Commerzbank übernimmt Dresdner:Nur die Rendite im Blick

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Die Fusion zwischen Commerzbank und Dresdner Bank zeigt erneut, dass Belange der Mitarbeiter eine untergeordnete Rolle spielen.

Alexander Hagelüken

Die Branche feiert es genauso wie die Bundesregierung: In Deutschland entsteht ein neuer Finanzriese. Mit der Fusion von Dresdner und Commerzbank bestimmen die deutschen Institute den Wandel der Bankenszene erstmals selbst mit, statt dies wie sonst in den vergangenen Jahren ausländischen Häusern von Unicredit bis Crédit Mutuel zu überlassen. Das ist durchaus ein Erfolg.

Der Vorstandssprecher der Commerzbank Martin Blessing und Allianz-Vorstandsvorsitzender Michael Diekmann. (Foto: Foto: AP)

Auch ohne Fusion würden Jobs verloren gehen

Die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik können mit solcher Globalstrategie allerdings wenig anfangen. Für sie bedeutet "wirtschaftliches Großprojekt" zunächst wieder einmal nur eines: massiven Stellenabbau. 9000 Jobs will die neue Doppelbank streichen, das ist mehr als jeder zehnte Arbeitsplatz. Wie schon bei Schaeffler und Conti müssen die Beschäftigten zittern. Während sich Aktionäre und Manager auf neue Geschäfte und Gewinne freuen, hoffen die Mitarbeiter nur, dass sie persönlich verschont bleiben - ein trauriger Gegensatz.

Wer fair ist, räumt ein, dass vermutlich auch ohne Fusion Arbeitsplätze verlorengehen würden. Die Dresdner Bank schreibt Verluste, ihre Mutter Allianz konnte nie so recht etwas mit dem teuer eingekauften Institut anfangen. In so einer Situation sind die Jobs auch ohne Verkauf unsicher, zumal es in Deutschland international gesehen sehr viele Bankfilialen gibt. Sollte das neue Doppelinstitut erfolgreich sein, sichert es die verbleibenden Arbeitsplätze womöglich besser, als es die beiden Banken alleine hätten tun können.

Der Arbeitnehmer als kalkulatorische Restgröße

Bei vielen Arbeitnehmern im Lande bleibt trotzdem ein Unbehagen. Sie fragen sich, welchen Stellenwert sie in den hochfliegenden Plänen von Vorständen haben. Sie sehen sich oft zu einer kalkulatorischen Restgröße schrumpfen, wenn sich ein Unternehmen neu ausrichtet. In der Mitteilung zum Dresdner-Verkauf schwärmt der Allianz-Konzern vier Seiten lang von Potentialen und Strategien. Über die Mitarbeiter verliert er kein Wort. So etwas geschieht in vielen Branchen. Die Deutsche Bahn verlangt künftig 2,50 Euro, falls ein Mensch statt eines Automaten die Fahrkarte verkauft. Ganz offensichtlich will die Bahn dadurch menschliche Verkäufer loswerden.

Wie sich ein Konzern verändert, bestimmen inzwischen stark die Kapitalmärkte. Mitarbeiter müssen bangen, wenn ihr Unternehmen mal nur fünf oder sieben Prozent Gewinn abwirft. Investoren wollen mehr. Die neue Doppelbank verspricht eine Rendite von 15 Prozent. Ob sich Finanzgeschäfte auch mit einer Rendite von zehn Prozent, aber dafür mit mehr Mitarbeitern abwickeln lassen, wird überhaupt nicht diskutiert.

Kein strahlender Gewinner

Die Deutschen haben in den vergangenen Jahren politische Reformen mitgetragen, die den Sozialstaat bezahlbarer gemacht und neue Jobs geschaffen haben. Sie haben durch moderate Lohnabschlüsse mitgeholfen, ihre Arbeitsplätze international konkurrenzfähiger zu gestalten. Trotz allem Widerstand gegen Hartz IV gab es einen Konsens, dass Veränderung wegen der Globalisierung nötig ist. Diesen Konsens werden viele Arbeitnehmer aufkündigen, wenn sie das Gefühl haben, dass für die Manager und Eigentümer Arbeitsplätze drittrangig sind.

Die Spitzen von Allianz und Commerzbank jedoch schienen in den vergangenen Tagen damit beschäftigt, ganz andere Fragen zu klären. Beide Seiten stehen nicht wie strahlende Gewinner da. Die Allianz kassiert weit weniger, als sie einst für die Dresdner bezahlt hat - sie muss einräumen, dass der Ausflug ins Bankgeschäft ein Flop war. Der Commerzbank wiederum fehlt es offenbar an Mitteln, die Dresdner Bank gleich ganz zu kaufen. Die Börse hat Commerzbank-Chef Martin Blessing für den riskanten Coup am Montag abgestraft - die Aktie verlor deutlich an Wert. Und die Mitarbeiter der beiden Banken? Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Das Mindeste wäre nun, dass die großen Management-Strategen mit den Gewerkschaften über die Zukunft der Beschäftigten reden.

© SZ vom 02.09.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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