Degler denkt:Das Horrorwort vom Staatsbankrott

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Dubai, Griechenland und kein Ende: In der Finanzwelt wächst die Furcht vor Staatspleiten. Auch die USA und Deutschland stehen am Abgrund.

D. Degler

Im kaum durchdringbaren Geflecht der Kausalitäten, die zur weltweiten Finanzkrise geführt haben, kam eine kleine, aber feine Branche relativ gut weg. Das war das Gewerbe der Ratingagenturen.

Kursrutsch in Dubai: Mit dem Emirat geht es finanztechnisch gesehen abwärts. (Foto: Foto: AFP)

Diese Unternehmen schätzen die Bonität von Wertpapieren, Unternehmen und ganzen Staaten ein. Erst durch ihre - oftmals unseriösen - Bewertungen konnte es überhaupt geschehen, dass raffgierige Banken die hochriskanten Wertpapiere von Subprime-Schuldnern Anlegern in aller Welt andrehen konnten als seien es Juwelen.

Seither wird unter Politikern und in der Finanzbranche zwar darüber diskutiert, wie man diese dubiosen Ratingfirmen besser kontrollieren könnte. Doch von harten Einschnitten, etwa Forderungen nach Gehaltskürzungen oder gar Verstaatlichungen, wie sie sich die Manager von Banken anhören mussten, war kaum etwas zu hören. Immerhin soll die neue Aufsichtsbehörde European Securities and Markets Authority die Branche künftig stärker kontrollieren - was wahrscheinlich zu viel Aktenschieberei und wenig effizienter Kontrolle führen wird.

Jetzt machen die Ratingkünstler wieder Furore - diesmal allerdings nicht mit Schönfärberei, sondern in ungewöhnlich düsteren Moll-Tönen. Vergangene Woche senkte die Agentur Fitch die Bewertung der Bonität des EU-Mitglieds Griechenland wegen der horrenden Staatsverschuldung, die Kollegen von Standard & Poor's stellten die Prognosen für das kleine Land auf negativ um.

Die Folgen: Es kam zu einem Ausverkauf griechischer Staatsanleihen, die Kurse fielen senkrecht. Griechenland muss seinen Geldbedarf auf den internationalen Kapitalmärkten künftig zu noch schlechteren Konditionen stillen als bislang schon.

Die Griechen sind mit der Misere nicht allein. Im Wochentakt jagen Negativmeldungen rund um den Globus. Finanzmanager schaudert es, wenn wieder ein Staat ins Trudeln kommt: Das als superreich geltende Dubai musste in letzter Sekunde vom Nachbarn Abu Dhabi gerettet werden und Island war schon 2008 am Ende, weil die drei größten Banken des Landes Schulden im Volumen vom Neunfachen des Bruttoinlandsproduktes aufgehäuft hatten.

In staatsfinanzieller Bedrängnis sind Rumänien, die baltischen Staaten, Portugal und Italien. Selbst Kalifornien, einer der zehn stärksten Wirtschaftsräume der Welt, muss wegen seiner Überschuldung höhere Zinsen auf geliehenes Geld zahlen als beispielsweise Brasilien und Mexiko.

"Tumultartige Zeiten" sagt die Ratingagentur Moody's deshalb jenen Staaten für das kommende Jahr voraus, die mit Bankenrettungsschirmen und Konjunkturpaketen versucht haben, die Folgen der Finanzkrise einzudämmen und damit besorgniserregende Rekordschulden aufgebaut haben.

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Das Gespensterwort vom "Staatsbankrott" mit allen bekannten Nebenerscheinungen wie Hyperinflation und Währungsreform macht in der Finanzbranche die Runde. Die professionellen Zocker, die auf den finanziellen Untergang eines Landes wetten, stehen schon in den Startlöchern.

Und es sind diesmal mitnichten ausschließlich die üblichen Verdächtigen, die wie Japan, Italien oder die Griechen bereits mehr Schulden haben als sie pro Jahr an Waren und Dienstleistungen produzieren. Die dunklen Vorhersagen der Bonitätsbewerter beziehen sich ausdrücklich auch auf die feineren Mitglieder der Staatengemeinschaft, auf Länder wie USA, Deutschland oder Frankreich.

Besonders bedenklich für Europa: Die EU kann in Not geratenen Mitgliedsländern nicht helfen, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht. Die Regelungen des EU-Vertrags enthalten kein Verfahren, nach dem ein in Not geratener Staat von den anderen Mitgliedern gerettet werden könnte. Im Gegenteil: Das Gesetzeswerk zielt darauf ab, dass sich jeder Staat aus eigener Kraft aus dem Finanzsumpf zu ziehen habe. Ruiniert sich aber Griechenland, hätte das erhebliche Folgen für den gesamten EU-Raum.

Was für die Hellenen gilt, gilt im Ernstfall auch für Deutschland. Die Analysten von Moody's schreiben unter Anspielung auf das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die Regierung unter Angela Merkel verfahre nach dem fragwürdigen Prinzip "mehr Schulden heute für hoffentlich weniger Schulden in der Zukunft". Andererseits: Wollten die Regierungen ihre Bonität bewahren oder wiederherstellen, ginge das nur über eine massive Haushaltskonsolidierung. Das wiederum würde die zaghaften konjunkturellen Impulse gleich wieder dämpfen.

Die Schuldenmacher in den Kabinetten haben zur Bewältigung der Finanzkrise einen gefährlichen Weg eingeschlagen. Das Leben auf Pump überschreitet weltweit die Grenzen seriöser Haushaltspolitik. Es produziert eine diffuse Angst.

Ihre Wurzeln reichen zurück bis zu jenen zwei Währungsreformen, die Deutschland im vergangenen Jahrhundert durchstehen musste. Dass die Geldgutachter der Ratingexperten mit ihren Bewertungen diesmal genauso danebenliegen, wie bei der Bewertung der Subprime-Papiere, mit denen das Finanzschlamassel begann, ist leider nicht sehr wahrscheinlich.

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