kredit wird ohne Beratung verkauft. In dem Moment, in dem die Verkäuferin an der Supermarkkasse die EC-Karte durch das Lesegerät zieht, taucht kein Bankberater auf, der erklärt, welche Risiken und Kosten diese Verschuldung haben kann und wird. Gerade den Menschen, die wenig Interesse daran haben, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen, wird das Verdrängen der Risiken hier viel zu einfach gemacht. Und dann trifft sie mit geballter Wucht das nächste Problem: Die Zinsen für den Dispo-Kredit sind in Deutschland viel zu hoch. Sie sind unanständig hoch.

Die Zahlen sprechen für sich. Die Zinsen, die Bankkunden fürs Ersparte bekommen, sind seit der Finanzkrise rapide gesunken. Mit jeder Entscheidung der Europäischen Zentralbank, die Leitzinsen zu reduzieren, sanken auch die Renditen fürs Tages- und Festgeld. Vom Sparbuch gar nicht zu sprechen. Sparzinsen wurden im Durchschnitt um 86 Prozent abgesenkt. Den Deutschen sind so seit 2008 etwa 18 Milliarden Euro entgangen.

Banken verdienen mit den Dispo-Zinsen sehr viel Geld.

Die Zinsen fürs Konto-Überziehen senkten die Banken dagegen seit der Finanzkrise nur zögerlich und minimal - um insgesamt gerade mal ein Fünftel. Immer noch sind zehn Prozent und mehr üblich. Und das, obwohl die Banken seit 2010 den Zinssatz theoretisch an Referenzgrößen wie den EZB-Leitzins messen sollen. Sie nehmen sich das Geld bei denen, die in einer Notsituation sind und nicht beraten wurden. Das darf man unanständig nennen.

Manch einer sagt, die Banken würden sehr wohl Zinsen auch im Positiven an ihre Kunden weitergeben. Ihr Argument: die Bauzinsen. Diese senkten die Banken kräftig ab und verbilligten es den Verbrauchern so, ein Haus zu bauen. Doch das zählt als Argument nicht: Dass sie hier die Zinsen senken, liegt schlichtweg am Wettbewerb unter den Banken, die um die oft sehr gut informierten Häuslebauer buhlen. Die Institute machten damit in Krisenzeiten, in denen sich viele ein Eigenheim wünschen, ein gutes Geschäft. Müssten die Banken beim Baukredit so wenig beraten wie beim Dispo, sie hätten die Zinsen sicher höher gelassen.

Dass Banken derzeit stolz verkünden, sie würden nun netterweise die Strafzinsen für das Überziehen des Dispo-Kredits abschaffen, ist vor einem solchen Hintergrund als ein netter PR-Gag abzutun. Ja, bitte, schafft die Überziehungszinsen ab, die teils bis zu 20 Prozent betragen. Aber was ist mit dem echten Problem für viele Menschen: mit den immer noch total überteuerten Dispo-Krediten? Mit denen verdienen Banken und Sparkassen immer noch sehr viel Geld.

Richtiger Umgang mit dem Kunden heißt: mit ihm sprechen

Dass Bundesverbraucherminister Heiko Maas nun plant, die Banken beim Dispo-Kredit zum Beraten zu zwingen, ist gut und richtig. Die Klagen der Branche, das sei unpraktikabel und teuer, sind lachhaft. Beratung ist die Aufgabe einer Bank. Und Beratung tut Not. Denn es gibt natürlich Alternativen zum teuren Konto-Überziehen. Verantwortungsvoller Umgang mit dem Kunden würde heißen, mit ihm zu sprechen. Ihm einen Ratenkredit anzubieten mit einem klar vereinbarten Rückzahlungsplan - und mit wesentlich niedrigeren Zinsen. Ihm so eine Chance zu geben, aus dem gefährlichen Kreislauf herauszukommen. Und darüber hinaus: Ein Bankberater, der seinen Beruf ernst nimmt, sollte seine Kunden nicht darüber im Unklaren lassen, dass es falsch ist, einen Fondssparplan zu bedienen oder Geld fürs Kind zurückzulegen, wenn gleichzeitig das Konto immer wieder ins Minus rutscht und Strafzinsen anfallen.

Die Politik sollte noch weiter gehen. Maas scheut sich in seinem Gesetzentwurf noch davor, eine Obergrenze für Dispo-Zinsen festzulegen. Dabei ist der Vorschlag von Verbraucherschützern, eine Obergrenze von sieben Prozent plus dem aktuellen Satz des EZB-Leitzins ein pragmatischer und sehr sinnvoller Ansatz.

© SZ vom 10.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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