Dachgeschoss:Ausbau mit Hindernissen

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Hier ist Platz genug, um auszubauen. Aber nicht immer kann der Dachboden in Wohnraum umgewandelt werden – Altbauten haben oft zu leichte und zu wenig tragfähige Holzbalkendecken. (Foto: imago stock&people)

Die Rohlinge ganz oben sind noch relativ günstig zu haben. Doch bei diesen Schnäppchen lauern rechtliche und technische Probleme.

Von Stephanie Hoenig

Eine Dachwohnung als zugige, nasse Bleibe eines "armen Poeten", wie Carl Spitzweg sie 1839 malte, ist Vergangenheit. Wegen des technischen Fortschritts beim Ausbau und verbesserter Materialien ist heute das ausgebaute letzte Stockwerk eines Hauses gemütlicher und bei Wohnungsinteressenten begehrt. Neu ausgebaute Dachwohnungen sind im Winter nicht kalt und haben im Sommer kein Barackenklima mehr. Sie eröffnen bei Mehrfamilienhäusern oft einen großartigen Ausblick über die Dachlandschaft der Stadt. Mit großen Fensterfronten sind sie sehr hell und es gibt keine Geräusche aus darüberliegenden Wohnungen: "Auch aus ökologischer Sicht ist Dachausbau sinnvoll", sagt Ulrich Zink, Architekt vom Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung in Berlin. Denn es werde zusätzlicher Wohnraum geschaffen, ohne neue Freiflächen versiegeln zu müssen.

Vor allem in Innenstadtlagen entstehen moderne Wohnungen unter alten Dächern. Aber bei aller Euphorie: Nicht jedes Dachgeschoss lässt sich ausbauen. Denn Dächer älterer Häuser waren ursprünglich nicht für einen Ausbau zu Wohnzwecken vorgesehen. "Altbauten haben oft zu leichte und zu wenig tragfähige Holzbalkendecken", erklärt Volker Wittmann, Leiter des Regionalbüros Regensburg des Verbands privater Bauherren (VPB). Eine vollgelaufene Badewanne oder ein Wasserbett können sie meist nicht tragen.

"In der Praxis bedeutet das, die bautechnischen Voraussetzungen müssen erst durch teure Baumaßnahmen geschaffen werden", sagt Wittmann. So müssten beispielsweise Geschossdecken aufwendig verstärkt werden. Ein nicht ausgebauter Dachboden verfüge auch selten über einen ausreichenden Trittschallschutz. Beim Ausbau sollte daher der Fußboden einen Aufbau erhalten, der Bewohner in den unteren Geschossen vor dem Trittschall schütze, rät der Experte und fügt hinzu: Um das Ausmaß der notwendigen Arbeiten zu ermitteln, sollte ein Bausachverständiger eine Bestandsprüfung machen: Ist das Dach noch regendicht? Ob und wie lässt sich eine Wärmedämmung gemäß Energieeinsparverordnung einbauen? Und das Holz ist laut Zink auf Pilz- und Schädlingsbefall zu prüfen.

Reicht die Raumhöhe? Wie groß müssen die Fenster sein? Vor Projektbeginn ist vieles zu klären

"Bei der Vorprüfung gilt es auch zu bedenken, ob beim Ausbau überhaupt eine sinnvoll große Wohnung entsteht", sagt Josef Rühle, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks in Köln. "Dächer lassen sich theoretisch schon ab einer Dachneigung von 20 Grad ausbauen - aber nicht immer gewinnt man genügend Fläche mit ausreichender Kopfhöhe von mindestens 2,30 Metern." Solche Räume würden von den Behörden dann nicht als Wohnraum genehmigt. Meist gut geeignet seien dagegen Dächer mit einer Neigung von 35 bis 55 Grad.

Ausreichend natürliches Licht ist in ausgebauten Dachgeschossen unverzichtbar. Um düstere Dachkammern zu vermeiden, bieten sich Gauben oder Dachflächenfenster an. Wie groß die Fensterflächen sind, darf der Bauherr aber nicht selbst bestimmen. Die Landesbauordnungen schreiben Mindestlichtflächen vor, um ein gesundes Wohnen zu ermöglichen. Je nach Bundesland betragen sie zwischen einem Achtel und einem Zehntel der Raumgrundfläche, erläutert Kurt Jeni in seinem Ratgeber "Das neue Buch vom Dachausbau" (Blottner-Verlag). Bei einer 100 Quadratmeter großen Dachwohnung müssen also etwa acht bis zehn Quadratmeter Fensterfläche vorhanden sein.

"Kann der Speicher bisher nur über eine Luke erreicht werden, muss zusätzlich eine Treppe eingebaut werden", erklärt Wittmann. "Diese muss sicher und bequem zu gehen sein." Und da man an Dachflächenfenster keine Leiter anlegen könne, müsse neben der Treppe ein zweiter Fluchtweg geplant werden. Dies könne beispielsweise ein Dachbalkon sein, an den die Feuerwehr ihre Leitern anlege könne. Ein solcher Balkon sei aber nicht geeignet zum ständigen Gebrauch. Ein Dachausbau scheitere oft am zweiten Fluchtweg, berichtet Wittmann.

Um den Raum unter dem Dach überhaupt nutzen zu können, müssen auch Heizungs- und Wasseranschlüsse gelegt und die Stromversorgung erweitert werden. Hier kommt es ebenfalls auf den Zustand im übrigen Haus an, wie der VPB betont. Die Bauherren müssen kontrollieren, ob sich Elektroleitungen sowie die Heizungs- und Wasserrohre fortsetzen lassen. Ist der Zustand der Leitungen und Rohre schlecht, müssen sie gegebenenfalls komplett saniert werden - und das geht ins Geld. Daneben gibt es nach VPB-Angaben weitere Aspekte: Braucht das Haus nach dem Ausbau einen Fahrstuhl? Reichen die Stellplätze in der Tiefgarage oder im Hof für weitere Mitbewohner?

"Wer einen Dachgeschossrohling kauft, muss auch viele rechtliche Gegebenheiten berücksichtigen", erklärt Zink. Ganz wichtig: Es sollte beim Abschluss eines Kaufvertrages unbedingt eine Baugenehmigung vorhanden sein. Denn nur so sei gewährleistet, dass das Bauamt eine sogenannte Nutzungsänderung zu Wohnzwecken tatsächlich erlaubt habe. Oft verkaufen Eigentümergemeinschaften den Dachgeschossrohling. In diesem Fall sollte der potenzielle Erwerber klären, was am Dach Gemeinschaftseigentum und was Sondereigentum ist. Das ist wichtig, weil für Reparaturen am Gemeinschaftseigentum alle Miteigentümer aufkommen müssen. Für die Reparaturen am Sondereigentum ist dagegen nur der neue Besitzer verantwortlich.

Mieter in Mehrfamilienhäusern können sich gegen einen geplanten Dachausbau nicht wehren. Selbst wenn sie einen Verschlag unter dem Dach mitgemietet haben, sieht der Gesetzgeber eine Teilkündigung ausdrücklich vor, falls neuer Wohnraum entsteht, erklärt Rechtsanwalt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB) in Berlin. Für Mieter bleibe dann nur die Option, die Miete geringfügig zu kürzen. Die Kündigungsfrist für solche Verschläge betrage für den Vermieter lediglich drei Monate.

"Zur Planung eines Ausbaus gehört auch eine präzise Kosten-Nutzen-Kalkulation, ob sich der Aufwand wirtschaftlich überhaupt rechnet", sagt Wittmann. Dort, wo Bauland noch günstig ist, ergebe ein aufwendiger Ausbau im Vergleich zu einem Neubau wenig Sinn. Ganz anders sei dies in Innenstadtlagen von Metropolen wie Hamburg, Berlin oder München. "In solchen Großstädten und Ballungsgebieten rechnet sich das meist, aber Interessenten sollten dabei einen Bauberater oder Architekten verpflichten", empfiehlt Zink.

© SZ vom 13.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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