Die Farbe macht's:Bunte Weihnacht

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Ein Schlafzimmer in Blau? Oder doch lieber in Rot? Wer seine Wände streichen will, sollte auf die Wirkung der Farbtöne achten. Experten raten auch dazu, der ganzen Wohnung ein Farbkonzept zu verpassen.

Von Ingrid Weidner

Ob in den Anzeigen der Makler oder in den Hochglanzmagazinen: Seit Jahren sind Wohnungen vor allem weiß. Viele finden den hellen Anstrich elegant, zurückhaltend und minimalistisch - andere halten ihn allerdings eher für langweilig. Farben an der Wand sind in jedem Fall eine größere Herausforderung.

"Wer intensive Farben großflächig einsetzen will, braucht zweifellos etwas Selbstvertrauen", schreibt der englische Designer und Möbelhersteller Terence Conran in seinem neuen Buch "Die passenden Farben für jeden Raum". Regelmäßig veröffentlicht der inzwischen 84-jährige Brite Bücher über Einrichtungsfragen. In seinem neuesten Werk nimmt er Minimalisten die Angst vor dem Farbtopf.

Kommt die Farbe zurück in die Wohnungen? Zumindest auf dem Buchmarkt scheint dies der Fall zu sein, denn auch der französische Farbdesigner Jean-Gabriel Causse erklärt in "Die unglaubliche Kraft der Farben", warum sie wichtig sind - auch in der Wohnung. Der Autor zitiert zahlreiche Studien und liefert Hintergrundinformationen, kommt aber ohne ein einziges Foto aus. Ein fundiertes theoretisches Gerüst kann durchaus nützlich sein, denn die Gestaltung der Wände fällt vielen nicht leicht.

Die Kombination von Grün und Rot sieht schnell nach Weihnachten aus

Vorsicht bei sogenannten Modefarben, mahnen die beiden Autoren. Hersteller und Einrichtungsmagazine werben gerne zum Beispiel für Schokoladenbraun, Senfgelb oder Violett als letzten Schrei für die Wohnung. Im Kleiderschrank mag eine orangefarbene Sommerhose für Abwechslung sorgen, doch ein in purpurrot gestrichenes Wohnzimmer treibt erwiesenermaßen den Blutdruck der Bewohner in die Höhe. Experimente zeigen außerdem, dass die Zimmertemperatur in einem rot-orangenen Arbeitsraum um drei bis vier Grad wärmer eingeschätzt wird als in einem blau oder grün gestalteten. Rot warnt vor Gefahren und löst Fluchtverhalten aus. Von einem ganz in kräftigem Rot gestrichenen Zimmer raten beide Farbexperten ab, denn schnell stelle sich eine Reizüberflutung ein. Conran empfiehlt rote Akzente, wenn es denn zum Temperament der Bewohner passe. Vorsicht bei der Kombination von Tannengrün und Tomatenrot, das bringt ganzjährige Weihnachtsstimmung ins Haus. Zwar kosten hochwertige, gesättigte Wandfarben kein Vermögen mehr und ein Fehlgriff bei der Farbwahl lässt sich wieder überpinseln. Einfacher aber ist natürlich, wenn solche Fehler von vornherein vermieden werden.

Wer Wände farbig streichen will, der brauche "schon etwas Selbstbewusstsein", sagt Terence Conran. Auch ein wenig Theorie schadet nicht. (Foto: dpa/picture-alliance)

Conran rät, zunächst die Wohnung als Ganzes zu betrachten und sich nicht auf den Anstrich nur eines Zimmers zu konzentrieren. Ein einheitliches Erscheinungsbild entsteht, wenn sich die Bewohner für eine Farbfamilie entschieden, die sich in jedem Raum wiederholt. In Wohnungen mit einem offenen Grundriss können Farben die Bereiche der Wohnung einteilen, etwa eine Nische mit Arbeitsplatz in Zitronengelb. Mindestens genauso wichtig wie die Farbwahl sind die Lichtverhältnisse. Selbst der farbbegeisterte Conran räumt ein, dass weiße Wände dabei helfen, die Wirkung des Tageslichts in den Räumen besser abschätzen zu können. Außerdem können Farben einen Raum wesentlich dunkler machen.

Der Flur verträgt laut Conran einen mutigen Anstrich in kräftigen, warmen Farben. Rot, Orange und ein gesättigtes Gelb zählen zu den warmen Farben, Blau und Violett gelten als kühl.

Jeder zweite Westeuropäer nennt Blau als Lieblingsfarbe und es wirkt auf die meisten beruhigend. Assoziationen mit dem Meer und Himmel spielen dabei eine Rolle, ins Badezimmer passt die Farbe gut. Doch auch Küchen und Wirtschaftsräume in historischen Gebäuden wurden oft in Blau gestaltet. Dahinter verbarg sich mancherorts die Annahme, die Farbe vertreibe die Fliegen - Belege für diese These gibt es nicht. Für Conran eignet sich Blau als Hintergrundanstrich und für Möbel in kleinen Küchen, weil Schränke dann größer wirken. Dieser Trick funktioniert auch mit Sofabezügen, da Blau wuchtige Polstermöbel kleiner erscheinen lässt. Jean-Gabriel Causse identifiziert Blau als kreative Farbe, die Gedanken in neue Bahnen lenken könne. Wer am Rechner viel arbeite, solle deshalb für den Computer auch ein blaues Hintergrundbild wählen, das fördere außerdem die Konzentration. Allerdings rät Causse davon ab, Küchen in Blau zu gestalten, denn die Farbe komme in Lebensmitteln kaum vor und erinnere eher an verdorbenes Essen. Gelb eignet sich dagegen gut für Küchen und auch für schmale Räume. Allerdings kommt es beim Farbton auf die Lichtverhältnisse an. "Gelb wirkt am besten mit Sonnenschein", schreibt Conran.

Rosa war früher eine Farbe für Jungs - zumindest im englischen Landadel

Besonders beliebt sind Farben im Kinderzimmer. Die Primärfarben Gelb, Rot, Blau erinnern an Bauklötze und passten gut in die Räume von Kindern, meint Conran. Emanzipierte Mütter kommen in Erklärungsnot, wenn sie ihren Töchtern einen rosafarbenen Anstrich ausreden möchten. Conran fand aber heraus, dass im 19. Jahrhundert Rosa, ein mit Weiß aufgehelltes Rot, kleinen Jungs vorbehalten war, da es für Selbstbewusstsein und Aktivität stand. Ob diese Farbassoziation nur für den englisches Landadel galt, erklärt er zwar nicht, doch es beruhigt vielleicht verunsicherte Eltern, die sich so leichter auf einen Kompromiss - etwa nur eine Wand in Rosa - mit den Töchtern einigen können.

Beruhigend wirkt Rosa allemal, wie ein von Causse beschriebenes Beispiel zeigt. Verbringen aggressive Gefangene mindestens 15 Minuten in einer rosa angestrichenen Zelle, verringert sich ihr Aggressionspotenzial, der Herzrhythmus verlangsamt sich, Blutdruck und Pulsfrequenz ebenfalls. Dagegen beschleunigt ein kräftiges Rot den Puls, der Blutdruck steigt, die Atmung wird schneller.

Wer eine Mietwohnung mit bescheidenem Grundriss farblich aufpeppen will, beschäftigt sich am besten zuerst intensiv mit Farbpaletten und den Lichtverhältnissen um herauszufinden, was wohin passt. Auch die LED-Technik bringt ein riesiges Farbspektrum ganz ohne Pinsel und Farbeimer in die Räume.

Farbe bleibt auch für die Wissenschaft ein Forschungsthema. Etwa 150 monochromatische Farben erkennt der Mensch, übertragen auf unterschiedliche Lichtverhältnisse und Sättigung entspricht das etwa 300 000 Farben. Frauen verfügen im Allgemeinen über eine bessere Farbwahrnehmung als Männer. Ob sie deshalb auch oft das letzte Wort bei der Gestaltung der gemeinsamen Wohnung haben?

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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