Diamanten:Falscher Glanz

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Die Wirtschaftskrise zeigt: Diamanten taugen nicht als Wertanlage - die Branche kämpft ums Überleben. Nur die Pfandleiher können sich freuen.

Silvia Liebrich

In Zeiten der Wirtschaftskrise haben die Briten Michael Julian und Mike Davis eine Marktlücke entdeckt. Als die beiden Jungunternehmer Anfang April ausgerechnet mitten im piekfeinen Londoner Finanzdistrikt das erste Pfandleihhaus seit hundert Jahren eröffneten, stießen sie auf allgemeine Skepsis. Inzwischen sind die Zweifler eines Besseren belehrt.

Diamanten halten für die Ewigkeit, nicht aber ihr Wert. Das bekommen gerade Diamanten- und Bergbaukonzerne zu spüren. (Foto: Foto: dpa)

Der Niedergang im Londoner Finanzviertel treibt entlassene Banker in Scharen in das kleine Büro von Julian und Davis, die sich auf einen ganz besonderen Service spezialisiert haben: die Inzahlungnahme von besonderen Preziosen wie Rolexuhren oder Diamantschmuck, die einstigen Statussymbole eines inzwischen schwer angeschlagenen Berufsstandes. "Die fetten Katzen verpfänden ihre Diamanten", lästerte prompt die britische Zeitung Daily Mail.

Es wird an Luxus gespart

Nicht nur in London sind die Angestellten der Finanzbranche von Massenentlassungen oder massiven Gehaltskürzungen betroffen. Ihren Kollegen in New York oder Tokio ergeht es nicht viel besser. Das gilt auch für die Topverdiener anderer Branchen. Die Zeiten großzügiger Boni und rasant steigender Gehälter scheinen erst einmal vorbei, es wird gespart.

Das bekommen auch die Hersteller von Luxusartikeln zu spüren, deren Umsätze seit Beginn der Krise im vergangenen Sommer dramatisch gesunken sind. Zu den großen Verlierern zählt die sonst so erfolgsverwöhnten Diamantindustrie, die derzeit den heftigsten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt.

Damit zeigt sich, dass ein Diamant zwar für die Ewigkeit sein mag, wie es der legendäre Werbespruch des Diamantenkonzerns De Beers verspricht - für seinen Wert muss dies aber noch lange nicht gelten. Das Geschäft in den USA, wo die meisten Steine verkauft werden, ist beinahe zum Erliegen gekommen. Auch andere zahlungskräftige Käufer, etwa aus Russland oder dem Nahen Osten, lassen ihre Kreditkarten in schlechten Zeiten wie diesen lieber in der Brieftasche stecken.

Preiseinbruch um 30 Prozent

Viele Anleger, die in den glitzernden Steinen eine Wertanlage sahen, die sich in Krisenzeiten ähnlich gut entwickelt wie Gold, wurden in den vergangenen Monaten enttäuscht. Während sich das Edelmetall mit 900 Dollar leicht über dem Vorjahresniveau bewegt, brachen die Preise für Diamanten regelrecht ein, nach Angaben des Branchendienstes Polished Prices teilweise um mehr als 30 Prozent. Allenfalls besonders große und lupenreine Steine erwiesen sich den Angaben zufolge als relativ stabil im Wert.

Zugleich werden deutlich weniger Steine gehandelt: Im belgischen Antwerpen, dem wichtigsten europäischen Umschlagplatz für Diamanten, ging der Umsatz mit geschliffenen Steinen im März um ein Drittel zurück. Der Umschlag von Rohdiamanten halbierte sich sogar im Vergleich zum Vorjahresmonat.

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In der Branche herrscht Alarmstimmung. Mittlerweile seien sogar die für ihre Standhaftigkeit bekannten Züricher Juweliere bereit, über den Preis zu verhandeln, heißt es in der Branche. Andere ziehen die Notbremse, wie der Schweizer Schmuckkonzern Golay Buchel, der sich auf Perlen und Edelsteine spezialisiert hat. Vor zwei Wochen kündigte das Unternehmen an, dass es seine Diamantenabteilung in Lausanne aufgeben werde, "infolge der jüngsten Entwicklungen und der angehenden Schwierigkeiten in diesem Geschäftsbereich", wie es hieß.

"Die fetten Katzen verpfänden ihre Diamanten": Pfandleiher wie Michael Julian machen in der Krise ein gutes Geschäft. (Foto: Foto: Getty)

Inzwischen zeigt sich auch, dass Bergbaukonzerne, die sich auf Diamanten spezialisiert haben, von der Wirtschaftskrise stärker betroffen sind, als Minenkonzerne, die auf verschiedene Rohstoffe setzen. Das trifft neben dem südafrikanischen De-Beers-Konzern, der die Hälfte des Diamantenmarktes beherrscht, für Firmen wie Harry Winston Diamond, Alrosa, Gem Diamonds oder Trans Hex zu.

Minenproduktion deutlich gedrosselt

Deren Titel schnitten in den vergangenen zwölf Monaten allesamt schlechter ab als der Branchendurchschnitt. Die Investmentbank RBC Capital geht davon aus, dass allein De Beers in diesem Jahr den Umsatz halbieren wird, auf nur noch 3,5 Milliarden Dollar. Viele Minenbetreiber haben inzwischen reagiert und die Produktion deutlich gedrosselt.

Frühere Krisen balancierte der Diamanten-Multi De Beers durch eine mit harter Hand gesteuerte Angebotspolitik aus. Gaben die Preise nach, kaufte der Konzern einfach solange die Überschüsse im Handel auf, bis das Angebot knapp wurde und die Preise wieder anzogen. Dies gilt auch als Hauptgrund für die ungewöhnliche Preisstabilität von Diamanten in der Nachkriegszeit.

Seine marktbeherrschende Position hat De Beers jedoch inzwischen verloren. Die neuen großen Spieler kommen aus Russland und Kanada, und sie mischen immer stärker im Geschäft mit. Preisschwankungen werden somit nach Einschätzung von Analysten noch zunehmen. Sie sind zugleich Zeichen für einen funktionierenden Wettbewerb.

Wie wenig Geld ein Diamantenhalsband oder eine Luxusuhr im Notfall einbringen kann, merken derzeit die Kunden des Londoner Luxus-Pfandleihhauses direkt gegenüber der Liverpool Station. Für zwei Cartier-Uhren im Wert von 45.000 Pfund gab es gerade einmal 2000 Pfund Kredit für den von akuten Finanznöten geplagten Ex-Banker, der sie versetzte. Kann er das Geld in sechs Monaten einschließlich sechs Prozent Zinsen nicht zurückzahlen, sind die wertvollen Stücke ein Fall für den Auktionator. Den großen Schnitt machen dann mit etwas Glück die Pfandleiher.

© SZ vom 29.04.2009/kaf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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