Diamanten als Wertanlage:Nichts für die Ewigkeit

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Diamanten-Branche in der Krise: Die Preise für kleine und mittelgroße Diamanten fallen. Als Wertanlage sind die Edelsteine kaum geeignet

Silvia Liebrich

Ein seltener Diamant kann selbst in einer Finanzkrise sämtliche Rekorde brechen. Das bewies vor wenigen Tagen eine Versteigerung im Londoner Auktionshaus Christie's.

Schön und teuer: Der "Blaue Wittelsbacher" brachte seinem bisherigen Besitzer 18,7 Millionen Euro ein (Foto: Foto: dpa)

Der legendäre " Blaue Wittelsbacher", ein 35,56-karätiger naturblauer Stein, wechselte für knapp zwanzig Millionen Euro den Besitzer. Der bei der Auktion erzielte Preis lag um das Doppelte über dem ursprünglichen Schätzwert des berühmten Diamanten, der einst zum österreichischen Kronschatz gehörte.

Geschichten wie diese nähren den Mythos, dass Diamanten nicht nur kostbarer Schmuck, sondern vor allem eine gute Kapitalanlage sein können. In schwierigen Zeiten wecken sie ganz besonders das Interesse von Anlegern. Wenn die Börsenkurse scheinbar ins Bodenlose fallen und Staatsanleihen kaum noch Rendite bringen, sind sichere Kapitalanlagen gefragter denn je.

Was viele Investoren dabei übersehen: Der Edelsteinmarkt ist derzeit alles andere als ein sicherer Hafen. Wie die Autoindustrie leidet auch die Edelsteinbranche unter einer Absatzkrise, der schlimmsten seit Jahrzehnten, wie Brancheninsider bestätigen.

Vor allem kleine und mittelgroße Steine verlieren deutlich an Wert. Seit den Sommermonaten gaben die Preise von ungefassten, geschliffenen Diamanten im Durchschnitt um 20 Prozent nach.

Größter Absatzmarkt sind nach wie vor die Vereinigten Staaten. In der Vergangenheit wurde hier die Hälfte der Weltjahresproduktion verkauft. Doch mit Einsetzen der Bankenkrise ließ das Interesse spürbar nach.

Minen werden geschlossen

Händler und Juweliere rechnen bis zum Jahresende mit einem weiteren Rückgang des Umsatzes. "Wie stark der ausfällt, wissen wir erst nach Weihnachten", sagt Ulrich Freiesleben, einer der wenigen deutschen Diamantenhändler, die am wichtigsten europäischen Handelsplatz im belgischen Antwerpen vertreten sind. "Alle halten im Moment die Luft an und hoffen, dass es nicht so schlimm kommt", beschreibt er die Stimmung in der Branche.

Produzenten wie der frühere Monopolist DeBeers, der noch immer knapp die Hälfte des Diamantenmarktes beherrscht, drosseln den Abbau oder schließen gleich ganze Minen. Der russische Bergbaukonzern Alrosa kündigte kürzlich an, dass er in diesem Jahr 40 Prozent weniger Rohdiamanten auf den Markt bringen wird. In Israel, einem der größten Umschlagplätze weltweit für geschliffene Diamanten, kam der Handel fast ganz zum Erliegen.

Wer dringend verkaufen müsse, nehme hohe Preisabschläge in Kauf, heißt es in einem Marktbericht des Branchendienstes Idex. In Indien und China, wo ein großer Teil der Rohdiamanten geschliffen und poliert wird, werden die Kapazitäten zurückgefahren. Viele der weiterverarbeitenden Betriebe planen Massenentlassungen und Gehaltskürzungen.

In der Branche hoffe man darauf, dass der Preisverfall mit einer Verknappung des Angebots gestoppt werden könne, sagt der Wissenschaftler Helmut Braun, der Wirtschafts- und Technologiegeschichte lehrt. Für Außenstehende sei die Marktentwicklung momentan kaum durchschaubar. Braun rät deshalb davon ab, Diamanten als reine Wertanlage zu kaufen. "Wer sie nur aus diesem Grund kauft, geht ein großes Risiko ein." Vor allem weil es keinen geregelten Markt für den An- und Verkauf gebrauchter Steine gibt.

Ein Börsenhandel wie bei Gold fehlt. "Ein einzelner Stein ist immer nur so viel wert, wie ein einzelner Käufer zahlen will", ergänzt Braun. In Pfandleihhäusern müssten Kunden beispielsweise Preisabschläge von bis zu 90 Prozent in Kauf nehmen. Braun verweist außerdem darauf, dass der Wert eines Steins für Laien nur schwer einschätzbar sei. Gleich vier Kriterien spielen dabei eine Rolle: der Schliff, das Gewicht, die Farbe und die Reinheit (Kasten). Selbst Experten seien sich häufig nicht einig über den Wert eines Steins.

Dass das Interesse an Diamanten als Kapitalanlage trotz dieser Unwägbarkeiten wächst, spürt der Händler Freiesleben, der in seiner Manufaktur auch Diamantschmuck entwirft und verkauft. "Es erkundigen sich mehr Kunden als sonst nach der Werthaltigkeit der Steine", erzählt er. Nach seiner Einschätzung sind es vor allem die großen und besonders wertvollen Steine, die für eine Geldanlage in Frage kommen.

Hier seien die Preise bislang stabil, sagt der Händler. Er sieht betuchte Investoren wie den Londoner Luxus-Juwelier Laurence Graff, der gerade den "Blauen Wittelsbacher" ersteigert hat, auf der sicheren Seite. "In der Liga der Raritäten gibt es so gut wie keinen Wertverfall", meint Freiesleben. Nur wenige Anleger können es sich allerdings leisten, in dieser Liga mitzuspielen.

© SZ vom 20.12.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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